
Gerhard Greiner, Präsident der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen
AKH/Kirsten Bucher
Dieser Kommentar ist unter dem Titel „Angst oder Mut?“ im Deutschen Architektenblatt 05.2025 erschienen.
In einer der ältesten Demokratien, deren Gründungsmotiv für viele „Pilgrim Fathers“ der Schutz der Gewissensfreiheit als Urmutter des Rechts auf Meinungs- und Kunstfreiheit war, wird die Architektur in den Dienst eines imperialen Ausdruckswillens gestellt. Der amerikanische Präsident dekretiert mit knirschendem Filzstift, wie in den USA zu bauen ist, damit Amerika – mit dorischen und ionischen Säulen – „great again“ werde.
Klimaschutz contra Glückstreben?
Ein Amerika, das in die Isolation flieht, weil Teile dieses Amerikas Klimaschutz und den „American Way of Life“ als unüberbrückbaren Gegensatz sehen. Weil viele Amerikaner zu fürchten scheinen, sie würden durch internationale Verpflichtungen, etwa des Pariser Klimaschutzabkommens, um ihr Teuerstes gebracht, den „Pursuit of Happiness“.
Na klar: Wer den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Ressourcen und Treibhausgasen hat, hat auch den weitesten Weg zur Klimaneutralität. Aber kann das Recht des „Pursuit of Happiness“ auch dann verteidigt werden, wenn nur die jetzt Lebenden zu den Happy Few gehören werden?
Klimaschutz für die Generationengerechtgkeit
Mich erinnert diese Denke an meine Kindheit in den 1970ern, an ungebremsten Fortschrittsglauben, als der Club of Rome und die „Grenzen des Wachstums“ kaum bekannt waren. Und solange man nicht vom „Baum der Erkenntnis“ gekostet hatte, man auch nicht aus dem Paradies der Sorglosigkeit vertrieben wurde.
Als Ergebnis dieser Erkenntnisse finden wir uns in der Erwachsenenwelt vor unbequemen Transformationserfordernissen. Das Bundesverfassungsgericht hat im wegweisenden Beschluss zum Klimaschutzgesetz am 24. März 2021 von staatlichen Schutzpflichten und dem Verfassungsauftrag zu generationsübergreifender Gerechtigkeit gesprochen.
Wir sind Zeugen eines globalen Verteilungskampfes. Der Auftritt Greta Thunbergs vor der UNO-Weltklimakonferenz 2019 wirkt, als läge er lange zurück. Der ökologisch-sozialen Wende hierzulande folgten noch vor ihrer Verstetigung in unsere Alltagsroutinen mehrere Paradigmenwechsel in kurzer Folge: die Wirtschafts-, die Migrations- und nun die sicherheitspolitische Wende.
Bauen nicht als Machtdemonstration
Viele sprechen von einer Epochenwende. Doch was heißt das? Soll künftig gelten, wer Macht hat, bestimmt, die Weltverschmutzung weiter zu betreiben, oder sollen diplomatische Anstrengungen weiterhin die Achtung der planetaren Grenzen verteidigen?
Als freischaffender Architekt beschäftigt mich, welche Eigenverantwortung der Wirtschaft zukommt: Wenn wir im Weltmaßstab schlichtweg zu massiv bauen, um Obdachlosigkeit, Armuts- und Migrationsrisiken zu vermeiden, dann sollten wir künftig leichter bauen. Wer wie der amerikanische Präsident meint, per Gestaltungsdekret die Rückkehr zu einer Bauweise befehligen zu können, die der Machtdemonstration förderlich, der Freiheit in Klimagerechtigkeit aber abträglich ist, handelt falsch.
Erheben wir uns!
„Pursuit of Happiness“ kann nicht heißen, den Geist von Welttrutz und elitärem Weltschmerz in gebaute Umwelt zu übersetzen. Was ist los im Land der Freien? Und was macht Europa in Zukunft aus? Angst oder Mut? Können wir auf unserem Kontinent „Klima“? Erheben wir uns! Lasst uns nach anderem Bauen und Klimaschutz streben!
Unsere Enkel werden danach fragen. Zeigen wir, was wir als Berufsstand für die Gesellschaft leisten können, auch zum Beispiel durchs Ökobilanzieren als selbstverständlichem Planungswerkzeug oder durch Nutzung des Bundesregisters Nachhaltigkeit. Letztgenanntes allerdings könnte zur Zeit unserer Enkel wieder in Vergessenheit geraten sein, weil wir dann ganz selbstverständlich nachhaltig planen werden.
Gerhard Greiner, Präsident der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen
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