Eines muss man gleich vorab sagen: billig ist das Buch über HR Giger nicht. Was Taschen da für 175 Euro vorgelegt hat, ist tatsächlich nichts, was man sich mal so eben selbst kauft. Die 506 übergroßen Seiten liefern dann aber auch alles, was man je über den „Architekten“ der Alien-Filme wissen wollte – das ideale Geschenk also für Fans und Aufgeschlossene. Bei einer Blattgröße von 29 auf 39,5 Zentimeter und opulenten Abbildungen kann man wunderbar in die surrealen Fantasien des Ausnahmekünstlers und die Geschichte dahinter eintauchen.
Gigers prägende Erfahrungen
Geboren im Februar 1940, erlebte Giger seine frühe Kindheit im Schatten und Horror des Zweiten Weltkriegs. Diese prägenden Ängste und die daraus resultierenden Alpträume kanalisierte er bereits in seine ersten künstlerischen Arbeiten. Nach der Schule absolvierte er allerdings erst einmal eine Lehre zum Bauzeichner, um dann ab 1962 Innenarchitektur und Industriedesign an der Kunstgewerbeschule in Zürich zu studieren.
Raum und Technik trifft bei Giger auf Angst und Bedrohung
Das räumliche Interesse und das technische Verständnis mischen sich in seinen Bildwelten mit seinen Erfahrungen von Angst und Bedrohung. Von seinen Werken wird niemand kalt gelassen: Entweder man fühlt sich angezogen oder abgestoßen – oder beides zugleich. Diese emotionalisierende Wirkung ist das Faszinierende an Gigers Kunst und trifft besonders auf die explizite Darstellung von Körpern zu, bei denen Fleisch auf Maschine trifft – die Ursprünge der Biomechanik.
Giger und Regisseur Ridley Scott
Dementsprechend war Gigers Kunst nie Mainstream, aber er hatte stets eine große Fanbase. Einer dieser Fans war der Regisseur Ridley Scott. Als er zufällig Gigers Buch „Necronomicon“ entdeckte, war für ihn sofort klar, wer das Filmdesign für den Film Alien entwerfen würde. Scott: „Im Kern gräbt sich Gigers Kunst in die Psyche ein und berührt unsere tiefsitzenden urzeitlichen Instinkte und Ängste. Seine Kunst bildet eine Kategorie für sich. Der Beweis dafür liegt in der Intensität seines Werks und seiner Vorstellungskraft, die ich in der Fähigkeit, zu provozieren und zu verstören, nur mit Hieronymus Bosch und Francis Bacon vergleichen kann.“
Brillanter Eindruck
Das Buch bildet diese Stationen ab und liefert in drei gut lesbaren Essays von Andreas J. Hirsch spannende Hintergrundinformationen. Am Ende ist es aber insbesondere ein Highlight für die Augen: Die groß gedruckten Abbildungen von Gigers Werken liefern einen brillanten und recht umfassenden Eindruck seiner Welt. Wer es noch unmittelbarer haben möchte, kann da eigentlich nur noch das noch von Giger selbst eingerichtete Museum im verwunschenen Schweizer Bergdörfchen Gruyères besuchen. Spätestens hier wird auch mit dem Vorurteil aufgeräumt, Giger sei Satanist gewesen. Stattdessen war „Hansrüdi“, wie ihn die Museumsleiterin in Bezug auf seinen Geburtsnamen „Hans Rudolf“ heute noch liebevoll nennt, einfach nur ein ungewöhnlicher – und ungewöhnlich kreativer – Geist.
Hans Werner Holzwarth (Hrsg.)
Mit Texten von Andreas J. Hirsch
HR Giger
TASCHEN Verlag, 2024
Hardcover in einer Box, 29 x 39.5 cm, 6.20 kg, 506 Seiten
Euro 175
Englisch, Französisch, Deutsch
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