Von Wolfgang Voit
Das derzeitige System zur Absicherung der Risiken von Bau- und Architektenverträgen zeichnet sich wegen der typischerweise mehrfach gestuften Vertragsbeziehungen durch eine Vielzahl von Sicherungen aus, die sich zum Teil überlagern. Damit werden nicht nur unnötige Kosten für die Sicherungen verursacht, sondern die Bürgschaften belasten zum Teil unnötig die Kreditlinie der Unternehmer. Bei Architekten steigt die Belastung durch die Prämien der Architektenhaftpflichtversicherung ständig. Große Belastungen und hohe Kosten durch Regressprozesse mit einer Vielzahl von Streitverkündungen kommen hinzu. Umgekehrt sehen die Auftraggeber ihre Ansprüche nicht ausreichend gesichert.
Die Versuche, umfassendere Versicherungslösungen zu entwickeln, stehen noch am Anfang. Ansätze zur Etablierung einer Baufertigstellungsversicherung und einer Baugewährleistungsversicherung haben sich bislang am Markt zumindest in der Breite nicht durchsetzen können. Als Grund wird vielfach die Kostenbelastung genannt. Angesichts der Kostenbelastung durch die sich überlagernden Absicherungen in den gestuften Vertragsverhältnissen muss die Frage diskutiert werden, ob eine unfassende bauwerksbezogene Versicherung nicht letztlich kostengünstiger und effektiver die Risiken abdecken kann.
Thesen
- Bei mehrfach gestuften Bauverträgen werden sowohl auf den unterschiedlichen Ausführungsstufen als auch beim Architekten teilidentische Risiken durch Bürgschaften und Versicherungen mehrfach abgesichert.
Häufig setzt sich ein Mangel im Subunternehmerwerk in Mängel auf der Ebene der Hauptunternehmer fort. Kommt ein Überwachungsfehler der Architekten hinzu, so sind die Schäden, die dem Besteller infolge des Mangels entstehen, regelmäßig durch Bürgschaften in den einzelnen Vertragsverhältnissen und durch die Architektenhaftpflichtversicherung abgedeckt. Auch wenn der Besteller auf die Bürgschaften in den Verträgen zwischen Haupt- und Subunternehmern nicht zugreifen kann, finanziert er doch letztlich über die Vergütung die Kosten dieser Absicherungen. Die betragsmäßige Begrenzungen der Sicherheiten bei den Bauerrichtungsverträgen verlagert zudem betragsmäßig höhere Haftungsrisiken auf die Haftpflichtversicherungen der Architekten.
- Eine umfassende bauwerksbezogene Versicherung kann diese Mehrfachsicherungen beseitigen. Die Prämien einer solchen Versicherung können zum Teil durch das Entfallen anderer und teilweise sich überlagernder Sicherungen gegenfinanziert werden.
Würden die durch den Mangel verursachten Kosten durch eine Versicherung übernommen, so entfiele das Bedürfnis für eine Absicherung durch Bürgschaften auf den unterschiedlichen Vertragsebenen. Gelingt es, die Versicherung so zu konzipieren, dass auf Bürgschaften verzichtet werden kann, so können die damit entfallenden Kosten die Prämienbelastung zum Teil ausgleichen. Auch wenn Bürgschaften in der Regel auf 5 oder 10 % der Auftragssumme beschänkt sind und die Prämien sich an dieser relativ geringen Absicherung orientieren, kann es durch die mehrfache Absicherung auf den unterschiedlichen Vertragsebenen zu einer nicht unerheblichen Einsparung von Bürgschaftskosten kommen. Hinzu kommen können Einsparungen bei den Finanzierungskosten der Bauunternehmer, wenn deren Kreditlinie nicht durch Bürgschaften belastet ist.
- Die umfassende bauwerksbezogene Versicherung sollte neben der Architektenhaftpflichtversicherung auch Elemente der Bauleistungsversicherung, der Baufertigstellungsversicherung und der Baugewährleistungsversicherung enthalten.
Der Verzicht auf weitere Absicherungen, um die eingesparten Kosten mit zur Finanzierung der Prämie einzusetzen, ist nur dann denkbar, wenn die Erfüllungs- und Gewährleistungsrisiken gedeckt sind. Der Versicherungsschutz muss dabei über die derzeitige Form der Fertigstellungsversicherung und der Baugewährleistungsversicherung hinausgehen, weil dort wichtige Schadensposten, die über eine Erfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaft abgesichert sind, nicht gedeckt sind.
- Auch Risiken, die auf einer vorgelagerten Stufe nicht versicherbar sind, können auf nachgelagerten Stufen versicherbar sein. So können die Eigenkosten der Mangelbeseitigung zwar derzeit nicht in der Baugewährleistungsversicherung gedeckt werden. Dies schließt nicht aus, sie in eine Versicherung des Hauptunternehmers wegen Ansprüchen des Bestellers einzubeziehen, die sich aus Mängeln des Subunternehmerwerks ergeben. Dem Grundsatz der Nichtversicherbarkeit des Erfüllungsschadens kann durch Regressansprüche des Versicherers Rechnung getragen werden.
Der Erfüllungsschaden ist in der Haftpflichtversicherung unversicherbar. Auch in der Baugewährleistungsversicherung sind die Kosten der Nacherfüllung als solche derzeit nicht gedeckt. Dennoch sind die Risiken als solche nicht unversicherbar. So findet in der Bauleistungsversicherung kein Abzug der Nachbesserungskosten statt. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, in der Baugewährleistungsversicherung das Risiko der Fehlleistungen durch einen Subunternehmer auch hinsichtlich der Mangelbeseitigungskosten zu versichern. Dem Einwand nicht unüberschaubarer und nicht kalkulierbarer Risiken steht der Befund gegenüber, dass diese Risiken (mit Ausnahme der Folgen der Bauzeitüberschreitung) im Fall eines Überwachungsfehlers bereits jetzt wirtschaftlich von der Architektenhaftpflichtversicherung getragen werden. Werden Fehlanreize befürchtet, weil der Unternehmer von den Konsequenzen eigener Fehlleistungen befreit wird, so kann mit Regressansprüchen des Versicherers gegen den Unternehmer gearbeitet werden, der den Schaden verursacht hat. Da dies bei komplexen Bauwerken häufig ein Subunternehmer sein wird, können selbst bei einem Regressanspruch in voller Höhe erhebliche Kosten dadurch eingespart werden, dass Rückgriffsketten verkürzt werden.
- Schon jetzt wird ein Großteil der Risiken über die Haftpflichtversicherung des Architekten faktisch versichert und mit hohen Kosten auf andere Beteiligte rückverlagert. Bereits die Sicherung der Rückverlagerungsmöglichkeit führt wegen der Notwendigkeit der Streitverkündung zu einer erheblichen Belastung der Gerichte.
Angesichts der relativ kurzen Verjährungsfrist für Mängelansprüche müssen Maßnahmen zur Verjährungshemmung von Regressansprüchen ergriffen werden. Dabei ist eine auf den jeweiligen Mangel und die möglichen Verantwortlichen bezogene Streitverkündung erforderlich. Diese erheblichen Belastungen und Risiken können bei einer Versicherungslösung vermieden werden.
- Ein solcher umfassender Schutz kann sich positiv auf den Wert der Immobilie auswirken. Da sich das Risiko für Darlehensgeber verringert, sind positive Auswirkungen auf die Darlehenskonditionen zu erwarten. Für die Bauunternehmer führt die Versicherung im Vergleich zu einer Absicherung durch eine Bürgschaft zu einer Entlastung der Kreditlinie.
Wie aus der Praxis berichtet wird, spielt in Ländern wie Frankreich der Abschluss einer umfassenden Versicherung für die Risiken bei der Errichtung eines Gebäudes eine erhebliche Rolle für den Verkaufswert der Immobilie. Es liegt nahe, dass sich vergleichbare Effekte auch in Deutschland einstellen werden. Eine solche Versicherung dient auch dem Verbraucherschutz des privaten Erwerbers, denn Gewährleistungsansprüche sind gerade beim Erwerb vom Bauträger häufig nicht durchsetzbar. Auswirkungen sind auch auf die Darlehenskonditionen für den Erwerber zu vermuten, weil durch die Versicherung die mangelfreie Errichtung des Bauwerks, das in der Regel als Darlehenssicherheit eingesetzt wird, sichergestellt wird.
- Ein Versicherungsmodell sollte in die Überlegungen zu einem gesetzlichen Bauvertragsrecht als Alternative immer dann einbezogen werden, wenn Ansprüche auf Sicherheitsleistung oder Bürgschaften gesetzlich geregelt werden.
Das geltende BGB kennt Ansprüche des Bestellers auf Stellung einer Sicherheit nur dann, wenn bei Verbraucherverträgen Abschlagszahlungen verlangt werden. Wurde für das Objekt eine Versicherung abgeschlossen, die die Fertigstellungsrisiken trägt, ist diese Sicherheit nicht erforderlich. Deshalb soll im Gesetz die Versicherung als Alternative zur Sicherheitsleistung verankert werden. Falls im Zuge einer Neuregelung weitere Sicherheiten für den Besteller geschaffen werden, sollte auch in diesen Fällen der Anspruch entfallen, wenn eine entsprechend ausgestaltete Versicherung abgeschlossen wurde.
- Weiterhin kann die Absicherung der Vergütungsansprüche erwogen werden. Dies kann sich kostensenkend auswirken, wenn es gelingt, Sicherungen der Vergütungsansprüche durch Bürgschaften auf den unterschiedlichen Vertragsebenen entbehrlich werden zu lassen.
Die bisherigen Überlegungen beschränkten sich auf die Absicherung des Fertigstellungs- und des Mangelrisikos. Darüber hinaus kann die Absicherung der Vergütungsansprüche erwogen werden. Auch insoweit entstehen bereits heute in den jeweiligen Vertragsverhältnissen hohe Kosten. Obwohl diese im Fall des § 648a BGB vom Unternehmer zu tragen sind, gehen sie in die Preisbildung ein und fallen deshalb letztlich dem Besteller zur Last. Auch wenn sich die Vergütungsansprüche bei gestuften Vertragsverhältnissen gegen den jeweiligen Besteller richten, ist nicht zu verkennen, dass es sich letztlich um die Vergütung eines Bauwerks handelt. Soll deshalb eine einheitliche Absicherung geschaffen werden, so sind schwierige Fragen der Verteilung der Insolvenzrisiken und der Eingriffe in Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte in die Überlegungen einzubeziehen. Auf der anderen Seite führt die derzeitige Sicherung durch § 648a BGB zu hohen Kosten auf jeder Vertragsstufe, die sich möglicherweise durch eine Versicherung reduzieren lassen. Auch die Kritik am Bauforderungssicherungsgesetz zeigt, dass in diesem Bereich über neue Instrumente zur Sicherung der Vergütungsansprüche aller am Bauvorhaben beteiligter Unternehmer nachgedacht werden muss.
- Wenn der Besteller Versicherungsnehmer und Prämienschuldner ist, sollte ein Anspruch auf Kostenbeteiligung gegen die versicherten Baubeteiligten verankert werden.
Die umfassende Bauwerksversicherung soll einerseits die Absicherung der Risiken verbessern und andererseits Mehrfachabsicherungen auf den verschiedenen Vertragsstufen beseitigen. Dort eingesparte Kosten sollten zur Finanzierung der erheblichen Prämien eingesetzt werden, die für eine solche Versicherung erforderlich sind. Aus der Bauleistungsversicherung sind Modelle bekannt, die eine Beteiligung aller mitgeversicherten Unternehmer an den Prämien vorsehen. In dieses Umlageverfahren müssen auch die Architekten einbezogen werden, die für derart abgesicherte Bauvorhaben keine Berufshaftpflichtversicherung benötigen.
Prof. Dr. Wolfgang Voit lehrt Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht in Marburg.
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Von der Haftpflichtversicherung des Architekten profitiert meistens nur sein Auftraggeber (Bauherr). Als Sachverständiger habe ich schon Fälle erlebt, bei denen vorgeschlagen wurde, den Architekt heranzuziehen, weil der ja versichert sei. Warum soll dann der Architekt allein die Versicherungsprämie tragen? Mein Vorschlag: Bei jedem Bau eine Objektversicherung, bei der Architekt und Bauherr die Hälfte der Prämie tragen. Gleichzeitig vereinbaren, daß eine gesamtschuldnerische Haftung von Architekt und Ausführenden (die ja wohl immer vom Bauherren beauftragt werden) ausgeschlossen ist. Die Juristen werden sicherlich einen Weg dahin finden.