Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Denk mal an Putz“ im Deutschen Architektenblatt 12.2024 erschienen.
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Putzmörtel: Geschichte und Grundwissen
Im antiken Rom verstand man unter dem Begriff Mörtel (lateinisch „mortarius“) zunächst nur den Trog, in dem die Maurer Kalk und Sand vermengten und das Gemisch schließlich durch Zugabe von Wasser zu jenem Bindemittel verarbeiteten, das für das Vermauern von Ziegeln und Natursteinen unabdinglich war.
Erst im Lauf der Zeit stand dann der Name des Behältnisses auch für den darin angerührten Luftkalk, den die Baumeister – wie es im Prinzip bis heute geblieben ist – auch zum Glätten von Oberflächen sowie als Witterungsschutz für Außenwände nutzten.
Mörtel seit Jahrtausenden bekannt
Erfunden haben die Römer zwar Opus caementicium, jedoch den Mörtel keineswegs, denn diesen kannte man bereits 14.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung als Untergrund für Wandmalereien ab der Zeit um 7.500 vor Christus. Etwa um 1.000 vor Christus mischten die Phönizier ihre Mörtel mit Ziegelmehl und später mit puzzolanischer Vulkanasche, um das Verfestigen der Masse mit Wasser zu erreichen.
Putz wird zum Gestaltungsmittel
Seine primäre Funktion als immer wieder erneuerbare Schutzschicht von Stein- und Ziegelmauerwerk etablierte sich im mitteleuropäischen Raum viel später, in der Ära der Romanik. Erst dann begann man, den Putzmörtel auch für gestalterische Zwecke einzusetzen. Ein frühes Beispiel hierfür ist die romanische Ritzfuge, die sich aus einem Fugenverstrich des Mörtels bei unregelmäßigen Steinen auf die Wandfläche entwickelte.
Die in den Fugenverstrich eingeritzten Linien und Formen sollten ein hammerrechtes Natursteinmauerwerk imitieren – eine kostengünstige Lösung, ein Mauerwerk aus aufwendig bearbeiteten beziehungsweise behauenen Natursteinen „vorzutäuschen“.
Dieser Trend zur Nachbildung höherwertig erscheinender Bauweisen verfeinerte sich in den Techniken rasch – es entstanden Quaderungen, flächige Strukturen, Fenstergewände und später detailgetreue Materialimitationen bis hin zu figürlichen Stuckaturen.
Putzmörtel entwickeln sich weiter
Die Substanz und die Werkstofftechnologie der Putze entwickelten sich von luftkalkgebundenen Materialien über hydraulische bis hochhydraulische Kalke ab Ende des 19. Jahrhunderts hin zu den zementhaltigen Putzmörteln.
Dabei war und ist die Entwicklung der Putzmörtel bis heute eng mit dem Wandel der Baustoffe für den Rohbau und deren Funktion gekoppelt. Der Dämmputz und der Sanierputz sind hierfür nur zwei Beispiele von vielen.
Längst haben Putzmaschinen und Silos den vor Ort im Trog gemischten Mörtel ersetzt. Damit einher ging eine stabile und gleichbleibende Qualität des Putzmörtels, die in erster Linie über vorgefertigte Mischungen als Werktrockenmörtel oder mit werkseitig angemischtem Mörtel garantiert wird.
Putzfassaden sanieren: wichtige Hinweise
Nur im Denkmalschutz findet sich manchmal noch die Vorgabe, den Mörtel auf der Baustelle nach speziellen tradierten Rezepturen von Hand anzumischen.
Historische Putze nicht in kräftigen Farben
Die Spezialisten auf diesem Gebiet wissen, dass rein mineralische Putzmörtel nach historischem Vorbild gegenüber modernen Putzen einige Einschränkungen mit sich bringen – so lassen sich intensive und knallbunte Farbtöne mit rein mineralischen Putzmörteln nicht umsetzen, so sehr sich ein Architekt oder dessen Kunde das auch wünschen mag.
Untergrund muss analysiert werden
Bei der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude sind gründliche Analysen der vorgefundenen Untergründe unerlässlich. Werden Putzflächen ganz oder teilweise erneuert, ist zunächst der bauzeitliche Befund zu erfassen – oft helfen hierbei vorangegangene Untersuchungen, sofern diese sorgfältig dokumentiert worden sind.
Das Fundament für den Sanierungserfolg ist das Klären der Ursachen für vorgefundene Schädigungen infolge eingedrungener Feuchte und schädigenden Salzen sowie von Rissbildungen. Liegt ein homogenes Mauerwerk vor oder ein wilder Mix aus verschiedenen Steinen und Mörteln?
Nicht zuletzt beeinflussen behördliche Vorgaben und die Vorstellungen der Fachplaner und der Denkmalpflege maßgeblich das Konzept für die anstehende Restaurierung oder Sanierung.
Sanierputz
Ist im Rahmen des Sanierungskonzeptes eine dauerhaft schadensfreie Oberfläche gewünscht, kommt man um ein Sanierputzsystem nach WTA (Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege) nicht herum.
Der Schädigungsgrad des Mauerwerks in Bezug auf Feuchtegehalt und bauschädliche Salze bestimmt den geeigneten Putzaufbau bezogen auf die Materialauswahl, Anzahl der Putzlagen, Mindestschichtdicken sowie die Möglichkeiten der Beschichtung mittels Oberputzen und Anstrich.
Die Funktionalität und Lebensdauer eines Sanierputzsystems hängt maßgeblich von den Rahmenbedingungen ab, und zwar in erster Linie von einer funktionsfähigen vertikalen und horizontalen Abdichtung nebst ausreichendem Feuchteschutz der Sockelzone. Nur dauerhaft trockene Wandflächen ohne Kondensat verhindern, dass Salze erneut ausblühen und sich unschöne Schimmelflecken bilden.
Feuchteregulierputz
Kommt ein Sanierputzsystem nicht infrage, können Putzmörtel mit feuchteregulierenden Eigenschaften eine Alternative sein. Diese können Feuchtigkeit sehr schnell an die Oberfläche transportieren und das Abtrocknen des Mauerwerks bei geringer Raumfeuchte begünstigen. Bauschädliche Salze wandern mit dem kapillaren Feuchtetransport an die Oberfläche und lagern sich dort ab.
Bei einer besonders hohen Feuchtelast von außen kann es passieren, dass die Salze in den Putz und ins Mauerwerk „zurückgespült“ werden und sogar den Wandquerschnitt auffeuchten. In solchen Fällen sind erkennbare Flecken und Salzränder auf der Oberfläche nicht zu vermeiden.
Opferputz
Für Puristen und in Einzelfällen kann auch ein Opferputz auf Kalkbasis als Bindemittel – also ein relativ weiches Putzsystem – die Lösung sein. Dieser nimmt im Lauf der Zeit über den Feuchtetransport die Salze auf, wird nach und nach durch den Kristallisationsdruck geschädigt und beginnt abzublättern.
Bevor das Mauerwerk Schaden nimmt, wird der Putz erneuert. Diese Variante ist nur zu empfehlen, wenn keine hohen Ansprüche an die Qualität der Oberfläche bestehen, die Optik keine Rolle spielt oder wenn der Opferputz andere wertvolle Putzflächen wie zum Beispiel Fresken schützen soll.
Problem: Putz auf feuchtem Mauerwerk
Bei einem Feuchtegrad des Mauerwerks unweit des Sättigungspunktes – was immer wieder vorkommt – kann das Putzsystem nicht erst später, sondern bereits während des Auftrags Schaden nehmen oder komplett versagen. Ein nahezu „nasses“ Mauerwerk bietet dem Putz keine verlässliche Haftung und er kann unmittelbar nach dem Auftrag wieder „abrutschen“, sprich: von der Wand fallen.
Vor dem Putzauftrag muss daher gesichert sein, dass der Untergrund seine Ausgleichs- oder Gleichgewichtsfeuchte erreicht hat. Darunter ist der Wassergehalt eines porösen Baustoffes zu verstehen, der sich in Abhängigkeit mit und im Gleichgewicht zu der relativen Luftfeuchte einstellt. Sie unterscheidet sich je nach Material und liegt bei den gängigen Baustoffen zwischen 1 und 3 Masse-Prozent.
Wird diese Abtrocknungsphase nicht gewährt, kann die zu hohe Restfeuchte bei kalk- und kalkzementgebundenen Putzmörteln mittelfristig eine zu hohe Festigkeit erzeugen. Die daraus resultierenden Schwindverformungen können dann noch Risse zur Folge haben, bis das Mauerwerk seine Ausgleichsfeuchte irgendwann erreicht hat.
Vollflächige Gewebearmierung
Solche Schadensfolgen lassen sich durch längere Standzeiten des Unterputzes minimieren. Hilfreich ist zudem das Einlegen einer vollflächigen Gewebearmierung, bevor der Auftrag des Oberputzes erfolgt, um auftretende Spannungen gleichmäßig zu verteilen.
Putzfassaden zu sanieren ist sehr individuell
Es bleibt unbestritten, dass bei der Renovierung und Sanierung von historischen Gebäuden oder gar Baudenkmälern die unterschiedlichsten Belange zu beachten sind. Jedes Objekt ist so einzigartig wie das Sanierungskonzept selbst – wie die nachfolgenden drei Beispiele zeigen.
Putzfassaden sanieren: Beispiel Bohlschule Aalen
Die denkmalgerechte Instandsetzung der Fassade der Aalener Bohlschule (Fotos oben im Beitrag) einschließlich der Restauration der historischen Holzfenster mit Sprossen erforderte einen sensiblen Umgang mit dem Fassadenputz.
Grober Kellenputz und verspielte Jugendstil-Ornamente
Die grobe Struktur des Kellenputzes hebt die verspielte Ornamentik aus der Zeit des Jugendstils geschickt hervor. In enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde wurde versucht, möglichst viele Bestandsputzflächen in restauratorischer Feinarbeit zu erhalten und eine geeignete Rezeptur für die Nachstellung der nicht mehr zu rettenden Putzbereiche zu finden.
Einen spannungsvollen Kontrast zum groben Kellenputz bilden die glatten und fein strukturierten Traufgesimse, Türeinfassungen und Fensterbänke – gemeinsam mit den prägnanten Jugendstilelementen und der in die Fassade eingelassenen Schuluhr prägen sie die Architektur jener Epoche.
Putzfassaden sanieren: Beispiel St. Anton: Kaufbeuren,
Ein Tagescafe und eine Tapas-Bar sind Teil der denkmalgerechten Sanierung der Klosteranlage St. Anton (Fotos oben im Beitrag) einschließlich eines ehemaligen Stallgebäudes.
Sanierputz und Dämmputz
Die Schadensbilder vor der Sanierung resultieren aus bauschädlichen Salzen und Rissen im inhomogenen Mauerwerk infolge mehrerer Nutzungsänderungen und Umbauten. Ein WTA-Sanierputzsystem schützt nun die feuchte- und salzgeschädigten Bereiche auf der Innenseite, optisch veredelt mit einem Kalkfeinputz als Oberputz.
Für die Räume in den Obergeschossen wurde ein Kalkputz gewählt. Außenseitig verbessert ein mineralischer Dämmputz die energetische Qualität der Wand.
Putzfassaden sanieren: Beispiel Dorfkirche Rödern
Die weißen und fein abgeriebenen Bossierungen an den Gebäudeecken und die scharrierten Fensterlaibungen aus Sandstein verweisen auf die barocke Bauzeit der Kirche. Sie bilden den harmonischen Rahmen zur rauen, gelb-ocker gefassten Putzfläche und lassen trotz der Schlichtheit den Prunk und Glanz der Barockzeit erahnen.
Funktionsputz mit feuchteregulierenden Eigenschaften
Analog zum Putzbild im Bestand wurde bei der Sanierung der Fassade dem Wand- und Mauerwerksverlauf folgend geputzt. Durchfeuchtete Wandbereiche erhielten als Unterputz einen Funktionsputz mit feuchteregulierenden Eigenschaften.
Im trockenen Fassadenbereich diente ein grobkörnig aufgetragener Unterputz aus Trasskalk als griffiger Untergrund für den nach Befund nachgestellten historischen groben berappten Kellenzugputz.
Silikatisches Anstrichsystem
Mit handwerklich geschickten kurzen Kellenzügen entstand eine rustikale, lebendige Putzstruktur, die je nach Lichteinfall und Blickwinkel verschiedene Tiefenwirkungen erzeugt. Die abschließende farbliche Fassung erfolgte mit einem silikatischen Anstrichsystem.
Putzfassaden sanieren: Literatur und Quellen
- Wilfried Koch: Baustilkunde, 1998, Bertelsmann Lexikon Verlag GmbH
- Hans Albrecht Gasch, Gerhard Glaser: Historische Putze – Materialien und Technologien, 2011, Handwerkskammer zu Leipzig, Sandstein-Verlag
- Bernd Bubnick, Hans Albrecht Gasch: Trebsener Putzfibel – Historische Putzstrukturen, 2003, Förderverein für Handwerk und Denkmalpflege e. V. Schloss Trebsen
- Verschiedene Veröffentlichungen von Olaf Janotte und Constance Brade
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