Von Heiko Haberle
In einer Gesellschaft, in der es keine unabhängigen Architekten gab, hatte Ralf Niebergall bereits seinen Freiraum zu nutzen gewusst. Als Angestellter im Büro des Halleschen Stadtarchitekten war ihm als erlaubte Nebentätigkeit die Planung einer Kirche in Halle (Saale) vermittelt worden. Die sogenannte „Feierabendarbeit“ führte zu einer Anstellung beim bischöflichen Ordinariat in Magdeburg, doch sein Arbeitsplatz war weiterhin in Halle, was ein relativ eigenverantwortliches Arbeiten ermöglichte.
Aufbau der Architektenkammer gleich nach der Wende
Gleich nach der Wende machte sich Ralf Niebergall selbstständig und kandidierte 1991 – mit gerade einmal 33 Jahren – für das Amt des Präsidenten der neu gegründeten Architektenkammer Sachsen-Anhalt. Zunächst hatte es nur einen Bewerber gegeben, aber „eine Wahl soll ja schließlich eine Wahl sein“, erinnert sich Ralf Niebergall, der am Ende gewann und bis 2016 im Amt blieb. Mit Unterstützung der Architektenkammer Niedersachsen galt es fortan, Strukturen aufzubauen und Kenntnisse zu vermitteln. „Das war erst einmal ein Dschungel für uns“, sagt Ralf Niebergall und berichtet von vielfältiger Unterstützung für die Mitglieder wie Hospitationen in niedersächsischen Architekturbüros, Messebesuchen und Fortbildungen.
Erst Goldgräberstimmung, dann Schrumpfung
Schnell wurde auch klar, dass Sachsen-Anhalt für Planer eine besondere Herausforderung darstellt. „In den Innenstädten waren die Eigentumsverhältnisse oft ungeklärt, weshalb Einfamilienhaussiedlungen und Einzelhandelsstandorte vorrangig auf der grünen Wiese entstanden“, erklärt Ralf Niebergall. Während man in der anfänglichen Goldgräberstimmung eher mäßigend wirken musste, galt es später, die dramatischen Schrumpfungsprozesse zu steuern – etwa mit dem Wettbewerb „Mut zur Lücke“, der wieder den Bestand in den Fokus rückte; oder mit der IBA Stadtumbau 2010, in deren Rahmen Ralf Niebergall nicht nur im Beirat tätig war, sondern auch ein neues Image für die Stadt Aschersleben mitentwickelte oder mit Maurer- und Zimmererlehrlingen eine Lärmschutzwand errichtete.
Architekturpreis und Lehre
Auch der Architekturpreis Sachsen-Anhalt mit seiner Wanderausstellung hat dafür gesorgt, dass Architekten, Verwaltungen und Bürger über die Qualität von Bauten und Stadträumen diskutieren. „In vielen Städten haben wir gezeigt, dass sich moderne Architektur auch in historische Innenstädte bestens integrieren kann“, sagt der Geehrte.
Seinen Studierenden an der Hochschule Anhalt versucht Ralf Niebergall die Architektur als „dienende Kunst“ zu vermitteln. Ganz in diesem Sinne wurde dem engagierten Architekten und Professoren am 28. Mai 2018 in Magdeburg das Bundesverdienstkreuz verliehen.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: