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Alle gewinnen

Mediation kann bei Baustreitigkeiten viel Ärger vermeiden – meist aber nur, wenn sie frühzeitig eingeleitet wird

31.07.20124 Min. Kommentar schreiben

Text: Roland Stimpel

Das Dach des Neubaus war undicht, und der Bauherr nahm sofort einen Anwalt. „Mich hat er gar nicht angesprochen“, erinnert sich der Architekt. Der Anwalt trat forsch auf; es drohte ein langwieriger Prozess. Zum Glück aber hatte der Architekt gute Beziehungen zum Verbandschef des Bauherrn, einer sozialen Organisation. Ihn konnte er überreden, einem Mediationsverfahren zuzustimmen. Der Mediator erwies sich als Glücksgriff: Er war in Bautechnik und Recht gleichermaßen kompetent. Er wies den Anwalt in die Schranken und konnte letztlich auch den Bauherrn selbst überzeugen, gemeinsam mit den Architekten nach der besten Lösung für alle Beteiligten zu suchen: Das Dach wurde rasch erneuert. Die Versicherung beglich, was sie ohnehin hätte zahlen müssen. Alle Beteiligten zogen einen Strich drunter – und unfreiwillig tat das auch der Anwalt, der lieber ausgiebig geklagt hätte.
Der Fall zeigt, wie bei einer Einigung ohne Gerichtsverfahren fast jeder gewinnt: Bauherren kommen rascher zu einem sicheren Ergebnis; Architekten bleibt jahrelanger Streit mit immensem Aufwand an Kommunikation und Nerven erspart. Auch die Versicherung gewinnt, wie Ulrich Langen, Justiziar der AIA in Düsseldorf, veranschaulicht: „Bisher wurden die Streitigkeiten immer mehr und immer teurer. Sie verursachen bei uns rund 30 Prozent aller Aufwendungen“ – also etwa halb so viel wie die Schadensbehebung selbst.
Die AIA versucht deshalb, möglichst viele Streitigkeiten der bei ihr versicherten Architekten per Mediation zu lösen – und hat erste Erfolge. Etwa im Fall eines Reihenhauses mit schweren Feuchteschäden. Hier setzten sich alle Beteiligten an einen Tisch, einigten sich auf rasche Reparatur und Verteilung der Kosten. Für einen sechsstelligen Betrag wurde das Haus saniert – „zur Zufriedenheit der Bewohner“, wie Langen sagt. „Und das Ganze hat rund eineinhalb Jahre gedauert, viel kürzer als eine Klärung vor Gericht.“ In einem weiteren Fall beachtete ein Architekt die Baugrenzen nicht genau; eine Ecke ragte seitlich zu weit vor und das Dach kam dem Nachbarn 20 Zentimeter näher als zulässig. Auch hier einigten sich die Parteien: Das Dach wird ein wenig zurückgebaut – und die Ecke darf bleiben.
Das Erfolgsgeheimnis der Mediation liegt darin, dass die Beteiligten selbst eine Einigung finden müssen, statt dass ein Dritter Urteile fällt. Erfolgreiche Mediatoren motivieren die Streitparteien dazu, ihre Interessen darzulegen – und dann zu überlegen, welche sie gemeinsam verfolgen können. Meist haben Architekten und Bauherren selbst im Streit noch identische Wünsche: Gibt es Schäden, wollen beide sie behoben haben. Und sie möchten den Fall möglichst rasch und unaufwendig vom Tisch bekommen. Die meisten wollen unter Kollegen, Auftraggebern und Kunden nicht als Streithammel dastehen. Und vielen ist klar, dass man sich im Leben mehrfach trifft.
Aber der Anlauf zur Mediation gelingt oft nicht, wie Ulrich Langen aus Erfahrung weiß: „Wenn erst Klagen eingereicht, wenn Drohungen und Verweigerungen herumgeschickt sind, dann ist es oft für eine friedlich-konstruktive Einigung zu spät. Dann ist die Klappe zu.“ Daher appelliert er an Architekten: „Wenn eine Streitigkeit droht, sollten sich Planer möglichst früh an die Versicherung wenden, solange noch kein Porzellan zerschlagen ist.“ Dann könne diese einen Mediator suchen und vor allem den Bauherrn noch  davon überzeugen, sich auf das Verfahren einzulassen. Hat dieser dagegen schon den Rechtsweg beschritten, gibt es irgendwann keinen Weg mehr zurück. „Wir werden oft einfach zu spät informiert.“
Auch Architektenkammern unterstützen die Mediation. In Berlin gibt es für Interessenten eine kostenfreie Beratung durch die erfahrenen Mediatorinnen Hella Rolfes, Architektin, und Beate Voskamp, Landschaftsarchitektin. Am 12. November veranstaltet die Berliner Kammer ein ganztägiges Seminar zum Thema. Die Bayerische Architektenkammer bietet sogar eine eigene Ausbildung an – denn Architekten und Planer können nicht nur per Mediation eigene Konflikte lösen, sondern sich als Mediatoren für den Streit unter Dritten auch ein neues Tätigkeitsfeld erschließen. Der aktuelle Lehrgang hat im Frühjahr begonnen. Auch Niedersachsen hat bereits Erfahrung mit einer solchen Ausbildungsreihe. Und die Bundesarchitektenkammer unterstützt den Trend zur Mediation politisch. Dort kennt man sich aus: Geschäftsführer Tillman Prinz ist selbst ausgebildeter Mediator.

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