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Archipopel

Vor 36 Jahren wollten Ungers, Koolhaas und Kollhoff weite Teile Berlins abreißen. Das sei hochaktuell, finden heute romantische Städter

30.11.20132 Min. Kommentar schreiben
Illustration: E. Merheim
Illustration: E. Merheim

Text: Roland Stimpel

Was war doch einst West-Berlin so schön, als es 1977 noch viel Brachen- und Brandmauer-Aura verströmte und die Bevölkerung schrumpfte. Das inspirierte ein Team aus später so unterschiedlichen Architekten wie Oswald Mathias Ungers (OMU), Rem Koolhaas (heute Büro „OMA“) und Hans Kollhoff. Sie sahen das Nachkriegs-Ambiente als Modell für die schrumpfende Stadt und propagierten einen „Archipel“ aus urbanen Rest-Inseln, um die herum „schlecht funktionierende und überflüssige Stadtteile“ in Ruhe vergammeln und dem Abriss anheimfallen sollten. Anschließend war dieses Ringsum als „System modifizierter Natur“ vorgesehen, mit Wald, Wildparks und zugleich „einem ausgedehnten Autostraßennetz, Drive-in-Kinos, Drive-in-Banken und ähnlichen automobilgebundenen Einrichtungen“.

Heute, während die Metropolen vor Überdruck bersten und das Auto allmählich Dino-Status bekommt, klingt das hoffnungslos nach OMA-Opa. Aber gerade jetzt ist die Schrift neu aufgelegt, laut Lars-Müller-Verlag als eins der „faszinierendsten urbanen Manifeste des späten 20. Jahrhunderts“. Das Ding entspricht einem romantischen Zeitgeist, der dem Moderne-Projekt „Auflösung der Stadt“ nachtrauert und wie die Großväter nach urbanem Archipopel strebt, nach „kleinen und überschaubaren Einheiten“.

Illustration: E. Merheim
Illustration: E. Merheim

Das ist die radikale Version der Nicht-Stadt. An ihr ergötzen sich auch Leute, die zwar wissen, dass man das nicht hinkriegen kann, die aber jeden Fetzen „modifizierte Natur“ zwischen zwei Brandwänden vor dem Übel bewahren wollen, Stadt zu werden. Das versuchen Idealisten wie Daniel Fuhrhop, Betreiber des Blogs „Verbietet-das-Bauen“. Das betreiben aber auch Egoisten – in einer Stadt wie Berlin nach dem Motto „Ick wohn hier schon, und det muss reichen“. Das haben sie vom leiblichen Großpapa gelernt, der einst am Rand seiner Kleinstadt auf dem Wüstenrot-Acker baute und dann vehement dafür kämpfte, dass die Wiese nebenan auf immer frei bleibe. Seine Enkel erhalten sich jetzt die Innenstadt luftig. Wer hier nichts findet, kann ja raus nach Suburbia. Da ist es auch schön, denn da blühen „automobilgebundene Einrichtungen“, wie sie Ungers & Co. fürs zentrale Nichts erträumten.

 

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