Der Künstler Christopher Bauder, bekannt für seine Werke, die Bewegung und Raum zelebrieren, hat sich nun fest verortet. Seine Installationen aus Licht, Klang und geometrischen Formen beeindruckten meist auch aufgrund ihrer weit ausgreifenden Dimensionen, traten bislang aber immer nur temporär in Erscheinung. Etwa am 9. November 2014 – zum 25-Jährigen des Mauerfalls: 8.000 leuchtende Ballons stiegen entlang des ehemaligen Todesstreifens als sich verflüchtigende Lichtgrenze in den Himmel über Berlin.
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Dark Matter ist erste dauerhafte Präsentation
Mit Dark Matter hat Bauder sich nun in Berlin-Lichtenberg eine bleibende Adresse für seine Kunstwerke geschaffen, von denen einige noch nie gezeigt wurden. Die Dauerinstallation öffnete im Frühsommer 2021: ein Parallelkosmos aus raumgreifenden Lichtinstallationen in dem die Grenzen zwischen realer und digitaler Welt verschwimmen.
Eine so groß dimensionierte Arbeit wie etwa Skalar, die im Kraftwerk Berlin zu sehen war, erwartet die Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung nicht. Stattdessen werden sie in dunkle, teils kleine Räume geführt, wo fokussierte Destillate erfahrbar werden, die sich mit Licht und Bewegung auseinandersetzen.
Sieben unterschiedliche Räume
Die sinnliche Reise führt auf 1000 Quadratmetern eines ehemaligen Fabrikgeländes durch sieben pechschwarz gestrichene Innenräume. Darin verschmelzen Licht, Bewegung und Klang zu emotionalen Choreografien aus leuchtenden Formen und Farben: von intimen kleinen Lichtkompositionen über begehbare interaktive Objekte bis hin zu raumfüllenden, audiovisuellen Lichtshows mit weltweit einzigartigem 3D-Soundsystem. Jeder Raum entfaltet dabei eine ganz eigene individuelle Atmosphäre.
Lichttechnik und Software selbst entwickelt
Das Konzept für Dark Matter hat der Lichtkünstler Bauder, wie schon bei früheren Installationen, mit seinem Designstudio WHITEvoid entwickelt. Einen Großteil der für die künstlerisch erwünschten Effekte nötigen Lichttechnik haben Bauder und sein Team selbst entwickelt. Mit der Firmenausgründung Kinetic Lights wird dieses Know-how inzwischen vermarktet. Im Wesentlichen sind es hängende Leuchtelemente (oder auch Spiegel) in unterschiedlichsten Formen, die mit Hilfe von computergesteuerten Motorseilwinden synchronisiert in Bewegung versetzt werden. Über eine eigene Software kann jeder Lichtpunkt einzeln in Lichtfarbe und Position programmiert werden.
Sound präzise auf den Raum ausgerichtet
Den Sound liefern die Berliner Audio-Spezialisten von Holoplot: in Studioqualität für den gesamten Publikumsbereich. Akustische Beams können per Mausklick konfiguriert sowie präzise dreidimensional im Raum nur dorthin projiziert werden, wo Sound gewünscht ist. Auch lebensechte, exakt lokalisierbare Klangobjekte lassen sich erzeugen.
„Die Ausstellung ist ein lebender Organismus, der sich über die Zeit verändern und wandeln wird“, erläutert Bauder. „So werden immer wieder neue wechselnde Installationen die Dunkelheit der Ausstellungsräume erhellen.“ Dark Matter bleibt also trotz fester Adresse flüchtig und immer in Bewegung – eine Vision, die nur für kurze Momente reale Formen annimmt.
Raum 1: Liquid Sky
Die gesamte Oberseite dieses Raumes ist eine Art flächendeckende Discokugel – oder laut Titel ein „Liquid Sky“. 800 einzelne Lichtquellen in Form kleiner Quadrate bewegen sich auf und ab. Dadurch entstehen Welleneffekte, die an den verspiegelten Wänden optisch ins Unendliche fortgesetzt werden. Die optische Deckeninstallation wird, wie auch die anderen Kunstwerke, von einem 3D-Audiosystem begleitet.
Raum 2: Inverse
169 schwarze Kugeln hängen im Raum der Installation „Inverse“ von der Decke. Zu Musik von Boris Acket fangen sie an, sich nach einer ausgeklügelten Choreografie zu heben und zu senken. So bilden sie geometrische Figuren, lassen diese sich wiederum als Ganzes bewegen und zu neuen Figuren wandeln. Die monochromatische Einheit wirkt phasenweise lebendig. Sie setzt sich still stehend oder beweglich vor einem hellen Hintergrund scherenschnittartig ab, wodurch das Ensemble eine düstere Anmutung bekommt.
Raum 3: Circular
Circular ist ein hypnotisches Ballett aus drei Lichtringen, die in der Leere der Dunkelheit einen schwerelosen Tanz aufführen. Im Einklang mit der elektronischen Partitur befinden sie sich dabei in einem kontinuierlichen Wechselspiel von Einheit und Individualität.
Raum 4: Tonleiter
„Tonleiter“ ist eine mit Sensoren erweiterte Haushaltsleiter, die sich in ein echtes Musikinstrument verwandelt. Drei vermeintlich gewöhnliche Leitern wurden wörtlich zu Tonleitern umfunktioniert: Tritt man auf eine Sprosse oder berührt sie mit der Hand, entsteht Klang oder Rhythmus, der von Stufe zu Stufe variiert. Die Summe des Ganzen kann sich zu einem clubartigen Sound auswachsen. (Auch für Kinder zu empfehlen)
Raum 5: Bonfire
Um das in orange-rötlichen Farben glühende und dezent knisternde „Bonfire“ können die Besucher sich bequem in Liegestühlen lagern. Vielen soll es an der thermischen Simulation sogar schon wärmer vorgekommen sein als in den anderen Räumen. Das sei aber reine Täuschung, versichert Bauder. Nach ausgiebigem Klettern, einer unheimlichen Begegnung mit schwarzen Kugeln und Disco-Feeling ist hier der perfekte Ort, um sich am Lagerfeuer auszuruhen.
Raum 6: Polygon Playground
Bei „Polygon Playground“ ist der Name, wie auch bei den anderen Kunstwerken Bauders, Programm. Das reale Objekt in der Mitte des Raumes kann als Spielplatz genutzt werden. Nicht nur Kinder klettern gerne auf diesem Vieleck herum. Es erhält durch eine nahezu nahtlose 360-Grad-Projektion eine variable Hülle aus Licht. Die oben im Raum angebrachten Strahler sind mit Sensoren am Kletterberg verbunden und reagieren interaktiv auf die Bewegungen der Besucher.
Raum 7: Grid
Im größten Raum werden Kinetik, Licht und elektronische Musik zu der riesigen, audiovisuellen Raumskulptur „Grid“ komponiert, die über den Besuchern zu schweben scheint. Das Netz der leuchtenden Dreiecke kommt den Besucherinnen und Besuchern am Boden beizeiten erstaunlich nah. Die audiovisuelle Installation versinnbildlicht das immer stärkere Verschmelzen des Digitalen mit dem Physischen, ist dabei präsent und flüchtig zugleich.
Dark Matter
Köpenicker Chaussee 46
10317 Berlin – Lichtenberg
(Nicht zu verwechseln mit dem Kraftwerk Mitte in der Köpenicker Straße, wo Skalar gezeigt wurde)
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