Roland Stimpel
Heute setzen wir uns die Hornbrille der Höchstkultur auf und betrachten durch sie Architekturlaien in freier Wildbahn. Wirken sie nicht ein bisschen wie Affen? Hangeln sich mit dem Auge über Stuckfassaden, nehmen den Stadtpark als Savanne und bauen als Alphatiere Alphavillen.
Seit King Kong wissen wir, dass Hochhäuser auch Turngerüste sind. Affenstarke Männlichkeitssymbole sind sie sowieso. Und sie quälen uns im Alltag – als Bauherrengorillas, projektentwickelnde Orang-Utans, makakige Geschmacksnörgler, pavianische Popopopulisten. Nur einige erleben das Glück der Evolution. Die ist mühsam, berichtet als Veredler roher Primaten der Karlsruher Professor Alban Janson. Er selbst sieht seine Studienanfänger natürlich nicht so, sondern sagt es human: „Sie gehören häufig noch zu jenem Teil der Bevölkerung, welcher der Architektur in einem wenig entwickelten Verständnis gegenübertritt“.
Einmal verirrte sich so ein Halbtier auf Jansons Le-Corbusier-Exkursion nach Paris. Dort an der Haustür war die Kasse. „Ein Student des zweiten Semesters zögert mit dem Zahlen, er betritt erst mal das Haus, schaut sich kurz in der Halle um und geht wieder hinaus: ,Lohnt das Eintrittsgeld nicht!‘“ Janson überliefert nicht, ob der Student die gesparten zwei Euro draußen in Bananen investiert hat oder gleich ins Käfigtaxi zum Zoo. Aber er tröstet uns, dass es später klappt mit der Evolution: „Allmählich bewirkt das Architekturstudium dann einen Sinneswandel, manchmal bis zur Umkehrung der vorherigen Auffassungen.“
Le Corbusier dagegen ist ein tragischer Fall. Er versuchte ja alles, um wenigstens die verständigsten Schimpansen auf das Niveau von Neandertalern zu hieven: mit Beton von edelster Archaik, Unité-Hordenhöhlen und dem Alpha-Modulor als Urmaß aller Dinge. Aber ein Großteil der Kokosnussknacker will nicht mal das. Manche beißen gar in die Hände, die sie zivilisierend zu füttern versuchen. Statt Feinherbes aus der Edelküche mögen die Viecher Kindisch-Süßes. Dafür pflücken sie im Dschungel der Stilgeschichte, was immer ihnen vor die Pfote kommt. Da kann man seinen Höchstkulturblick nur noch verächtlich abwenden. Gib dem Affen Zucker? Kommt nicht infrage. Er holt ihn sich sowieso selbst.