Texte: Roland Stimpel, Heiko Haberle, Walter Volkmann
Zwischen Habenwollen und Haben
Eine geballte Sammlung Erfahrungsberichte zum Bau von Museen, Konzerthäusern oder Bibliotheken vereint dieses Buch. So beschreiben renommierte Museumsplaner, wie Matthias Sauerbruch, HG Merz und Alexander Schwarz aus dem Büro Chipperfield, was eine Planung leisten muss, damit ein Kulturbau funktioniert. Andere Beiträge geben strategische Ratschläge für Projektentwicklung und Kommunikation oder gehen auf Baulogistik und Fachplanung ein. Nicht zuletzt werden Betriebsformen und Trägermodelle, etwa am Beispiel der Essener Kulturlandschaft, vorgestellt.
Eine nicht unwesentliche Rolle spielt auch die Elbphilharmonie: Durchaus kritisch benennt Reiner Nagel, bis 2005 in der Geschäftsleitung der Hafencity Hamburg GmbH tätig, den damaligen emotionalen Impuls des „Habenwollens“ auf Basis eines Renderings. Nun müsse man beweisen, dass ein Konzertsaal in einem Hochhaus funktioniert. Die im Oktober 2016 verstorbene Hamburger Kultursenatorin Barbara Kisseler beschreibt die komplizierten Projektstrukturen der Elbphilharmonie und wie es dazu kommen konnte, dass die Stadt nun Hotelbesitzerin ist.
Nicht verleugnen kann die Publikation ihren Fokus auf den Neubau und auf die „Hochkultur“. Zumindest im Beitrag der ehemaligen Wolfsburger Stadtbaurätin Monika Thomas zum Wettbewerb um das dortige Bildungshaus geht es auch mal um kreative Formen der Bürgerbeteiligung und kulturelle Bildung an der Basis.
Oliver Scheytt, Simone Raskob, Gabriele Willems (Hrsg.): Die Kulturimmobilie. Planen – Bauen – Betreiben. Beispiele und Erfolgskonzepte. Transcript Verlag, Bielefeld 2016, 384 Seiten, 29,99 Euro
Zoom aufs Detail
Um Missverständnissen vorzubeugen: Was hier „Handbuch und Planungshilfe“ für architektonische Details genannt wird, ist kein distanzierter oder theoretischer Ratgeber, sondern ein monografisches Werk, das von der Handschrift des Autors Tobias Nöfer geprägt ist. Das ist keinesfalls verkehrt und schon gar nicht weniger lehrreich – die Bauten des Berliner Architekten, die mal Bezüge zum Klassizismus, mal zu den 1920er-Jahren aufweisen, sind jedoch bekanntermaßen Geschmackssache. In 40 Kapiteln werden Bauteile aus Nöfers Projekten, darunter viele neuere Wohnungsbauten, präsentiert, wobei das Spektrum vom Balkon über Fensterbänke bis zum Klingeltableau reicht. Die vielen Fotos veranschaulichen dabei aber weniger den konstruktiven Aufbau als die Endergebnisse in Nahaufnahme. Das ist als Inspirationsquelle allemal sehenswert, zumal für diese Perspektiven in der Architekturdokumentation sonst kaum Platz ist. Überaus gelungen sind die aufwändigen isometrischen Detailschnitte. Einige sind ausfaltbar und zeigen über mehrere Geschosse hinweg vom Vorder- bis zum Hinterhaus Aufbauten von Wänden, Decken und Fassaden.
Kurzum: Wer eine ähnliche Entwurfshandschrift wie der Autor hat, wer mit den von ihm favorisierten Materialien arbeitet und auch sehr spezielle Aufgaben kennt (etwa ein rundes Erkerzimmer umlaufend mit einer Bank inklusive integrierter Heizung auszustatten) – oder wer einfach nur Nöfer-Fan ist, wird dieses Buch lieben. Andere dürften die Hunderte Zooms auf Retro-Kamine, Handläufe und Türgriffe wohl eher ermüden.
Tobias Nöfer: Architektonische Details. Handbuch und Planungshilfe. DOM publi-shers, Berlin 2016, 380 Seiten, 98 Euro
Altstädte – immer wieder neu
Im Einleitungsartikel dieses Kongressbandes gibt Gerhard Vinken einen Querschnitt seines vorigen, sehr anregenden Buches „Zone Heimat“ wieder, etwa seine Thesen zur Entkoppelung von „Altstadt und Alt-Sein“. Die anderen, überwiegend historischen Beiträge unterscheiden sich stark in puncto Perspektive, Ansatz und Gegenwartsbezug. Hervorgehoben sei hier Paul Zalewskis Text über Hannovers Altstadt-Sanierung in der Nazizeit, in der sich der Reinigungsdrang der Moderne mit deren hässlichster rassistischer Seite verband. Robert Kaltenbrunner beleuchtet Aspekte von Baukultur und öffentlichem Raum über Altstädte hinaus; Uwe Altrock analysiert heutige und sich abzeichnende Potenziale und Strategien der Altstadt-Erneuerung. Eine schöne Würdigung von Bürger-Engagement ist der abschließende Beitrag von Achim Schröder über bayerische Altstadt-Vereine.
Carmen M. Enss, Gerhard Vinken (Hrsg.): Produkt Altstadt. Historische Stadtzentren in Städtebau und Denkmalpflege. Transcript Verlag, Bielefeld 2016, 280 Seiten, 29,99 Euro
Projekte transparent machen
Die Publikation ist wichtig für Immobilienprojekte planende und abwickelnde Architekten und Ingenieure – und hier besonders für Generalplaner, für Projektenwickler, für Projektsteuerer und projektleitende Auftraggeber. Hans Lechner war 2011/12 führend mit der Überarbeitung der HOAI befasst, ist also mit den Leistungsbildern der Architekten und Ingenieure bis ins kleinste Detail vertraut und kennt sich nicht zuletzt von seiner Herkunft als Architekt mit der komplexen Tätigkeit des Objektplaners aus. Ebenso vertraut sind ihm aber auch die Projektsteuerung sowie die davon zu unterscheidende Projektleitung.
Die Publikation ist eng mit dem Leistungsbild des Arbeitskreises Honorarordnung (AHO Band 9) verknüpft, ist aber sehr viel tiefer strukturiert und kommentiert. Nach einer allgemeinen (aber deshalb nicht unwichtigen) Einleitung wird erstmals eine Struktur zur Bildung von Projektklassen vorgestellt, denn nicht alle Projekte sind hochkomplex – einfache kommen sogar ohne Projektsteuerung aus – doch nicht selten ist der Auftraggeber mit der Leitung überfordert. Lechner schlägt vor, Projekte mithilfe eines Analysebogens in fünf Klassen einzuteilen, und liefert für jede Klasse detaillierte Leistungsansätze in übersichtlicher Checklistenform.
Und das ist nur einer der besonderen Vorzüge dieser Publikation. Wird ein Projektsteuerer nicht beauftragt und ist auch der Auftraggeber als Projektleiter nicht kompetent, kann der Objektplaner – durch die Verknüpfung der Leistungsbilder – jederzeit verfolgen, welche Leistungen für eine erfolgreiche Projektabwicklung fehlen. Die kann er dann entweder selbst als Besondere Leistung übernehmen oder zumindest den Auftraggeber darauf aufmerksam machen und warnen.
In unserer komplexen Welt mit ihrer arbeitsteiligen Planung und Produktion, vom ersten Entwurf bis zur Übergabe des fertigen Immobilienprojektes, ist die Steuerung der Prozesse von entscheidender Bedeutung. Projekte müssen deshalb für alle durchschaubar, ja gläsern angelegt sein – das Buch ist eine gute Anleitung dafür. Vorgeschlagene Organisations-Handbücher verschiedener Art sind auch hier sehr strukturiert, detailliert und in Checklistenform verfasst, die das Lesen ganz wesentlich erleichtern.
In einem Strukturkatalog des Arbeitskreises Honorarordnung werden 104 Einzelleistungen gezählt; in Lechners Publikation wird jede Einzelleistung noch einmal fragmentiert. Durchblick können Interessierte nur durch Lesen und immer wieder Durchdenken gewinnen.
Hans Lechner: Projektleitung, Projektsteuerung, Projektentwicklung. Konkretisierung + Präzisierung der Leistungsbilder auf Basis AHO, Bd. Nr. 9, Verlag der TU Graz 2016, 339 Seiten, 90 Euro
Ureinwohner im Olympischen Dorf
Die beiden Bände wollen keine Betrachtung von außen und keine übliche Kritik sein, sondern eine Liebeserklärung des im Münchener Olympiapark wohnenden Autors und Architekten. Wir zitieren aus dem Flyer zum zweiten Band: „Wie die fünf Ringe der Olympiade verschlingen sich die poetischen Spaziergänge der beiden Ureinwohner … Es wird gegangen, gerast, geschlendert, gereimt, gelegentlich gesungen, es werden muntere bis aberwitzige Dia- und Monologe geführt, es wird gelobt, getadelt. Olympische Höhen werden erklommen, auf Wällen und Dämmen wird die Frage nach dem Olympic Spirit gestellt. Besorgt werden die Veränderungen und Abbrüche von Bauten und die neuen Entwürfe betrachtet.“ Das alles ist ausgestattet mit mehreren Hundert Fotos, von denen viele unverwechselbaren, andere alltäglichen Details des Quartiers gewidmet sind.
Frank Becker-Nickels: ODE ans OD. Im Olympiapark München. Band 1 (2015): Das Dorf – Spaziergänge eines Ureinwohners. 262 Seiten; Band 2 (2016): Des Parkes und des Zeltes Wellen. 288 Seiten. Beide Bände: Shaker Media München, je 19,90 Euro
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