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Zurück Nachwuchs-Kolumne #100

Die Nachwuchs-Kolumne wird 100: vier junge Architektur-Perspektiven

In der 100. Ausgabe schreiben die vier Autor:innen erstmals gemeinsam. Trotz unterschiedlicher Blickwinkel haben sie eine gemeinsame Erkenntnis: dass es großartig ist, zum Architekturnachwuchs zu gehören

27.04.20226 Min. Kommentar schreiben
Plakat mit rufender Frau und kyrillischer Schrift
Junge Künstler:innen der russischen Avantgarde schlugen neue Wege ein, wie hier Alexander Rodtschenko mit einer Fotocollage, auf der die Regisseurin und Bildhauerin Lilja Brik uns voller Tatendrang entgegenruft.

Die Welt im Umbruch, enorme Herausforderungen aber auch Zuversicht: Das waren die Perspektiven der russischen Avantgarde vor rund hundert Jahren. Und auch heute gilt: Große Herausforderungen und Möglichkeiten spornen an – auch wenn sie manchmal verdammt groß wirken. In dieser 100. Folge soll es darum gehen, welche Rolle der heutige Nachwuchs hat und was er bewirken kann. Architektur, Innenarchitektur, Stadtplanung und Landschaftsarchitektur prägen jedenfalls unsere Welt und mit jeder neuen Generation verändert sich auch das Planen und Bauen.

Johanna Lentzkow: große Erwartungen – Perspektiven als Chance und Bürde

„Ihr seid die Generation, die das in Zukunft verändern und Antworten darauf liefern muss.“ So oder so ähnlich lautet es häufig im Vorlesungssaal, ganz gleich ob im Zusammenhang mit ökologischem Bauen oder der Veränderung des Architekturbegriffs. Dass unserer Generation eine gewisse Verantwortung mitgegeben wird, ist gut und richtig. Zu glauben, dass von ihr zukünftig auf jede Frage eine passende Antwort gefunden wird, ist blauäugig, so viel ich uns auch zutrauen möchte. Druck auf und Chance für den Nachwuchs liegen hier nah beieinander, die Perspektiven sind zwiespältig.

Hin und wieder fühlt es sich aber so an, als ob uns der große Brocken Verantwortung etwas zu leichtfertig zugeschoben wird. Diese Verschiebung sollte meiner Meinung nach kritisch hinterfragt werden, gerade wenn es um große architektonische Aufgaben wie etwa Ökologie geht. Es müssen tagtäglich Veränderungsprozesse angestoßen werden – und zwar von allen Generationen in der Architekturbranche.

Die politischen Rahmenbedingungen sind oft entscheidend für Veränderung im leider oft trägen Architekturprozess. All dies muss gesamtgesellschaftlich debattiert und kritisch hinterfragt werden. Ein Potenzial bietet also die politische Partizipation, sei es Architects for Future, politisches Engagement in den Architektenkammern im BDA oder in anderen Verbänden.

Lorenz Hahnheiser: Wir sind ein Spiegel der Zeit

Wenn man jung ist, hat man ein schönes und verantwortungsfreies Leben. Als Nachwuchs darf man rumprobieren. Man steht spät auf, weil man abends intensiv diskutiert, wo es hingeht mit unserer Welt und was wir damit eigentlich zu tun haben. Dazu haben wir einige Ideen, denn das Studium bietet Zeit, sich mit Idealen auseinanderzusetzen. Die können wir dann beständig denen vorhalten, die vom Arbeitsalltag gebeutelt XPS und Beton verbauen.

Wir jungen Leute können uns prima aufregen über die, die Fehler machen. Weil wir noch nichts machen, machen wir auch keine Fehler. Der Nachwuchs ist quasi die unabhängige Presse der Bauwelt und kann zu jeder Zeit unschuldig den Spiegel rauskramen, um ihn den Alteingesessenen vorzuhalten. Und wenn man dann doch einen Fehler macht, ist das nicht so schlimm, denn man ist ja noch jung, oder?

Hier tut sich ein gemeines Spannungsfeld auf. Denn natürlich werden wir Fehler machen. Natürlich hat der heutige Nachwuchs nicht von Anfang an die nötige Weitsicht, um alles Wissen, alle Ideale und alle Entwicklungen zu berücksichtigen. Nichtsdestotrotz müssen wir irgendwann anfangen: Wir müssen anfangen Fehler zu machen und anfangen gegen Fehler zu kämpfen. Wir müssen uns trauen unsere Chefs und Chefinnen, unsere Lehrpersonen, unsere Professoren und Professorinnen konstruktiv anzupöbeln. Und wir dürfen unseren Spiegel nicht vergessen, denn da müssen wir immer öfter selbst hineinschauen (oder hier reinhören).

Johanna Naara Ziebart: Jung und Alt bilden gemeinsam ein optimales Team

Meiner Meinung nach geht Verantwortung tragen auch nur gemeinsam, mit dem Know-how der Erfahrenen und dem Tatendrang des Nachwuchses. Wer die Verbesserung des Bausektors von Menschen abhängig macht, die aktuell gar nichts entscheiden dürfen und denen die Hände durch bürokratische Hürden gebunden sind, der:die darf auch nicht überrascht sein, dass ihm:ihr die Schuld zugeschoben wird.

Jede:r praktizierende Architekt:in und Innenarchitekt:in sollte seine:ihre Augen und Ohren öffnen, den Praktikant:innen, Auszubildenden und studentischen Hilfskräften zuhören und offen für Lösungsansätze und Kompromisse sein. „Das machen wir schon immer so“ ist keine Ausrede für „das ist mir zu viel Aufwand“.

Der Bausektor ist ein enormer Beschleuniger des Klimawandels. Dies zu ändern, ist auch enorm viel Aufwand. Mit vielen Händen und Köpfen lässt sich das viel besser und schneller stemmen. Wir haben im Studium und in der Ausbildung zum Glück viel Zeit, uns ausgiebig mit einer Masse an Themen zu beschäftigen, Dinge auszuprobieren und zu experimentieren. Voneinander zu lernen, ist keine Einbahnstraße. Alt und Jung können gemeinsam lernen, gemeinsam bauen, gemeinsam entwerfen und gemeinsam den Bausektor zum Besseren verändern.

Fabian P. Dahinten: bessere Perspektiven, wenn der Nachwuchs mitredet

Wer über Morgen redet, sollte darauf achten, die Akteur:innen von morgen mit am Tisch sitzen zu haben. Sei es in der Schule, durch die Schulsprecher:innen oder im Studium durch die Fachschaft oder den AStA: In allen Lebensbereichen können wir unser eigenes Umfeld mitgestalten, wenn uns etwas nicht passt. So ist es auch in der Berufswelt der Architekt:innen, Innenarchitekt:innen, Landschaftsarchitekt:innen und Stadtplaner:innen.

In den Architektenkammern wird beraten und formuliert, wie die Rahmenbedingungen für unseren Berufsstand künftig gestaltet sein sollten. Die Ergebnisse fließen in das politische Geschehen ein, wo neue Verordnungen und Gesetzte erlassen werden. Wie wir morgen arbeiten, entscheidet sich auch in diesen Prozessen.

Die Legitimation, in Architektenkammern mitzureden und gehört zu werden, sollte nicht daraus abgeleitet werden, wer bereits jahrelange Berufserfahrung hat und daher vermeintlich durchdringt, wie die Welt der Architektur „tickt“. Denn wie sie tickt, definiert sich eben zum Großteil daraus, wer diese Welt gestaltet. Gerade die teils naive und idealistisch getriebene junge Perspektive ist wertvoll in jedem Diskurs, sei es über Architektur, das Berufsbild oder eine Neuauflage der HOAI. Deshalb wird jeder Verband, jeder Kammervorstand auf Landes- oder Bundesebene, jedes Podium und jede Jury durch Stimmen mit einer junge Perspektive bereichert.


Johanna Lentzkow
absolvierte ihren Bachelor an der Hochschule Darmstadt
und setzt nun ihr Architekturstudium an der Technischen Universität in München fort.

 

 

Lorenz Hahnheiser
hat sein Bachelor-Architektur Studium an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen,
nutzt die Zeit vor dem Master für erste Bauerfahrungen und engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+.

 

 

Johanna Naara Ziebart
studiert Innenarchitektur an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold
und setzt sich auch bei nexture+ für Innenarchitektur ein.

 

 

Fabian P. Dahinten
studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+
und ist Sprecher der Nachwuchsmitglieder der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen.

 

 

 

Wie sind Eure Erfahrungen als Architektur-Studierende oder Berufseinsteiger? Hinterlasst uns einen Kommentar auf dieser Seite oder schreibt uns unter DAB-leserforum@handelsblattgroup.com

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