Eine Couch sucht man hier vergebens. Weder bei Claudia Fend in Düsseldorf noch bei Luitgard Gasser in Aachen steht dieses Sinnbild-Möbelstück für Seelengespräche. Und das aus gutem Grund. Die beiden Innenarchitektinnen beschäftigen sich zwar mittlerweile verstärkt oder ausschließlich mit der Gefühlssituation anderer Menschen, unter ihnen viele Planer. Trotzdem grenzen sie sich klar von Psychologen und Psychiatern ab. „Ich biete keine Therapie an, sondern eine Beratung“, betont Gasser, gerade weil ihre Ausbildung zur sogenannten Gestalttherapeutin den Laien leicht etwas anderes vermuten lässt.
Claudia Fend, die in Familien- und Organisationsaufstellung ausgebildet ist, spricht schon von Therapie. Doch auch bei ihr laufen die Gespräche nicht im Liegen, sondern im Sitzen oder Stehen ab, also immer auf Augenhöhe. Beide suchen als unbeteiligte Person gemeinsam mit ihren Klienten neue Wege, wenn es bei der Arbeit oder im Privatleben einmal nicht so läuft.
Ein großzügiges, lichtdurchflutetes Dachgeschoss in Aachen und ein ebensolches Fabrikgebäude in einem Düsseldorfer Hinterhof bieten dafür die Räume. Oft helfen gerade diese neutralen vier Wände, um mit etwas Abstand über die eigene Situation sprechen zu können. Gasser bittet daher all ihre Klienten zu sich. Fend besucht teilweise die Architekturbüros auch vor Ort, vor allem wenn es um eine Supervision geht. Bei dem von ihr begleiteten Teamgespräch können alle Mitarbeiter über Konflikte sprechen.
Berater aus der Branche
Ob Probleme mit Kollegen, Bauherren oder Dienstleistern, der Mangel an Zeit oder an Aufträgen: Für alles das, was Architekten belastet, haben Fend und Gasser ein offenes Ohr. Wenn sie mit ihren Klienten sprechen und gemeinsam Lösungen suchen, sind sie bestens im Bilde. Denn sie kennen die Probleme aus der eigenen Berufspraxis.
Claudia Fend hat nach ihrer Tischlerlehre Architektur und Innenarchitektur studiert. Zunächst arbeitete sie freiberuflich für verschiedene Büros. „Doch dabei habe ich immer überlegt, was ich noch machen kann.“ Ihren Studienplatz in Psychologie, den sie parallel zum Architekturstudium bekommen hatte, konnte sie zeitgleich nicht wahrnehmen. „Trotzdem habe ich mich immer wieder mit solchen Themen beschäftigt.“ Sie belegt zahlreiche Kurse und absolviert eine Ausbildung in Familien- und Organisationsaufstellung sowie ein Therapeutentraining für „spirituelle Therapie“.
Vor fünf Jahren gründet Fend schließlich „Hellblau“, definiert als „Raum für persönliche Weiterentwicklung, Spiritualität und Kreativität“ in Düsseldorf. Mit ihm bringt sie nach zwei Jahrzehnten die beiden Wege zusammen, die bisher parallel verliefen: die Architektur und die Beratung. „Es geht eigentlich immer wieder um die Beschäftigung mit Räumen – einmal sind es die gebauten, ein anderes Mal sind es die gedanklichen. Beide können Freude bereiten oder zu sehr einschränken“, sagt Fend. Bei allen Beratungen konzipiert sie von innen nach außen: Welche Probleme hat der Klient? Und wie muss er deshalb seine (Lebens-)Räume umgestalten, damit er sich darin wiederfindet – und sich somit wieder wohlfühlt?
Doch nur weil Fend jetzt in zwei Fachrichtungen Menschen berät, bringt sie nicht beides durcheinander. „Wenn jemand ein Haus kaufen will und meine Beratung dabei möchte, bleibe ich Architektin und werde nicht ungefragt zur Therapeutin.“ Andersherum stellt sie aber immer wieder fest, dass ein psychisches Unwohlsein auch daher kommen kann, dass die Räume, in denen der Klient arbeitet oder seine Freizeit verbringt, nicht zu ihm passen: „Hier können schon ein Umzug oder eine Umgestaltung mögliche Problemlöser sein.“
Hellwach, wenn es um Menschen geht
Luitgard Gasser zieht diese Grenze noch schärfer. Wenn sie mit ihren Klienten auf solche Umbaulösungen kommt, bietet sie heute nie mehr ihre eigene architektonische Hilfe an. „Ich gebe Anfragen dieser Art mittlerweile immer an Aachener Kollegen weiter, die sich darüber freuen“, sagt die Innenarchitektin.
Nach ihrem Studium arbeitete Gasser zunächst für ein großes Unternehmen in Frankreich. Hier plante sie zum Beispiel die Einrichtungen von Großflughäfen mit Stahlrohrmöbeln. Zurück in Deutschland, baut sie unter anderem Hotels in Aachen. „Doch es war nicht befriedigend für mich. Die vielen Sitzungen haben mich irgendwann nur noch ermüdet. Erst als es um die persönlichen Aussagen von Menschen ging, war ich wieder hellwach“, erinnert sie sich. Gasser sucht nach etwas Neuem und entdeckt schließlich die Gestalttherapie – eine Beratungsform für Menschen, die mit ihrem bisherigen Verhalten nicht erreichen, was sie eigentlich wollen. Solche Konflikte waren ihr von der Baustelle sehr bekannt: „Es liegt meist nicht an irgendwelchen bautechnischen, sondern an zwischenmenschlichen Problemen.“
Den ersten Workshop zu dem Thema absolviert Gasser im Jahr 1987. Schließlich folgt eine fünfjährige Ausbildung zur Gestalttherapeutin. Nach und nach konzentriert sie sich immer mehr auf diesen Bereich, bis sie sich dafür entscheidet, nur noch als Beraterin zu arbeiten. „Es war schon ein Gang wie auf dem Schwebebalken, bei dem ich nicht rechts oder links abstürzen wollte. Doch es hat geklappt“, sagt sie rückblickend.
Wenn Gasser in ihrer Beratung auf Planer trifft, dann stößt sie immer wieder auf die gleichen Probleme: „Viele Architekten denken: Nur wenn sie jeden Auftrag annehmen und ihr Privatleben völlig dafür aufgeben, können sie erfolgreich arbeiten. Das stimmt aber nicht.“ Oft hilft es dem Architekten, seine eigenen Grenzen zu erkennen. Er kann zum Beispiel den Bauherren-Typ für sich definieren, mit dem er immer wieder aneinanderstößt – und zukünftig auf die Zusammenarbeit mit solchen Kunden verzichten. Das entlastet ihn zeitlich und gedanklich oft so sehr, dass er wieder offen für neue Ideen und bessere Kunden ist.
Egal ob Luitgard Gasser in Aachen oder Claudia Fend in Düsseldorf: Bei der Suche nach neuen Blickwinkeln entscheidet immer der Klient, wie regelmäßig und wie lange er die Beratung in Anspruch nimmt. Es gibt keine Verpflichtung zu einer festen Stundenanzahl. „Nur wer freiwillig zum Gespräch kommt, wird auch etwas in seinem Leben verändern“, sagt Fend. Und Gasser erklärt: „Meist ist der erste Schritt der schwierigste. Dann merken die Klienten: Ich gewinne nur dazu, verlieren kann ich nichts.“