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Gebäudetyp-e im BGB: Bundesjustizministerium macht Vorschlag

Anstatt Normen direkt anfassen zu müssen, führt der wohl einfachste Weg zum Gebäudetyp-e über das Bauvertragsrecht und die Definition, was wirklich ein Mangel ist. Dazu hat nun das Bundesjustizministerium erste Vorschläge unterbreitet. Sie sollen Architektinnen und Architekten die Arbeit erleichtern und das Bauen vereinfachen.

Von: Heiko Haberle
Heiko Haberle ist Redakteur von der Kurzmeldung bis zum großen...

16.07.20243 Min. Kommentar schreiben

Der Planungsansatz „Gebäudetyp-e“ für einfacheres (und damit günstigeres und schnelleres) Planen und Bauen ist einen weiteren Schritt näher gerückt. Nachdem das Bauministerium bereits begonnen hatte, in seinem Aufgabenbereich die notwendigen Voraussetzungen für ein normenreduziertes Bauen zu schaffen, war auch das Bundesjustizministerium aktiv geworden. Denn für eine konsequente Umsetzung muss auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) angepasst werden, in dem das Bauvertragsrecht geregelt ist.

Normen sind keine Gesetze

Nicht die Vielzahl an Baunormen als solche sorgt für eine Verkomplizierung des Bauens, sondern das Bauvertragsrecht, das sich auf sie bezieht. So nehmen auch für Sicherheit und Funktion nicht relevante Normen (etwa zum Wohnkomfort) schnell Gesetzescharakter an, sofern sie als „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ gelten. Abweichungen gelten dann als „Mängel“, die eine Haftung von Architektinnen und Architekten zur Folge haben können.

Logo zum Gebäudetyp-e
Grafik: Bayerische Architektenkammer

Zivilrechtliche Absicherung für den Gebäudetyp-e

Am 11. Juli machte das Bundesjustizministerium nun erste Vorschläge für ein sogenanntes „Gebäudetyp-E-Gesetz“:

  • Der Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“ soll konkreter gefasst werden. Es soll erreicht werden, dass reine Komfort-Standards im Allgemeinen nicht dazu zählen.
  • In Verträgen zwischen Planern und professionellen Auftraggebern (also zum Beispiel kommerzielle Investoren oder öffentliche Wohnungsbaugesellschaften, jedoch keine private Bauherren) soll die Abweichung von „anerkannten Regeln der Technik“ erleichtert werden.
  • Ein Abweichen von „anerkannten Regeln der Technik“ soll nicht mehr automatisch ein Sachmangel sein.
  • Im BGB soll eine neue Vermutungsregelung geschaffen werden, die auf alle Bauverträge Anwendung findet. Künftig soll die Vermutung gelten, dass reine Ausstattungs- und Komfortstandards keine „anerkannten Regeln der Technik“ sind.
  • Für sicherheitsrelevante technische Normen soll eine gegenteilige Vermutung gelten.
  • Öffentlich-rechtliche Vorgaben, die alle Bauvorhaben einhalten müssen, bleiben bestehen: etwa die grundlegenden Schutzziele der Bauordnungen wie Standsicherheit, Brandschutz, Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit.

Berufspolitischer Erfolg für Architektinnen und Architekten

Für die Bundesarchitektenkammer (BAK) ist die Nachricht aus dem Bundesjustizministerium ein „großartiger berufspolitischer Erfolg, der in enger Zusammenarbeit mit der Bundesregierung erlangt werden konnte“, so BAK-Präsidentin Andrea Gebhard in einer Pressemitteilung. in der von einem „Durchbruch“ die Rede ist.

Andrea Gebhard ergänzt: „Ein sinnvolles Maß an Normierung und Standardisierung war schon längst überschritten. Nun kann der Gebäudetyp-e Fahrt aufnehmen. Ich bin mir sicher, dass wir in ein, zwei Jahren über viele spannende Best-Practice-Beispiele verfügen. Heute kann man von einer Zeitenwende für mehr Innovation und Einfachheit beim Bauen sprechen.“

 

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8 Gedanken zu „Gebäudetyp-e im BGB: Bundesjustizministerium macht Vorschlag

  1. Der in dem Kommentar angeführte Vorschlag, hier private Bauherren (natürliche Person) aus dem BGB im Sachmangelrecht „anerkannte Regeln der Technik“ heraus zu nehmen und defacto den Rechtssprechungsgrundsatz zu juristischen Personen unterschiedlich zu werten und zu behandeln, widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes.
    Wenn dieser Vorschlag zur Regelung des Sachmangelrechts in das BGB einfließen sollte, sind die Klagen wegen Ungleichbehandlung vorprogrammiert.

    Ich frage mich, weswegen hier eine Differenzierung eingebaut werden soll?
    Zudem: Was ist Komfort und was sind Standards? Es ist mir nicht bekannt, dass schriftlich definiert worden ist, was mit Komfort-Standards gemeint ist, die allgemeine Rechtsnatur haben. Komfort und Standards sind im Blickwinkel und Wertegefühl des jeweiligen Betrachters zu sehen. Sie sind divers!

    Antworten
    • Liebe Frau Kühn,
      vielen Dank für die Richtigstellung.
      Entscheidend ist vor allem, dass die Differenzierung nicht vorgenommen wird, um den unkundigen Verbraucher zu benachteiligen, sondern um ihn zu schützen.
      Herzliche Grüße
      Sebastian von Oppen
      Referatsleiter Architektur und Bautechnik bei der Bundesarchitektenkammer

      Antworten
    • Lieber Herr vom Hofe,
      untenstehende Anmerkung von Frau Kühn zu Ihrem Beitrag empfehle ich zur Lektüre.
      Herzliche Grüße
      Sebastian von Oppen
      Referatsleiter Architektur und Bautechnik bei der Bundesarchitektenkammer

      Antworten
  2. Dass natürliche und juristische Personen laut Verfassung „gleichgestellt“ sein müssen, ist schon eine extrem steile These. Dann sollten sich die Verfassungsrechtler mal verstärkt mit folgenden Gesetzen beschäftigen, bei denen diese Gleichstellung nicht zugrunde liegt:
    Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
    Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
    Preisangabenverordnung (PAngV)
    Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände und Futtermittelgesetzbuch
    Verbraucherinformationsgesetz
    Telekommunikationsgesetz
    Produktsicherheitsgesetz
    Chemikaliengesetz
    Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz

    Was die Frage angeht: Was ist Komfort und was sind Standards?
    Das wird dann wie alle Abwägungsfragen im Zweifelsfall vor Gericht entschieden. So dass man in einigen Jahren zur Beurteilung auf einige Präzedenzfälle zurückgreifen kann.

    Antworten
  3. Es verwundert mich, dass im Grunde immer der „Schallschutz“ als Kostentreiber genannt wird und z.B. davon gesprochen wird die „Trittschalldämmung“ zu reduzieren. Es ist seit vielen Jahre kein Geheimnis, dass durch übliche Konstruktionen die Anforderung nach DIN 4109 an den Schallschutz immer eingehalten werden können. Besondere Konstruktionen sind generell nicht erforderlich. Dieser „Mindeststandard“ des Schallschutzes, wie er in DIN 4109 genannt ist, ist in den Bauordnungen der jeweiligen Länder geregelt und stellt in diesem Sinne auch ein „Schutzziel“ dar. Dieses Schutzziel ist vergleichbar mit dem Brandschutz, Wärmeschutz oder auch der Statik. Warum gerade der Schallschutz hier als „Buhmann“ dargestellt wird, scheint lobbygetrieben zu sein. Der Schutz von Leib, Leben und Gesundheit ist ein hohes Maß und sollte nicht dem Lobbyismus geopfert werden.

    Antworten
    • Lieber Herr Dr. Neubauer,
      aus Sicht der BAK ist gegen den Schallschutz nach DIN 4109 Teil 1 gar nichts einzuwenden.
      Das ist ein angemessener Standard.
      In der Praxis wird aber regelmäßig der erhöhte Schallschutz nach Teil 5 umgesetzt.
      Der ist natürlich besser aber unstrittig auch teurer und wird aber seit einiger Zeit von Gerichten als anerkannte Regel der Technik betrachtet. Damit ist es für Planende risikobehaftet, „nur“ den bauordnungsrechtlich geforderten Standard zu bauen auch wenn damit Kosten eingespart würden.
      Beim Gebäudetyp E geht es einfach nur darum, hier für Planer wieder im Interesse der Auftraggeber ein kleines Stückchen mehr Freiheit zu gewinnen.
      Herzliche Grüße
      Sebastian von Oppen
      Referatsleiter Architektur und Bautechnik bei der Bundesarchitektenkammer

      Antworten
  4. Bin auch in der Bauplanung tätig. Es ist schon Wahnsinn, wenn man für ein neues Reihenhaus eine halbe Million hinblättern muss ..?? Wer kann sich als normaler AN das leisten? Die ganzen GEG-Gesetze müssen 10 Jahre zurückgesetzt werden. Muss unbedingt 3fach Verglasung sein, Lüftungsanlage in WHG, FBH-Heizung ?? Ich wohne selbst derzeit in 1960er Miethaus. Wo ist das Problem? Was nützen beste Wohnstandards, die sich aber niemand leisten kann.

    Antworten
  5. Guten Tag,
    Die grundsätzliche Zielrichtung der Initiative ist aus meiner Sicht sehr lobenswert, jedoch die Umsetzung wie oben beschrieben zum Scheitern verurteilt.
    1.“…Es soll erreicht werden, dass reine Komfort-Standards im Allgemeinen nicht dazu zählen….“ Kann mir bitte jemand ein Beispiel für so einen „reinen Komfort-Standard“ nennen? Mir als Bauplaner fällt keiner ein.
    2. Wir haben in D einen vollkommen überzogenen Mieterschutz. Was ist wenn die zukünftigen W.-Mieter in Größenordnungen die Miete kürzen? Ein Vertrag zwischen Wohnunsunternehmen und Planer wird diese kaum interessieren.
    3. Wie soll sich die Vertragsgestaltung zwischen mehreren Planern und einer Bauherrschaft praktisch gestalten, wenn man sich erstmal darüber einig werden muss welche von tausenden technischen Normen für den konkreten Auftrag nicht angewendet werden sollen?
    4. Wie gestaltet sich das Verhältnis Bauherr-Planer-Ausführender? Soll auch der Handwerker Normen auswählen, die nicht eingehalten werden?
    In der beabsichtigten Form ist die Umsetzung Typ E für mich ein Beschäftigungsprogramm für Rechtsanwälte.

    Folgende alternativen Vorschläge unterbreite ich:
    – Gesamtschuldnerische Haftung am Bau wirklich konsequent abschaffen
    – juristischen Mieterschutz auf ein vernünftiges Maß zurückfahren
    – Einfluss der Baustoffindustrie auf die technische Normung hart reduzieren
    – Normendickicht insgesamt entschlacken und ausmisten…
    Dann könnten wir auch wieder günstiger bauen.
    Ich freue mich auf Antworten.
    F. Müller

    Antworten

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