Die sportlichen Großereignisse überschlagen sich diesen Sommer nur so: Erst die Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land und in ein paar Tagen starten die 33. Olympischen und danach die Paralympischen Sommerspiele in Paris. Gerade darauf fiebere ich alle vier Jahre als sportbegeisterte Zuschauerin immer sehr hin.
Mit der Austragung solcher Events gehen auch viele architektonische Planungen und stadtplanerische Transformationen im Vorfeld einher. Nicht selten stießen die Umstände und baulichen Vorhaben, die in der Vergangenheit für solche Großevents vollzogen wurden, wegen schlechter Arbeitsbedingungen und ur kurzer Nutzung zurecht auf Kritik. Wie steht es um Paris und seine baulichen Vorbereitungen für die Spiele?
Olympia in Frankreichs ärmstem Département
Paris ist wie kaum eine andere Stadt von einer großen Kluft zwischen den armen Vorstädten, auch Banlieues genannt, und dem reichen Stadtzentrum geprägt. Das Département Seine-Saint-Denis zählt, abgesehen von den Überseegebieten, zu den ärmsten Frankreis. Es herrscht eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, eine hohe Kriminalitätsrate und es fehlt an Zukunftsperspektiven für die Bewohner:innen. Lokale Politiker:innen sehen in den Spielen nun die Gelegenheit, sie als Katalysator gegen diese Missstände und für eine langfristige Transformation zu nutzen.
Wenige neue Sportstätten, aber ein neuer Stadtteil
Tatsächlich findet sich eine Vielzahl der paralympischen und olympischen Austragungsorte im Norden von Paris, eben diesem Département „neuf-trois“ (93): so zum Beispiel das 1998 erbaute „Stade de France“, in dem die Leichtathletikwettkämpfe stattfinden werden, und ein neu gebautes Wassersportzentrum ganz in seiner Nähe. Frankreich investiert, abgesehen von wenigen neugebauten Austragungsstätten, den Großteil seines Geldes in ein neues Stadtviertel an der Grenze von Saint-Ouen, Saint-Denis und der Île-Saint-Denis, einer langgestreckten Insel in der Seine.
Als Olympisches Dorf soll es auf einer Fläche von 52 Hektar mehr als 20.000 Sportler:innen als temporäre Unterkunft während der Spiele dienen. Danach soll das Areal ein lebenswerter Stadtteil von Paris sein. Der Wunsch ist, damit eine langfristige Veränderung für die notorisch verrufene Banlieue voranzutreiben. Doch welche Schattenseiten birgt dieses Zukunftsszenario?
Transformation oder Gentrifizierung?
Stichwort: Gentrifizierung. Sie beschreibt einen Aufwertungsprozess eines Stadtteils durch Neubau, Umbau und Modernisierung, der vornehmlich einkommensstärkere Bevölkerungsgruppen in das Gebiet zieht und dabei die dort ansässige, einkommensschwächere Bevölkerungsschicht verdrängt. Durch die baulichen Interventionen im Département Seine-Saint-Denis besteht also die Gefahr, genau eben die soziale Segregation, der man hier ja eigentlich durch die Bauvorhaben entgegenwirken will, herbeizuführen.
Kommt es nach Olympia in Paris wie in München?
Das Viertel soll in Zukunft 6.000 Bewohner:innen ein neues Zuhause sowie die gleiche Anzahl an Arbeitsplätzen bieten. Statt der ursprünglich geplanten 40 Prozent an Wohnungen Sozial- oder Studentenwohnungen, ist nun nur noch von gerade mal 25 Prozent die Rede. Ein hoher Preis von 7.000 Euro pro Quadratmeter sorgt zudem dafür, dass sich die Wohnungen nur schleppend verkaufen lassen und viele vor Ort bemängeln auch die architektonische Qualität, der es an Vielfalt fehle.
Blickt man in die Vergangenheit, lässt sich vielleicht ein bisschen Hoffnung finden: Das olympische Dorf in München wurde zu Beginn wegen seiner brutalistischen Betonarchitektur sehr kritisiert, hat sich nun aber zu einer der gefragtesten Wohnlagen Münchens entwickelt. Es bleibt abzuwarten, ob der Plan nach Olympia 2024 für die Banlieues nicht vielleicht doch aufgeht.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Luisa Richter und Lorenz Hahnheiser.
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