Mitten ins urbane Leben gebaut sind die Wohnanlagen des Büros Stefan Forster – das belegt schon die kommentarlose Bildstrecke zu Beginn des Buches. Wie kaum ein anderer Planer hat sich der 1958 in der Pfalz geborene, in Berlin und Venedig ausgebildete Forster seit seiner Bürogründung 1989 auf städtischen Wohnungsbau konzentriert.
Orientierung am Reformwohnungsbau
Während die Star-Architektur immer wichtiger wurde, lieferte Forster im besten Sinne anonyme Bauten ab, die im Nachhinein schwer zu datieren sind – orientieren sie sich doch in Duktus und Detail an einer Zeit, als Wohnbauen noch sehr ernst genommen wurde: dem Reformwohnungsbau der letzten Jahrhundertwende mit seinen Superblocks und der klassischen Moderne der 1920er Jahre.
Humane und wertbeständige Wohngebäude
Raumbildung, Baugliederung, sinnvolle Übergänge von Öffentlich zu Privat fügen sich in Forsters Bauten zu etwas, das Michael Mönninger in seiner Einleitung „Würde“ nennt. Damit bedient das Büro indes kaum das Mehr-Schein-als-Sein der Bauträger-Unkultur, die hinter opulenten Fassaden oft armselige Grundrisse und miese Bauqualität (ver)birgt. Viele von Forsters Auftraggebern sind öffentlich, namentlich die verdienstvolle ABG in Frankfurt, und achten auf wertbeständige, humane Wohnanlagen. Dass diese gleichwohl für städtische Lagen oft sehr groß und homogen sind, also mehr Siedlungen als Stadt, ist dem ökonomischen Zeitgeist geschuldet, dem Gesetz der großen Zahl, dem sich fast alle Investoren beugen. Von Forster gibt es aber auch sehr gut eingefügte Projekte, die intakte Kieze beleben helfen.
Anfänge beim Rückbau in Ostdeutschland
So zeigt dieser Band das ganze Spektrum des Büros: seine höchst originellen Anfänge im Nachwende-Rückbau in Ostdeutschland, als aus tristen Großwohnsiedlungen überschaubare, raumbildende, zur Aneignung animierende Stadthauszeilen wurden, finden sich erst am Ende des Buches, denn es ist typologisch gegliedert. Tatsächlich nimmt das Thema „Haus in der Stadt“ zwei Drittel des Buches ein, gilt doch die urbane Nachverdichtung inzwischen als Nonplusultra der Planung.
Wohnungsbau im Alltag angekommen
Die Kapitel bestehen aus einer schlichten Reihung ausführlicher Dokumentationen gebauter Projekte, überwiegend in Frankfurt am Main. Ein ausklappbarer Einstieg, oft mit Alltagsfotos oder Zeitungsartikeln, ein nüchterner Text, dann viele Fotos, nur einzelne Zeichnungen. Das Buch lebt wirklich von den realistischen, so gar nicht hochglanzmäßigen Fotos, überwiegend von Lisa Farkas. Das Verbindende zwischen den Projekten sollen Plansammlungen bilden: zu Beginn der Kapitel die Lagepläne und zum Schluss des Buches die Grundrisse. In der Zusammenschau im einheitlichen Maßstab werden so zumindest für die Fachleute weitere Qualitäten lesbar. Das Buch richtet sich denn auch an Planer und institutionelle Bauherren, auf dass endlich mehr städtischer Wohnungsbau entsteht, der diesen Namen verdient.
Städtebauliche Körper ohne Innenaufnahmen
Auffaällig ist indes, dass keinerlei Innenaufnahmen gezeigt werden, nicht einmal Treppenhäuser. Das verdeutlicht noch einmal, dass Forster vor allem städtebaulich denkt, in Bau-Körpern. Das hat auch sein großer moderner Vorgänger Ernst May oft so gehalten, auch wenn die funktionalistische Wohn-Moderne angeblich vom Grundriss her dachte. Immerhin sind auf den meisten Fotos belebte Höfe und Balkone zu erkennen, die darauf hinweisen, dass die Häuser auch gut angeeignet werden. Es sind robuste, oft auch elegante, raumprägende Bauten, die aber doch im Hintergrund bleiben. Der Wohnungsbau als anonyme Grundsubstanz der Stadt, das ist das Credo des Büros, das sich übrigens auch um die kluge Rationalisierung der Bauabläufe bemüht – auch wenn man im Buch keine Baukosten erfährt.
Wenn von der Renaissance der Stadt als Wohnort die Rede ist, dann hat das Büro Stefan Forster daran in den letzten Jahrzehnten – ganz unauffällig – einigen praktischen Anteil gehabt.
Stefan Forster Architekten
Wohnungsbau Housing 1989-2019
Park Books, 2020
342 Seiten, deutsch und englisch, 48 Euro
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