Sie werden geliebt oder gehasst, aber kalt lässt der rohe Beton brutalistischer Bauten kaum jemanden. Das Onlineprojekt „#SOSBrutalism“ ruft zur Rettung der von Abriss bedrohten Architektur auf. Nach der Blütezeit des Brutalismus zwischen den späten 50er- und frühen 80er-Jahren, geriet der von Vordenkern wie Le Corbusier geprägte modernistische Baustil mit freier Sicht aufs graue Material (béton brut: roher Beton) in Verruf. Die menschenfeindlich wirkende Anti-Idylle passte zum kompromisslos klingenden Namen wie die Faust aufs Auge, jedoch nicht mehr in die Zeit.
Mittlerweile erfreuen sich die kolossalen Bauten wieder wachsender Beliebtheit. Die „Brutalism Appreciation Society“ auf Facebook etwa verzeichnet rund 40.000 Mitglieder. Die lange als Bausünden betrachteten, bunkerhaft anmutenden Gebäude gelten als unkuschelig-urban und bedienen die Freude an der Dystopie. Ihre faszinierende, dramatische Ästhetik kommt insbesondere in schwarz-weißer Fotografie zum Ausdruck – ideale Motive zur Versendung unter Internetfreunden.
Weil zahlreiche Bauten von Abriss oder entstellenden Umbauten bedroht sind, rufen das Deutsche Architekturmuseum (DAM) und die Stiftung Wüstenrot die Liebhaber des Brutalismus online zur Rettung der Betonmonster auf. Auf der Plattform #SOSBrutalism wächst eine Datenbank, die gegenwärtig über 700 brutalistische Bauten aus aller Welt dokumentiert. Jeder User kann Fotos und Informationen beisteuern und sich darüber in den sozialen Medien mit Gleichgesinnten austauschen. Im März 2017 werden die Ergebnisse des brutalistischen Notrufs in einer Ausstellung im DAM gezeigt.
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