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Zurück Nachwuchs-Kolumne #228

Gemeinwohlzertifizierung: ein Making-of aus dem Architekturbüro

Weit verbreitet ist sie zwar noch nicht, doch das Architektur- und Stadtplanungsbüro Prosa aus Darmstadt hat sie bereits: die Gemeinwohlzertifizierung. Wie haben sie die bekommen, an welchen Punkten setzt man an und wie lautet das Fazit?

Von: Johanna Lentzkow
Johanna Lentzkows Lieblingsthemen sind das Bauen im Bestand, Entwürfe von...

06.11.20244 Min. Kommentar schreiben
Collage mit Arbeitssituationen im Achitekturbüro Prosa

Die Arbeit in einem Architekturbüro wie hier bei Prosa hat viele Facetten: Wo geht da noch mehr in Sachen Gemeinwohl?
Prosa

Über einen Flyer auf einer Fridays for Future Demo, die direkt vor dem Büro von Gero Quasten und Katharina Rauh verlief, wurden sie damals auf die Gemeinwohlzertifizierung aufmerksam. Es dauerte nicht lange und ihr Büro Prosa begann gemeinschaftlich den Prozess im Herbst 2021 – und darf sich nun seit einem Jahr gemeinwohlzertifiziert nennen.

Wie in meiner letzten Kolumne bereits beschrieben, zeigt die Gemeinwohlzertifizierung auf, wo das eigene Unternehmen heute schon herausragende Leistungen zum Gemeinwohl erbringt, wie der Entwicklungspfad in die Zukunft aussehen kann und wo interessante Zukunftspotenziale liegen.

Erstmal schauen, was schon gut gemacht wird

Gero Quasten sah in der Bilanzierung vor allem die Chance, sich in internen und externen Prozessen zu hinterfragen und neu zu sortieren: „Natürlich haben wir in ein paar Dingen Nachholbedarf gesehen, aber eigentlich haben wir vielmehr nur das festgehalten, was wir im Großen und Ganzen schon gemacht haben, wir hatten es davor nur noch nie definiert.”

Bunter Zettelhaufen von oben

Die Gemeinwohlzertifizierung haben sie bei Prosa nicht nur auf einem Zettel.
Prosa

In der Peergroup zur Gemeinwohlzertifizierung

Rund 200 Arbeitsstunden investierte das Büro insgesamt in die Bilanzierung für die Gemeinwohlzertifizierung. Prosa wählte das Verfahren mit einer Peergroup, was sich als eine sehr bereichernde Erfahrung herausstellte.

Zusammen mit einem Bio-Landwirtschaftsbetrieb, einem Ökolandbauzentrum, einem Künstler und einem Betreiber eines Rechenzentrums, das ausschließlich regenerative Energie nutzt, bearbeiteten sie die vorgegebenen Themen der Matrix, die für alle gleich waren, parallel durch.

Software, Fitness, Ökobilanz

„Während sich der eine mit Saatgut beschäftigt, haben wir uns eben mit Softwarelizenzen auseinandergesetzt“, berichtet Gero Quasten. So verschieden die Schwerpunkte oft auch waren, so aufschlussreich war es, von unterschiedlichen Herangehensweisen und Lösungsansätzen aus den jeweiligen Zwischenberichten für die Gemeinwohlzertifizierung zu lernen.

Architektin Miriam Weckerle erklärt, wie das Büro die ersten Hebel zur Veränderung inzwischen schon erfolgreich in Bewegung gesetzt hat: „Im Zuge gesundheitsfördernder Maßnahmen kooperieren wir zum Beispiel nun mit einem Fitnessstudio, konkret arbeiten wir außerdem gerade an Ethikleitlinien, die definieren, was wir vertreten und wie wir agieren wollen.“

Neben internen Zielen, wie zum Beispiel auch einer bürointernen vereinfachten CO2-Bilanz, will Prosa in der Zusammenarbeit mit externen Partner:innen zukünftig auch deren Lieferketten und Nachhaltigkeitsberichte abfragen und in ihre Entscheidungen miteinbeziehen.

Gesprächsrunde im Architekturbüro Prosa

Brainstorming bei Prosa: Wie läuft es zur Zeit, wo wollen wir hin?
Prosa

Glaubwürdigkeit durch Gemeinwohlzertifizierung

Dem Büro ist es wichtig, seine Werte nach außen zu tragen: „Ich denke es ist von Vorteil, wenn man als gemeinwohlzertifiziertes Büro in Vergabeverfahren startet, weil man direkt auf einer glaubwürdigen Basis miteinander sprechen kann“, so Miriam Weckerle. Der Bericht von Prosa ist online zusammengefasst. Aber auch die kurze und sogar die lange Original-Version lassen sich gut lesen. Sie geben einen Eindruck, worauf Planungsbüros achten könnten. In den Berichten geht es u.a. um:

  • eine Umwandlung von Autoparkplätzen in Fahrradparkplätze am eigenen Bürostandort
  • ein Bekenntnis zu Apple-Produkten
  • das Geschlechterverhältnis und das Altersverhältnis im Büro
  • Gehalt und Überstunden
  • ein Bekenntnis gegen Preisdumping und für die HOAI
  • in der Architektur um „Einfachheit statt Komplexität, Sanieren statt neu bauen, Lowtech statt Hightech, Kompaktheit, Flächen- und Energieeffizienz“
  • und vieles mehr

Auch die Berichte aller anderen bisher von der GWÖ zertifizierten Unternehmen sind öffentlich.

Alle zwei Jahre ein GWÖ-Bericht

Inzwischen arbeitet die bürointerne GWÖ-Arbeitsgruppe in regelmäßigen Jour Fixes am nächsten Bericht. Ein solcher muss alle zwei Jahre für die Rebilanzierung abgegeben werden: Was wurde bereits verbessert, woran will man noch arbeiten? Es geht um die Verstetigung des Prozesses, also den Willen, regelmäßig Zeit zu investieren, um den Blick weit über das Alltagsgeschäft hinaus in die Unternehmensstruktur zu lenken.

„Auf manche Punkte kamen wir erst dank der Matrix. Wir wollen kontinuierlich an Dingen arbeiten, die uns wichtig sind, und im besten Fall im nächsten Bericht genau da besser abschneiden“, fasst Gero Quasten zusammen. „Dafür ist die Gemeinwohlzertifizierung ein toller Aufhänger.“


Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.

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