Von Roland Stimpel
Da wir im seriösen Teil dieses Hefts über Einfamilienhäuser schreiben, kann es hier auf der Spielseite nur um Puppenheime gehen. Gleich 60 davon stehen in Hamburgs opulentestem Palast der Neuen Sachlichkeit, dem 1923 von Karl Rudolf Schneider gebauten Landhaus Michaelsen. Ausgerechnet dies ist heute Puppenmuseum und ein Fall für Freunde extremen Stilgefälles zwischen der großen klaren Architektur draußen und der versponnenen kleinen im Inneren.
Doch in Deutschlands Kinderzimmern gewinnt die Moderne an Boden. Etwa mit der „Villa Sibis“, beworben mit „klaren Formen und moderner Architektur für unsere Kleinen zur frühkindlichen Stilerfahrung“. Sie sei „das Puppenhaus, das Mies van der Rohe seinen Kindern geschenkt hätte“. (Was er schon deshalb nicht konnte, da er nach acht Jahren Ehe Frau und drei Töchter verließ.) Ein treuerer Mies von heute hätte vielleicht auch zum „Bauhaus“ von Grimm’s Spiel & Holz Design gegriffen. Auch wenn es das nicht in Weiß gibt, sondern nur in Farbtönen späterer Epochen. Als „Bauhaus rosa-orange“ vermittelt es die Psychedelik der Zeit um 1968, als „Bauhaus blau-grün“ mit etwas Gelb changiert es ins Postmoderne der 1980er, und als unlackiertes „Bauhaus natur“ steht es für die holzbraune Nachhaltigkeit von heute.
Der Hersteller Lundby spricht dagegen wie ein Bungalow-Vermarkter: „Das geräumige und helle 3-Zimmer-Puppenhaus ,Stockholm‘ wurde von Architekten entwickelt und ist sehr modern, funktionell und großzügig ausgestattet.“ Am Haus „Primera“ von Bodo Hennig lobt ein Versandhändler die „großzügigen, offenen Räume“, sodass „mehrere Kinder gleichzeitig von allen vier Seiten spielen können“.
Und dann gibt es noch das „Öko-Architekten-Puppenhaus“ von der Firma „Carton Chic“ – Pappe für die Puppe. Die paar grauen Scheiben wirken mit 39 Euro nicht ganz billig, aber die Kargheit der Ausstattung hat pädagogischen Hintersinn: „Das zweigeschossige Puppenhaus regt mit seinem minimalistischen Design die Fantasie an.“ Sogar Feinden der Moderne bietet es eine Qualität – jene, die sie an den großen glatten Häusern draußen vermissen: „Wenn man mal nicht damit spielen will, kann man es flach zusammenlegen.“