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Stadt bessermachen

Die Neuerscheinung „Make City“ ist nicht nur eine Dokumentation des gleichnamigen Berliner Architektur- und Stadtfestivals, sondern vielmehr eine Aufforderung: zum Selbst-in-die-Hand-nehmen, zur Mischung, zur Zwischennutzung, zur Abkehr vom Gewohnten

05.06.20193 Min. Kommentar schreiben
Ein anderer Umgang mit Grund und Boden sowie andere, sozialere Entwicklungsmodelle bilden im Wortsinn die Basis des Buches.

Von Christoph Gunßer

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, wusste Hölderlin schon vor 200 Jahren. In Berlin, dem aktuellen Hotspot von Spekulation und Verdrängung auf dem Immobilienmarkt, machen denn auch Gegenkräfte mobil, und zwar nicht nur in Form des vielbeachteten Volksbegehrens für die Enteignung der Deutschen Wohnen.

„Make City“ hieß im letzten Sommer das „Festival für Architektur und Andersmachen“, das erstmals 2015 stattgefunden hatte und auch 2018 gut zwei Wochen lang über 250 Führungen, Ausstellungen und Debatten bot – umsonst wohlgemerkt, im Gegensatz zu manchem Architekturfestival andernorts. Nun ist der Reader zum Event erschienen, der einen guten, auch bebilderten Überblick des Gebotenen gibt und beim Weiterdenken hilft.

Im notorisch klammen Berlin, zwischen Prestigeprojekten des Bundes und Überdruck der Investoren, hat die Politik den Beistand von Initiativen, die Stadt anders gestalten wollen, offenbar bitter nötig. Aus gutem Grund sponsort die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die Publikation.

Ein anderer Umgang mit Grund und Boden sowie andere, sozialere Entwicklungsmodelle bilden im Wortsinn die Basis des Buches: Für kreative Zwischennutzungen, Genossenschaftsmodelle und strategische Allianzen gibt es ja durchaus schon erfolgreiche Beispiele in der Stadt. Doch hilft auch der Blick nach Zürich, Kopenhagen oder Rio, um zu zeigen, was geht, wenn man sich nur traut.

Andere Typologien, Strategien für die Berliner Mischung und Third Spaces, also temporäre Experimentalräume, die oft in abgeschriebener Bausubstanz oder am Stadtrand entstehen, aber auch die Berliner Schulbau-Offensive, zählen zu den zentralen Themen. Und schließlich geht es noch um die Ernährungs- und Ressourcenwende, wo derzeit auch in Berlin viel experimentiert wird.

Herausgeberin Francesca Ferguson gelingt so eine nahrhafte Mischung aus Essays, Interviews und Fallstudien, flankiert von pointierter Faktensammlung zum jeweiligen Thema. Auch weltanschaulich schafft das Buch durchaus manchen Spagat: Auf Beiträge wichtiger Insider wie des grünen Baustadtrates Florian Schmidt folgen Statements kritischer Wissenschaftler, innovativer Architekten und Landschaftsplaner und Empfehlungen eher neoliberaler Autoren.

In Berlin ist gerade vieles im Fluss, auch durch den Zuzug junger Leute aus aller Welt. Make City spiegelt, inspiriert und vernetzt dieses Stadtlabor. Das große Echo im vorigen Jahr lässt auf eine Fortsetzung hoffen: für Platzmacher*innen, Konzeptgestalter*innen, Mitmacher*innen, Prozessregisseur*innen, Stadtneudenker*innen, Umbaudirigenten*innen, Raumforscher*innen, Kiezveränderer*innen, Volksvermieter*innen, Monokulturablehner*innen, wie es in der Selbstdarstellung heißt.

Francesca Ferguson, MAKE_SHIFT (Hg.)
Make City
A Compendium of Urban Alternatives
Stadt anders machen
deutsch/englisch
jovis Verlag, Berlin, 2019
352 Seiten, 32 Euro

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