Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Öffentlicher Platz ist Werk der Baukunst“ im Deutschen Architektenblatt 11.2024 erschienen.
Eine Architektin und Stadtplanerin klagte gegen einen Gastronomen, der einen Zaun auf dem Worringer Platz in Düsseldorf aufgebaut hatte. Gemeinsam mit einem Landschaftsarchitekten und einem Lichtkünstler hatte die Klägerin die Neugestaltung des dreieckigen Platzes geplant, der von Straßen umfasst und von Straßenbahnschienen samt Haltestelle durchschnitten wird.
Mehr als ein gewöhnlicher Platz
Die gestalterischen Elemente des von den Planern als „Grüne Insel“ bezeichneten Konzeptes sind laut Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf unter anderem:
- ergänzende Baumpflanzungen,
- leuchtende „Stadtsofas“ aus grün-türkisen Glasbausteinen als Sitzmöbel und Begrenzungselemente,
- eine Platzoberfläche aus rutschsicheren Betonsteinen (teilweise mit integrierten LED-Lichtmodulen)
- sowie ein als „grüner Strahl“ bezeichneter leuchtender Pylon in der Platzmitte.
Werk der Baukunst dank besonderer Gestaltung
Nach Auffassung des OLG (Urteil vom 11. Januar 2024, Az.: 20 U 36/23) zeichne sich dieses Konzept durch besondere gestalterische Merkmale aus, die nicht allein technisch oder aus ihrem Gebrauchszweck bedingt seien und das Konzept von der üblichen Gestaltung eines Platzes unterscheiden würden.
Die zentrale Lichtskulptur, die Anordnung der beleuchteten „Stadtsofas“ sowie das Licht- und Farbkonzept im Sinne einer allgemein zugänglichen und durch Bodenstrahler gestalteten „Grünen Insel“ würden dem Platz eine besondere eigenschöpferische Wirkung und Gestaltung verleihen. Es liege also ein Werk der Baukunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 Urheberrechtsgesetz (UrhG) vor.
Urheberrecht für den Worringer Platz
Die Klägerin sah ihr daraus resultierendes Urheberrecht durch einen Zaun verletzt, den der Beklagte, der auf dem Platz in einem Glaspavillon einen Gastronomiebetrieb unterhält, um den Glaspavillon samt Terrassenbereich herum errichtet hatte – mit entsprechender Genehmigung der Stadt.
Der Zaun schließt auch mehrere „Stadtsofas“ ein und ist an diesen mit Schrauben befestigt. Die Klägerin verlangte in Anwendung des Unterlassungsanspruches gemäß § 97 UrhG eine Beseitigung des Zaunes. In erster Instanz hatte sie vor dem Landgericht verloren und Berufung beim OLG eingelegt.
Urheberrecht versus gegenläufige Interessen der Stadt an dem Platz
Die Berufung hatte jedoch trotz zugestandenen Urheberrechts keinen Erfolg. Eine relevante Beeinträchtigung des Werkes der Klägerin läge zwar vor. Sie müsse diese aber „infolge der erheblichen gegenläufigen Interessen der Stadt“ hinnehmen.
Kann der Pächter verklagt werden?
In der Urteilsbegründung musste sich das OLG zunächst mit der „Besonderheit“ auseinandersetzen, dass die Klägerin nicht die Stadt als Eigentümerin des Platzes, sondern den Gastronomen verklagt hatte. Der Gastronom hatte vorgetragen, dass die Klägerin sich an die Stadt halten müsse, da diese Teile des Platzes an ihn vermietet und die angegriffene Maßnahme – die Errichtung des Zaunes – genehmigt habe.
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht und bejahte die sogenannte Passivlegitimation des Beklagten, das heißt, dass die Klage zulässigerweise auch gegen ihn gerichtet werden konnte. Die Ansprüche des § 97 UrhG würden sich gegen alle Personen richten, „die ein fremdes Urheberrecht oder verwandtes Schutzrecht verletzen, also gegen Täter, Teilnehmer und – nachrangig – Störer.“
Der Beklagte habe den Zaun errichtet und sei daher unmittelbar handelnder Täter. Dass die Klägerin möglicherweise auch die Stadt hätte in Anspruch nehmen können, sei unbeachtlich, da mehrere Störer/Verletzer unabhängig voneinander hafteten.
Ist der Zaun eine Verletzung des Urheberechts?
Sodann widmete sich das Gericht der Frage, ob das Errichten des Zaunes eine relevante Beeinträchtigung des geschützten Werkes darstellt und – wenn ja – ob diese aufgrund gegenläufiger Belange gerechtfertigt ist.
Zur Begründung einer urheberrechtlich relevanten Beeinträchtigung des Werkes der Klägerin führte das Gericht aus, dass der – optisch nicht unscheinbare – Zaun die freie Zugänglichkeit des Platzes einschränke. Der Gestaltung des Platzes habe auch das Konzept zugrunde gelegen, dass ein „frei zugänglicher Platz mit hoher Aufenthaltsqualität“ geschaffen werden sollte. Durch die Errichtung des Zaunes sei ein Teil des Platzes für die Allgemeinheit nicht mehr frei zugänglich und auch ein Teil der Stadtsofas nicht mehr vollumfänglich nutzbar.
Interessenabwägung: Urheberecht am Platz gegen Zweckerfüllung
In der sich anschließenden Interessenabwägung hat das Gericht die Gefährdung der geistigen oder persönlichen Interessen der Klägerin gegen die kollidierenden Interessen der Eigentümerin (Stadt Düsseldorf) abgewogen. Dass es dabei auf die Interessen einer Nichtpartei (Stadt) abstellt, rechtfertigt es mit dem knappen Hinweis, dass sich der Beklagte „auf deren Rechtsstellung“ berufen könne.
Bei dem Werk der Klägerin handele es sich nicht um „reine Kunst“, der Platz diene vielmehr einem bestimmten Zweck. Die Klägerin sei beauftragt worden, die Aufenthaltsqualität des Platzes für die Bevölkerung zu erhöhen.
Ziel der Platzgestaltung teilweise verfehlt
Das Interesse der Stadt, der allgemeinen Öffentlichkeit einen Platz mit hoher Aufenthaltsqualität zur Verfügung zu stellen, sei aber zu einem erheblichen Teil nicht verwirklicht worden, da der Platz ein „Drogenhotspot“ sei. Das Sicherheitsgefühl der Allgemeinbevölkerung habe darunter enorm gelitten.
Vor diesem Hintergrund sei es nachvollziehbar, dass die Stadt die Errichtung des Zauns genehmigt habe, um einen weiten Schutzraum vor dem Restaurant zu schaffen, in dem sich nur Gäste des Gastronomiebetriebes aufhalten dürfen und keine Drogendealer und deren Konsumenten.
Zaun sorgt für Zweckerfüllung des Platzes
Dadurch werde „auch sonstigen Personen“ ein „halbwegs ungestörter Aufenthalt auf dem Platz“ ermöglicht. Die Auffassung der Stadt, den Zweck des Platzes, einen Aufenthaltsraum auch für sonstige Personen zu schaffen, nur durch die Errichtung eines Zauns zu erreichen, sei nachvollziehbar.
Dieses Interesse der Eigentümerin gehe dem Interesse der Klägerin an der Nichtbeeinträchtigung ihres Urheberrechtes vor. Dass die Anregung für die Errichtung des Zauns vom Beklagten ausgegangen sei und die Stadt nur die Genehmigung ausgesprochen habe, sei unerheblich.
Fazit: vielschichtiges Urteil zu Urheberrecht an einem öffentlichen Platz
Kurz gefasst lautet die Entscheidung des Gerichts also:
- Urheberrecht: ja;
- Unterlassungsanspruch: nein.
Über diesen Einzelfall hinaus ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in zweierlei Hinsicht bemerkens- und daher auch lesenswert.
Zum einen liefert sie ein weiteres Beispiel für die Vielgestaltigkeit von Werken der Baukunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Eine „Werkseigenschaft“ können nicht nur klassische Gebäude beziehungsweise die korrelierenden Pläne haben, sondern zum Beispiel ebenso Lärmschutzwände (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010, Az.: I ZR 209/07), Brunnen (OLG Hamm, Urteil vom 12. April 2011, Az.: 4 U 197/10), Toilettenanlagen (LG Leipzig, Urteil vom 19. Oktober 2001, Az.: 5 O 4475/01) oder eben auch Plätze.
Zum anderen zeichnet sie sich dadurch aus, dass es sich bei dem Beklagten nicht um die Eigentümerin des Bauwerks, sondern „nur“ um dessen Pächter handelt, gleichwohl im Rahmen der bei Urheberschutzklagen so essenziellen Interessenabwägung entscheidend auf die Interessen der Eigentümerin und damit einer an dem Verfahren nicht unmittelbar beteiligten Person abgestellt wird.
Dr. iur. Volker Steves ist Jurist bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf
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