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Zurück Bauen vor Abschluss

Früh übt sich

Als Student ein reales Projekt realisieren? Hochschüler zeigen, wie es geht.

01.01.20089 Min. Kommentar schreiben
Aufgereiht: Die Baupiloten der Berliner TU planen Umbauten von sozialen Einrichtungen für Kinder.

Nils Hille

„Für den Mülleimer sind die Projekte, die wir sonst in den Semestern machen“, sagt Guido Knörrnschild und meint dies nicht einmal böse. Der Innenarchitekturstudent der Fachhochschule Rosenheim will nur deutlich machen, dass der Praxisbezug während der Ausbildung schnell seine Grenzen findet. Das ist einerseits normal für einen theoretischen Bildungsrahmen, in dem sich die Hochschüler bewegen.

Andererseits birgt dies aber auch die Gefahr, ein falsches Bild von der späteren Arbeit vermittelt zu bekommen. Knörrnschild nutzt die vorlesungsfreie Zeit, um sich praktisch auszuprobieren. Neben seiner regelmäßigen Arbeit in einem Architekturbüro half jetzt auch der Zufall weiter. Mit seiner Kommilitonin Conny Svec entdeckte er einen Aushang an der Fachhochschule.

Hier wurden Studenten und junge Architekturbüros für einen Wettbewerb gesucht. Die Etap Hotels der Accor-Gruppe sollten für ihre Empfangsbereiche ein neues Raumkonzept mit hohem Wiedererkennungswert bekommen.

Perfekte Welle: Gefragt war ein kreatives wie stimmiges Farb- und Material­konzept.

Die Neugier der beiden war geweckt. Bei einer Präsentation in München wurde ihnen und den anderen Bewerbern der Ist-Zustand präsentiert, also die Innenarchitektur, mit der die Hotels momentan ihre Gäste begrüßen.

Rund zehn verschiedene Designs im Eingangsbereich gibt es. Mal blau, mal grün; eine einheitliche Optik fehlt. Hier wollten Svec und Knörrnschild ansetzen: Die beiden machten sich erst einmal getrennt voneinander Gedanken und probierten mit dem 3-D-Programm herum. Anhand des Logos und des Internetauftritts fragten sie sich, wie sich die Hotelkette präsentiert. Knörrnschild: „Wenn man genauer hinsieht, erkennt man eine geschwungene Form im Logo. Wir haben diese als ein durchgängiges Band in unser Konzept aufgenommen. Es läuft geschwungen durch den Raum und verbindet alle Funktionen wie Rezeption und Automaten miteinander.“

Immer im Hinterkopf hatten die beiden dabei auch die gesetzte Preisgrenze und die geforderte Robustheit aller Teile. Die Lobby der Ein-Stern-Hotels dient auch als Frühstücksraum, die Möbel sind also einer Dauerbelastung ausgesetzt.

Svec und Knörrnschild von der FH Rosenheim nutzten die 120 Quadratmeter ideal .

Mit Abstand die Besten

Vor allem der Wiedererkennungseffekt hat die Hotelgruppe überzeugt. Die beiden Rosenheimer Studenten erzielten den ersten Platz. Michael Mücke, Generaldirektor der Etap Hotels in Deutschland: „Am Entwurf der Gewinner hat uns die unverwechselbar starke Aussage des gelben Bandelements überzeugt, das sich durch den gesamten Cafeteria- und Empfangsbereich schlängelt, dem Gast Orientierung gibt und den Raum dynamisiert.“

Einen zweiten Platz sah die Jury unter den Bewerbern nicht. Auch keines der teilnehmenden jungen Architekturbüros, deren Wettbewerb parallel lief, konnte überzeugen. So funktionierte die ursprüngliche Idee nicht, dass die besten Studenten und das erstplatzierte Architekturbüro im Team weiter zusammenarbeiten. Doch eine Alternative war schnell gefunden: Svec und Knörrnschild konnten mit einem anderen Architekturbüro in München ihre Ideen ausarbeiten. Mittlerweile bestehen die Pläne nicht mehr nur auf dem Papier. Das Etap Hotel in Augsburg dient als Referenzobjekt – für eine neue Innenarchitektur und für die beiden Studenten.

Mit ihrem durchlaufenden Band verleihen sie dem Empfangsbereich einen dynamischen Stil.

Nicht nur wegen dieses Erfolgs sind sie froh, an dem Wettbewerb teilgenommen zu haben. Auch die gewünschte Erfahrung konnten sie sammeln, so Svec: „Die Herangehensweise im Vergleich zu Hochschulprojekten ist in der Realität eine andere. Da sagt man nicht einfach: ‚Hier lege ich ein Parkett‘, sondern denkt viel kritischer über die Materialauswahl nach. Auch das Thema Brandschutz spielt eine wichtige Rolle. Und dass man einen bestimmten Quadratmeterpreis nicht überschreiten darf.“ Ihrem Abschluss im nächsten Jahr sehen Svec und Knörrnschild ohne Angst entgegen. Beide haben Angebote von lokalen Architekturbüros für die Zeit nach dem Studium. Doch Knörrnschild könnte sich auch eine Arbeit in Südafrika vorstellen.

Direkt ins Ausland

Genau in diesem Land bauten jetzt Studenten der Hochschule Anhalt Dessau. Im Oktober 2006 hätte damit noch niemand gerechnet. Als normales Entwurfsprojekt gestartet, änderte sich allein die Nutzungsform des zu planenden Gebäudes mehrmals. Doch egal ob Kindergarten, Schule oder letztendlich eine Kinderbibliothek, eines war schließlich klar: Die Skizzen der Studenten würden später als Vorlage für einen realen Bau in Johannesburg dienen. Der Auftrag kam von SARCH, einem gemeinnützigen österreichischen Verein, der Einrichtungen für sozial benachteiligte Menschen baut und europäischen Studenten Einblicke in die architektonische Arbeit in Entwicklungsländern ermöglicht.

Beherbergt Bücher: Die Kinderbibliothek in Johannesburg

Bei den Dessauern ging dann alles ziemlich schnell. Vier Studentengruppen entwickelten Vorschläge für die Bücherei, am Ende wurde eine ausgewählt. Gemeinsam mit den angehenden Facility-Managern der Hochschule ging es an die ­Realisierung. Ein Voraustrupp erstellte das Aufmaß, recherchierte die Preise in den örtlichen Baumärkten und foto­grafierte das Grundstück. Nach und nach reisten alle 22 Studenten nach Johannesburg und lernten die Gegebenheiten des anderen Landes kennen, erzählt Sebastian Opp, einer der beteiligten Architekturstudenten: „Es läuft dort nicht so geordnet ab wie bei uns. Lieferdaten und Qualitäten des Materials sind nicht zu vergleichen. Da mussten wir besonders sorgfältig planen.“

Knappe zweieinhalb Monate bauten die Studenten das, was sie vorher geplant hatten – selbst, Stein auf Stein. Sie engagierten keine zusätzlichen Maurer, Schreiner oder Elektriker. Da die meisten Hochschüler erst nach einer handwerklichen Ausbildung ihr Studium begonnen hatten, konnten alle Aufgaben unter ihnen verteilt werden. Schwierigkeiten gab es dabei nur selten, sagt der gelernte Elektriker Opp: „Jeder wusste, was er zu tun hatte. Wir haben sogar eine komplette Sanitäranlage mit Sickergrube und zwei Zisternen bauen können.“ Doch nicht alles war vorher fest geplant. Das Farbkonzept wurde vor Ort entschieden, auch die Einbruchssicherung konzipierten die Studenten erst während des Baus.

Das farbenfrohe Gebäude besteht aus drei Flügeln, die einen verschatteten Innenhof umschließen.

Deutliche Unterschiede

Wenn Opp die Projektarbeit mit dem Hochschulalltag vergleicht, stellt auch er große Abweichungen fest: „Sonst fehlt der Bezug zur Praxis. Nicht der Alltag, der einen als Architekten erwartet, steht im Mittelpunkt der Hochschulausbildung, sondern vor allem das künstlicherisch Kreative. Kalkulationen und Ausschreibungen werden nicht intensiv genug bearbeitet. Und wie es später wirklich läuft, sehe ich sonst das erste Mal, wenn ich im Architekturbüro bin.“ Umso mehr ist er für die ungewöhnliche Erfahrung dankbar, die es erst einmal in die festen Abläufe der Hochschule einzubinden galt: „Es ist nicht einfach, solche Projekte parallel zum Studium zu stemmen. Das Pensum eines Semesters wollte ich erfüllen, da die Prüfungen nur einmal im Jahr angeboten werden. Und die Regelstudienzeit liegt bei nur acht Semestern.“

Im kommenden Sommer wird Sebastian Opp sein Diplom machen. Er hofft, in einem Architekturbüro einen Einstieg zu finden, bleibt aber beim Blick in die Zukunft „ruhig und gelassen“. Er ist bereit, auch ins Ausland zu gehen, aber eher nicht nach Südafrika. Vor allem Österreich und die Schweiz würden ihn reizen. Opp: „Man muss flexibel sein, dann bekommt man auch eine Stelle. Der Gedanke, ein eigenes Büro zu eröffnen, ist natürlich da, aber das ist Zukunftsmusik.“

Im Inneren befinden sich ein Unterrichts- sowie ein Leseraum, ein Büro und sanitäre Anlagen.

Flugstunden

Sie verstehen sich als eigenes Architekturbüro, obwohl sie noch Studenten sind: Die „Baupiloten“ der Technischen Universität Berlin realisieren regelmäßig Bauvorhaben unter realen Bedingungen. Das Augenmerk des Studienreformprojekts, das den Hochschülern auch als Praxisphase angerechnet wird, liegt dabei auf Einrichtungen für Kinder. So haben sie seit dem Start im Sommer 2003 vor allem Schulen und Kindertagesstätten umgebaut. Am Anfang mussten sie noch selbst Aufträge akquirieren, mittlerweile werden die Baupiloten direkt von meist sozialen Trägern angesprochen. Finanziert werden die Veränderungen durch Gelder der Schule und mithilfe europäischer Töpfe. Architektin Susanne Hofmann, Leiterin des Projektes: „Wir bekommen das übliche Honorar für unsere Leistungen. Aber wir investieren mehr Zeit und Personal, als es sich ein normales Architekturbüro leisten könnte. Das Geld fließt dabei nicht auf die Konten der Studenten, sondern in unser Hochschulprojekt.“

Doch nicht jeder kann Baupilot werden. Für das letzte Projekt hatten sich 60 Hochschüler per E-Mail beworben, 18 wurden ausgewählt. Hofmann: „Ich muss erkennen können, was sie mit ihrer Arbeit aussagen wollen. Die Qualität spielt dabei eine untergeordnete Rolle.“ Ein Projekt soll idealerweise genau über zwei Semester laufen. Durch die aufwendigen Arbeiten konnten die Baupiloten diesen Zeitrahmen aber erst einmal nicht einhalten.

Nicht die mangelnde Erfahrung, sondern ehrgeizige Ziele erfordern diese Zeit. Denn die Studenten sollen nicht nur planen und den Bauprozess betreuen. Die zukünftigen Nutzer, sprich die Kinder, partizipieren zu lassen, ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Der Nachwuchs macht davon regen Gebrauch – von Anfang an: Die Baupiloten stellen ihre Ideen der kritischen Kinderschar vor. Nur wer dabei den Fragen standhält, kann seine Ideen so wie geplant realisieren. Sonst muss nachgebessert werden.

Viel zu bunt

Der ein oder andere Student musste dadurch schon viel Kritik einstecken: Reflektierende Materialien, die das gesamte Farbspektrum darstellen, fanden die Baupiloten ideal für die Kinder der Erika-Mann-Grundschule in Berlin-Wedding. Doch die lehnten diese Idee kurzerhand ab. Sie wollten lieber einfarbige Werkstoffe.

Pippi Langstrumpfs Welt: Aus einer als Provisorium errichteten Baracke schufen die Baupiloten das Taka-­Tuka-Land. Gruppen­übergreifende Räume und eine bespielbare Fassade sind nach Astrid Lindgrens Geschichte entstanden.

Nach Lob und der Auszeichnung eines ersten Teils der Schule verändern die Baupiloten nun einen zweiten Flügel. Durch die Umstellung auf den Betrieb als Ganztagsschule entwickelt sich dort ein Teil der Lehre vom Frontalen zum Dezentralen. So galt es auch, zwei Freizeiträume zu schaffen, erklärt Baupilot Wojciech Wojakowski: „Wir haben darin eine Sitzlandschaft gebaut, die Lesemöglichkeiten bietet. Zusätzlich konnten wir in unserer Arbeit den Flur mit einbeziehen.“ Hier konstruierten die Baupiloten eine flexible „Ausstellungsfläche“ für die Kinder.

Durch eine Anordnung von Spiegeln kann der Nachwuchs dort immer wieder neu gemalte oder gebastelte Kunstwerke außergewöhnlich präsentieren, und in diesem Fall sogar dauerhaft partizipieren. Hofmann: „Wir erfinden hier nicht irgendwas, was in der Realität des Architektenalltags keinen Platz fände. Die Studenten sollen ihren Stil nicht aus dem Durchblättern der Architekturzeitschriften zusammenstellen, sondern selbst entwickeln. Bis ins Detail zu gehen und sich so wirklich mit der Architektur auseinanderzusetzen, ist die Basis dafür.“

Die Studenten erleben dabei nicht nur alle Leistungsphasen. Auch die Präsentation der fertigen Projekte nach außen steht auf dem Lehrplan. Baupilotin Lena Fischer: „Ein Architekt muss wissen, wie er sein Projekt adäquat darstellen kann. Wir sind auf die Öffentlichkeit angewiesen und müssen sie als Teil unserer Arbeit sehen.“ Das Rundumpaket kommt an, selbst ohne die überzeugenden Quoten von Leiterin Hofmann: „Alle Baupiloten, die mittlerweile ihren Abschluss in der Tasche haben, haben gute Jobs bekommen.“

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