Text: Roland Stimpel
Geht es nach Kommunalpolitikern und Laien-Bürgern, dann verschwindet aus Deutschlands Städten bald ein ganzer Bautyp: die Hochstraße. Düsseldorfs Tausendfüßler soll weg, ebenso die Magistrale nach Halle-Neustadt und eine Schnellstraße über dem 20erJahre-Ensemble des Berliner Breitenbachplatzes. Bremen nagt an den Bücken der „AOK-Kreuzung“ und des Breitenwegs. In Hannover ist der Fly-over am Aegidientorplatz längst weg, am Raschplatz naht das Ende. Dabei fing hier alles an. 1959 jubelte der „Spiegel“ über Hannover, bald könnten „Autofahrer – was kaum in einer anderen deutschen Stadt möglich ist – unbehindert durch Kreuzungen oder Ampeln mit unbeschränkter Geschwindigkeit bis zum Stadtkern preschen“.
Diese Straßen verteidigen noch einzelne Auto- und Kulturexperten in ADAC, Denkmalämtern und Bauhochschulen. Den einen geht es um „den Verkehr“, ihren einen und einzigen. Den anderen laut einer Publikation aus Düsseldorf um den „Ausdruck einer Generation, die nach dem 2. Weltkrieg in der Abkehr des traditionellen Städtebaus auch räumlich einen Wandel hin zu einer offenen und demokratischen Gesellschaft demonstrieren wollte“. Offenheit durch ein Betonband über der Straße – da muss man drauf kommen. Und Gesellschaftspolitik, die oben das freie Blech rollen lässt und unten reaktionären Fußgängern mit Schatten, Lärm und Abgaswölkchen die Demokratie nahebringt – auch das ist hübsch gedacht. Es waren ja auch Demokraten von Geburt an, die diese Straßen bauten: Friedrich Tamms in Düsseldorf und Rudolf Hillebrecht in Hannover hatten urbanistischen Feinsinn im Stabe Albert Speers trainiert; in Halle ließ SED-Sekretär Horst Sindermann persönlich die Straße eng am Fachwerk der Franckeschen Stiftungen brasseln. Später besang ihn Wolf Biermann: „Ach Sindermann, du blinder Mann. Du richtest nur noch Schaden an.“
Manche Verteidiger der Hochstraßen-Baukultur können sich oben auch grüne Promenaden, Dauer-Flohmärkte oder Skaterbahnen vorstellen. Aber drunter, auf Straßenniveau, für das hier präzise der Tiefbauer-Ausdruck „Null-Ebene“ passt? Da sei alles in Ordnung, melden sie aus Düsseldorf: „Bebauung und Begrünung haben sich perfekt angepasst.“