Von Christoph Gunßer
Lange Zeit galt der Stein-Bruch im Gartenbau, von asiatischen Kleinoden mal abgesehen, mehr als notwendiges Übel, gut genug für solide Tragschichten oder Spritzschutz. Doch irgendwie schaffte das banale Material den Sprung aus den sorgsam gepflegten Zen-Gärten in die Weiten der Neubaugebiete. Seit etwa zehn Jahren sei das Phänomen zu beobachten, berichten Landschaftsbauer, und gerade in Corona-Zeiten werde stark in diese vermeintlich pflegeleichte Gartengestaltung investiert, die gut zum silbergrauen SUV im Carport passt.
Schottergärten sind „Gärten des Grauens“
Doch damit ist jetzt, zumindest in Baden-Württemberg, Schluss. Als erstes deutsches Flächenland verbot die grün-schwarze Landesregierung in einer Novelle des Naturschutzgesetzes derartige Schottergärten. „Insekten können keine Steine fressen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann zur Begründung. Tatsächlich war die Besorgnis über das Bienensterben wohl der Auslöser für die Initiative.
Seit Jahren dokumentieren Naturschützer schon diese „Gärten des Grauens“, u.a. satirisch auf Instagram oder mit ökologischem Fokus (NABU). Fachgerecht mit unterlegter Folie ausgeführt, schneidet die Schotterschüttung den Boden von Wasser- und Sauerstoffzufuhr ab. Ein solches Areal ist biologisch tot. Besonders gründliche Besitzer solcher Flächen „pflegen“ sie angeblich mit dem Staubsauger, um jedes Entstehen von Humus durch anfliegende Blätter und Samen zu verhindern. Denn sonst blasen womöglich doch feindliche Pfahlwurzeln von Löwenzahn und Co. zum Angriff auf die Schutzfolien…
Kein Gift auf „Nichtkulturland“!
Nun hat auch ein gepflegter Rasen den ökologischen Wert von Kunststoff. Bei den Schotterwüsten kommt aber hinzu, dass sie sich aufheizen und kein Wasser speichern. Da lebt keine Spinne mehr und auch kein Regenwurm. Doch die Natur siegt am Ende meist trotzdem und „Bewuchs“ stellt sich ein: zuerst meist Algen. Wer diese mit Bioziden beseitigt, bewegt sich zumindest in einer rechtlichen „Grauzone“. Pflanzenschutzmittel sind auf „Nichtkulturland“ jedenfalls deutschlandweit verboten.
Der Berufsverband der Garten- und Landschaftsbauer, der mit dem Trend vermutlich gut verdient hat (der Anteil der „Selbstschotterer“ gilt als eher klein), ist mit der Entwicklung jetzt nicht mehr glücklich und startete eine Initiative „Rettet die Vorgärten!“. Und auch der Vorsitzende des BDLA Baden-Württemberg, der Schwaigerner Landschaftsarchitekt Michael Hink, sagt: „Wir sehen Naturschutz als essenziellen Teil unserer Arbeit. Wir müssen die Ideen der Umweltschützer mit der Gestaltung verknüpfen.“
Schottergärten eigentlich sowieso nicht erlaubt
Offenbar sind sich also alle einig. Schon in der gültigen Landesbauordnung Baden-Württemberg von 2010 heißt es: „Die nicht überbauten Flächen der bebauten Grundstücke müssen Grünflächen sein, soweit diese Flächen nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden.“ Das ist eigentlich unmissverständlich.
Dennoch unternahmen die Bauämter oft selbst dort nichts, wo Bebauungspläne Pflanzgebote enthielten. Es handelt sich also offenbar mehr um ein Vollzugsdefizit. Das bestätigen Insider: „Eine Bußgeldnorm zu Paragraf 9 der Landesbauordnung, beziehungsweise den einschlägigen Vorgaben in Bebauungsplänen, fehlt bislang“, erläutert Christoph Böhmer, Leiter des Heilbronner Stadtplanungsamts.
Vollzugsdefizit bei den Bauämtern
Tatsächlich ist kein Fall bekannt, in dem Bauherren der Rückbau eines versiegelten Gartens angeordnet wurde. Bauordnungsrechtliche Verfahren seien „generell aufwändig und langwierig“, ergänzt Böhmer. Man geht davon aus, dass sich Betroffene mit Rechtsmitteln zur Wehr setzen. Selbst wenn „baurechtswidrige Flächenversiegelungen durch Steingärten vorliegen, ist das Vorgehen der Baurechtsbehörden bislang nicht standardisiert möglich“, sagt der Amtsleiter. Man darf also gespannt sein, wann und vor allem wie nach der jetzigen Rückendeckung durch das Land erste Klagen an den Verwaltungsgerichten geklärt werden.
In der Summe entspricht übrigens die Fläche der circa 17 Millionen Gärten bundesweit dem aller Naturschutzgebiete. Es würde sich also lohnen, sich stärker für ein Wohnen im Grünen statt im Grauen einzusetzen.
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