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Boggmischd in Berlin

Schwaben gegen Preußen: ein Architektur-Kulturkampf

01.02.20122 Min. Kommentar schreiben

Von Roland Stimpel

Aus dem Südwesten kam die Beschwerde, dauernd werde auf dieser Seite Stuttgart verrissen. Wir geben es zu und kasteien uns auch gleich für den Grund: blanker Berliner Neid. Die da unten können alles, was wir nicht können. Sie produzieren, exportieren und subventionieren – Letzteres ausgerechnet uns. Und wir schlagen zum Undank unsere vorsibirischen Wolfszähnchen in die Schwabenhand, die uns füttert.
Neid auf sie pflegen wir auch in der Architektur. Das hatte ein Vorspiel in der Frühmoderne: Berlin bot in seinen Siedlungen Masse, Stuttgart am Weißenhof Klasse. Und nach dem Krieg wurden sie dort so richtig innovativ mit ihrem Leichten, Transparenten und Technoiden, all diese tüftelnden Frei Ottos, Behnischs und Sobeks. Wir hier machten auf erden- und betonschwer, ob an der Stalinallee, im Märkischen Viertel oder am Potsdamer Platz. Masse und Klasse auch bei den Fernsehtürmen: Unserer hat 150 Meter mehr. Aber was ist schon Hermann Henselmanns sozialistische Höhe gegen Fritz Leonhards post-nationalsozialistische Erfindung des Bautyps?

An den Weißenhof hatten sie wenigstens noch unsere Leute geholt: Acht der 17 Architekten kamen aus Berlin. Aber heute sind alle schon da; allein der Kammerbezirk Stuttgart hat 4.000 Mitglieder mehr als unsere komplette Kammer. Wir hier exekutierten zu Mauerzeiten in Kreuzberg pro Außenklo ein Sanierungsverfahren; zugleich planten Schwabens Großbüros schon für die halbe Welt. Nach der Wende entdeckten sie den Exportmarkt Berlin. Und wir sind undankbar, zum Beispiel für Günter Behnischs gläserne Kunstakademie am sonst steinernen Pariser Platz. Dabei hatte er zuvor derart viel Demokratie gebaut, dass er in Berlin auch mal eine demokratisch aufgestellte Gestaltungssatzung in die Tonne treten durfte.

In Ausnahmefällen kann aber auch Berlin effizienter und kühler sein. Ohne den ortsüblichen Großprotest einen denkmalgeschützten Hochbahnhof abzureißen und dort acht Gleise für die neue Zentralstation unter die Erde zu legen: Det is Ballin, det ham wa locka hinjekricht. Und wir grinsen hämisch, wenn im einrollenden ICE ein Schwabe „so a Boggmischd“ grummelt.

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