Interview: Nils Hille
Frau Werner, wollten Sie schon immer zum Film?
Ja, die Faszination für die bewegten Bilder spürte ich schon früh in mir. Am liebsten wäre ich Film-Architektin geworden und wäre damit für alles Gebaute in einer Produktion zuständig gewesen. Doch dafür gibt es in Deutschland kaum einen Markt. Wir haben hier keine wirkliche Filmindustrie, für die solche Spezialisten benötigt werden.
Trotzdem konnten Sie sich ein Stück in diese Richtung bewegen.
Das war aber ein langer Weg. Erst habe ich die Ausbildung zur Tischlerin absolviert, dann das Architekturstudium und schließlich in verschiedenen Büros in Hamburg, Berlin und Sao Paulo gearbeitet. Bei „Studio Hamburg“ konnte ich zur Jahrtausendwende erste Filmluft schnuppern. Doch da war ich schon Ende dreißig und hätte noch mal mit Kistenschleppen anfangen sollen, denn das ist beim Film einfach so, dass man sich hocharbeiten muss. Zum Glück hörte ich aber von einer Freundin, dass der Norddeutsche Rundfunk zur Erneuerung seines Corporate Designs Unterstützung brauchte. Über meine langjährige Erfahrung als Projektleiterin, auch im Bereich CAD, konnte ich da reinrutschen.
Und dort waren Sie dann direkt projektleitende Set-Designerin – was genau bedeutet diese Stellenbezeichnung?
Ich war gemeinsam mit meinen Kollegen für den Neubau sämtlicher Studiosets am Hauptstandort in Hamburg und in den Regionalstudios des NDR verantwortlich. Dabei habe ich erst verstanden, wie kleinteilig Fernsehen ist. Nur ein paar schöne Möbel und Hintergründe zu entwerfen, reicht da bei Weitem nicht aus. Ich musste jeden Stuhl fernsehgerecht umsetzen, sodass er in den Aufnahmen der Kameras und bei intensiver Beleuchtung durch die Scheinwerfer immer noch perfekt aussieht, aber auch den ständigen Auf- und Abbauten standhält. Das berühmte rote Sofa in der vorabendlichen Talkshow „DAS!“ ist zum Beispiel zum Draufsitzen total unbequem. Aber seine rechtwinklige Rückenlehne verhindert, dass Moderatoren und prominente Gäste sich reinlümmeln und die Kameraleute sie nicht mehr gut aufnehmen können. Durch seine halbrunde Gestaltung zeigen die Kameras den Moderator und den Gast aus mehreren Perspektiven nebeneinander im Bild.
Als gelernte Tischlerin hatten Sie ja für solche Aufgaben die passende Vorbildung …
… die ich auch dringend benötigte. Erst mal wollte sich keiner der Schreiner und Handwerker im Sender von mir als „Kreative“ etwas sagen lassen. Doch als sie merkten, dass ich vom Fach bin und weiß, was alles möglich ist, hatte ich das Stehvermögen, das ich für die Umsetzung der sogenannten CICD-Sets brauchte. Innerhalb von mehreren Jahren haben wir sie so alle realisieren können.
Aber dann hatten Sie beim NDR nichts mehr zu tun?
Doch. Zum Glück gibt es dort immer wieder Aufgaben im Set-Design. Aber weil ich noch viele andere Dinge machen wollte, habe ich meine feste volle Stelle um die Hälfte reduziert. Seit fünf Jahren arbeite ich parallel nun wieder in einem Architekturbüro mit und außerdem setze ich mich dafür ein, dass die Architektur im Fernsehen eine größere Rolle spielt.
Mit Erfolg?
Leider ist mein Versuch gescheitert, die „Traumhäuser“-Reihe vom Bayerischen Fernsehen in den Norden zu adaptieren. Der NDR sieht dafür keinen Markt. Mit meinem eigenen kleinen Büro „Architektur-und-Film“, das ich vor drei Jahren gegründet habe, arbeite ich gemeinsam mit einer Hamburger Filmproduktionsfirma an einem neuen Fernsehformat, das wir gerne platzieren möchten, zu dem ich aber noch nichts verraten kann. Zudem bieten wir die Produktion von Imagefilmen im Bereich Architektur und Stadt an.
Da ist die Konkurrenz aber doch riesig.
Nicht in unserem speziellen Sektor. Es gibt kaum Produktionsfirmen in Deutschland, die architektonisches Know-how mitbringen. Unsere Sicht könnte gerade für Immobilienentwickler und andere Investoren von Nutzen sein, die nicht nur den Gewinn pro Quadratmeter bei ihren Projekten sehen. Und auch die Stadtmarketinggesellschaften setzen immer mehr auf bewegte Bilder. Wir sind die Richtigen, wenn sie den potenziellen Touristen online mal nicht nur ihre berühmtesten Gebäude von außen zeigen, sondern ihnen auch interessante neue Perspektiven ermöglichen wollen.
Lässt sich so etwas denn auf die mittlerweile übliche Filmlänge von einer Minute und dreißig Sekunden „herunterbrechen“, wie das Journalisten nennen?
Natürlich. Da muss man sich als Architekt auch mal frei machen von der ewigen Rederei über jedes noch so kleine Detail. Wir können die Sehgewohnheiten der Menschen doch nicht einfach ignorieren. Glauben Sie mir: Mit ein paar gut ausgewählten Motiven lässt sich eine Menge aussagen und richtig neugierig auf Architektur machen.
Besteht da so ein enormer Handlungsbedarf?
Und wie: Nach einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach interessieren sich momentan nur sechs Prozent der Deutschen wirklich für die Gestaltung von Gebäuden und Orten, obwohl die meisten ständig davon umgeben sind. Das kann doch nicht wahr sein, dass unsere Kunst hinter allen anderen verschwindet! Ich möchte mit meinen Kollegen die Architektur wieder mehr an die Frau und den Mann bringen. Zehn oder am besten fünfzehn Prozent Interessierte sollten doch zu schaffen sein. Wir fangen in Hamburg jetzt damit an und drehen einen Film über das riesige Projekt City Süd im Stadtteil Hammerbrook. Das gehen wir zunächst von uns aus an und treten zugleich an Firmen heran, die unsere Arbeit für ihre Werbung und Öffentlichkeitsarbeit nutzen könnten. Und ich setze darauf, dass wir den passenden Mittelweg zwischen profan und hochtrabend finden.