Roland Stimpel
„Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen“, induzierte der Philosoph Loriot. Wie man den vorderen Seiten dieses Blattes entnehmen kann, harmonieren Architekten und Laien auch nicht immer. Männer und Frauen lösen das Problem im Extremfall durch Eintritt ins Kloster. Wir brauchen einen Architektenorden. Oder besser gleich einen Ordensstaat.
Am besten da, wo schon Aura ist, wo die Nichtarchitekten sowieso weggehen und wo reichlich Brachen auf neue Häuser warten. Auf nach Dessau an der Mulde! Da residiert dann der Ordensmeister im weißen Tempel, der noch kantiger ist als die Kaaba von Mekka. Nicht weit davon steht – nicht ganz unwichtig für den Berufsstand – ein sehr ehrwürdiges Arbeitsamt, auch von Gropius. Und der Boden ist durchtränkt von baulichem Absolutheitsanspruch, wie er einem Ordensstaat gebührt: Nicht erst das Bauhaus versuchte sich am ultimativ-universellen Lebensdesign, sondern schon 150 Jahre davor Fürst Leopold Franz, der sein Ländchen als gesamtkunstwerkliches Gartenreich gestaltete.
Die Verfassung des Ordensstaats schreibt natürlich Bauen in Dessauer Tradition vor und die Rückversetzung der Siedlung Törten in den Originalzustand von 1928. Sie verbietet aber Traditionalismus und Rekonstruktion mit Entzug des Bürgerrechts auf Bauvorlage. Das Ordensparlament dominieren BDA und BDB; kleinere Ethnien vertreten BDIA, BDLA und SRL. Bildung, Justiz, Steuern und Meldewesen regeln die bewährten Kräfte der Kammern. Die Grenzen werden streng kontrolliert; Ornamente kassiert der Zoll. Unqualifizierte Laien werden gar nicht erst eingelassen, vor- und nachmoderne Architekten erst recht nicht. Umso eingeladener sind dogmenstrenge Feuilletonisten aus den Metropolen, die eine prima Inquisition abgeben.
Aber vielleicht ist das alles nicht nötig, weil sich der Architekten-Volks-Krampf durch die allgemeine Überalterung von selbst löst. Aller Streit verliert sich in Greisenharmonie, verheißt eine andere Loriot-Weisheit, hier ganz leicht abgewandelt zitiert: „In einer glücklichen Ehe sind die Laien ein bisschen blind und die Architekten ein bisschen taub.“