Von Fabian P. Dahinten
Es ist kurz vor neun, draußen ist es noch angenehm warm – ein Frühlingsabend, der schon ein bisschen den Sommer vorausahnen lässt. Ich sitze mit Elly, einer Freundin und Kommilitonin, auf der Couch. Gerade haben wir mit einem Glas Weißwein angestoßen.
Um genau zu sein: In Wirklichkeit sitzt sie gar nicht neben mir auf der Couch, sondern anderthalbtausend Kilometer entfernt, auf ihrem Balkon in Aragón in Spanien. Neben mir „sitzt“ nur mein Laptop mit ihrem Videobild. Und ich gebe zu, es klingt definitiv anders, wenn das Weinglas auf seinesgleichen trifft statt auf das Display eines Laptops. Aber das ist jetzt unser Ritual, auf das wir nicht mehr verzichten wollen.
Seit zweieinhalb Monaten bei ihrem Freund, der in Spanien studiert – mitten im Lockdown
Elly ist jetzt seit zweieinhalb Monaten zu Gast bei Ihrem Freund Christian in Aragón in Spanien, wo er ein Auslandssemester absolviert. Eigentlich wollte sie nur für eine Woche bleiben, ihm etwas beim Eingewöhnen helfen und dann pünktlich zu den Prüfungen zurück in Darmstadt sein. Doch dann kam Corona und brachte alles durcheinander: Genau einen Tag vor Ellys geplantem Rückflug wurde in Spanien der komplette Lockdown verkündet –, und alle Flüge wurden gestrichen. Sie saß also erst einmal fest.
Vom gemeinsamen Zimmer aus weiterstudieren – sie in Darmstadt, er in Zaragoza
Und nun studiert sie in Spanien an der Hochschule in Darmstadt – und er studiert in Spanien an der Uni Zaragoza. Doch beide sitzen dabei nebeneinander am Küchentisch in ihrem Wohnheimzimmer. Während er versucht, den spanischen Vorlesungen zu folgen, belegt sie Seminare mit den Kommiliton*innen aus Deutschland, die sie schon kennt.
“Wieso bist du eigentlich nicht nach Deutschland zurückgekommen? Hattest du nichts von der Rückholaktion des Auswärtigen Amts mitbekommen?” Elly lacht und nimmt noch einen Schluck aus dem Glas. „Aber wieso sollte ich zurück? Hier kann ich bei meinem Freund sein. Und meinen Laptop hatte ich dabei, mehr brauche ich ja zurzeit für mein Studium nicht.“
Ein Auslandssemester im Corona-Format – nach Feierabend
Was für eine Story! Zum einen, weil Christian durch Corona fast alles, was ein Auslandssemester ausmacht, genommen wurde: das Kennenlernen einer anderen Hochschule, anderer Dozent*innen, anderer Lehrmethoden, einer anderen Kultur und das Knüpfen neuer Freundschaften. Zum anderen aber, weil Elly Mal mal eben so etwas wie ein Auslandssemester im Corona-Format erfunden hat. Und dabei ihr „ganz normales Studium“, wie sie sagt, „aufgewertet durch mein Auslandssemester nach Feierabend“.
Denn die Lage, so erzählt sie, entspanne sich nun endlich ganz langsam. „Auch wenn hier in Spanien immer noch große Einschränkungen herrschen, so bekommt man ja dennoch viel mit von der Kultur, dem Land und der Sprache”, berichtet sie begeistert. Laut lachen muss ich, als sie erzählt, dass sie sogar noch zusätzlich einen Spanischkurs belegt. Aber nicht in Spanien, sondern hier an unserer Uni in Darmstadt, per Fernunterricht.
Wow! Die Corona-Krise bringt wirklich viel durcheinander. Außer Elly und Christian. Die zwei hat sie eindeutig näher zusammengebracht.
Hier findet ihr alle Einträge im Corona-Tagebuch von Katharina und Fabian.
Fabian P. Dahinten und Katharina Körber studieren Architektur an der Hochschule Darmstadt. Im Wechsel schreiben sie für das DAB dieses Corona-Tagebuch
Und wie sind eure Erfahrungen als Architektur-Studierende oder -Lehrende? Wie reagiert ihr auf die Krise? Was macht die aktuelle Situation mit euch und der Lehre? Hinterlasst uns einen Kommentar auf dieser Seite oder schreibt uns unter DAB-leserforum@planetc.co
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