Text: Stefan Kreitewolf
Wohnarchitektur und das Wohnumfeld beeinflussen entscheidend unserer Lebensqualität. Doch gerade in Städten und Ballungsräumen fehlen oft Freiflächen für Neubauten. Wie kann weiterer Wohnraum entstehen? Die Frage beschäftigt Architekten, Stadtplaner, Politiker und Vertreter der Bauindustrie gleichermaßen – und zwar seit Jahren. Ihre Antwort ist mittlerweile zu einer Verheißung geworden: Nachverdichtung. Das bedeutet konkret: in die Höhe Boden, durch neue Stockwerke auf alten Häusern. Auf Deutschlands Dächern liegt großes Potenzial für mehr Wohnraum brach: 1,5 Millionen Wohnungen könnten durch Dach-Aufstockung entstehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung des Pestel-Instituts Hannover und der Technischen Universität Darmstadt. Die Studie geht dabei von einer durchschnittlichen Größe von rund 85 Quadratmetern Wohnfläche aus. Das ist besonders dort interessant, wo der Wohnraum bereits knapp und das Wohnen teuer ist: in Großstädten, Ballungsräumen und Universitätsstädten.Doch das ist nicht die einzige Dimension der Nachverdichtung. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) definiert außerdem fünf weitere gängige Möglichkeiten:
- Anbau: Häuser werden erweitert, zusätzliche Wohnungen entstehen
- Umstrukturierung: Parkplätze, Parkhäuser, Gewerbeflächen, Brachen und Kleingärten werden zu Bauland erklärt und bieten neue, innerstädtische Wohnflächen
- Konversion: Un- oder nur teilgenutzte Gebäude und Flächen werden neu bebaut, das gilt besonders für die Umnutzung ehemaliger Kasernen, Bauhöfen und Bahnhofanlagen
- Baulücken: Unattraktive Freiflächen in Städten werden aufgewertet, Baulücken geschlossen
- Innenhöfe: Neubauten in Innenhöfen bieten in dicht bebauten Stadtteilen neuen Wohnraum, sind allerdings bei den Bewohnern der Nachbarhäuser hochumstritten
Die Nachverdichtung ist allerdings ein Konzept, das mit Vorsicht behandelt werden sollte. Denn: Nicht überall dort, wo die Wohnungsnot am größten ist, kann nachverdichtet werden. Wird zu stark verdichtet, geht das zulasten der Wohnqualität – die Menschen leiden unter mehr Lärm und Verkehr, haben weniger Freizeitflächen in ihrer Umgebung. Entstehen mehrheitlich Eigentums- oder teure Mietwohnungen, ist der neue Wohnraum für viele nicht bezahlbar – das katalysiert Gentrifizierung.
Das Handbuch „WeiterWohnen – Zukunftsfähige Architektur in enger werdenden Städten“ aus dem Jovis Verlag zeigt anhand von 16 Fallbeispielen innovative Lösungen für Innen-, Außen- und Stadträume. Das Buch ist das Ergebnis des Architekturpreises „Auszeichnung vorbildlicher Bauten im Land Hessen 2014“ und wird von der Akademie der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen herausgegeben. Es liefert nützliche Anregungen für Neubau, Umbau sowie Sanierung. Begleitende Texte beleuchten den aktuellen Diskurs zum Thema Wohnungsbau. Es darf gestritten werden – für die Zukunft.
WeiterWohnen – Zukunftsfähige Architektur in enger werdenden Städten
Jovis Verlag, Berlin, 160 Seiten, 300 Abbildungen, 32 Euro
ISBN 978-3-86859-384-6
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