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Zurück Schwerpunkt: Gefahr

Sicherheit auf der Achterbahn

Das ständige Auf und Ab der Aufträge kann Architekturbüros in Existenznot bringen, lässt sich aber abfedern

26.08.20148 Min. Kommentar schreiben

Text: Nils Hille

Als es mit dem Büro bergab ging, war dies alles andere als ein sanfter Fall. Der Sturz in die Tiefe wurde immer und immer schneller und schien kaum aufzuhalten. Bis vor wenigen Monaten war es allen gut gegangen – den Mit­arbeitern, dem Chef und dem Büro. Doch nach dem Großauftrag, für den der Inhaber extra einige neue Kollegen eingestellt hatte, kamen nur kleine Jobs. Das Ergebnis: hohe Ausgaben bei geringen Einnahmen.

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Arno Popert (Bild), Hans-Joachim Schulten und Erwien Wachter beraten seit Jahrzehnten Planer in der Büroführung.

Schließlich bat der Büroinhaber die Eisenschmidt Consulting Crew aus Kiel um ein Organisationsprojekt. Ihr Berater Hans-Joachim Schulten sah mit der nötigen Distanz von außen auf die Büro-Situation. Bisher waren Mitarbeiter-Stundensätze nicht bekannt und die Zeiterfassung unvollständig gewesen. Nun führte Schulten gemeinsam mit dem Inhaber eine neue Einsatzplanung ein. Diese zeigte dem Chef erstmals schwarz auf weiß, dass er die Mitarbeiterkapazitäten in absehbarer Zeit nicht mehr auslasten konnte. Eine Trennung von einigen Kollegen war zur Rettung des Büros leider alternativlos. Die Gefahr, dass das Büro wieder in eine solche Situation gerät, konnten sie mit dieser strukturierten Herangehensweise aber deutlich verringern.

Natürlich ist jedes Büro anders, natürlich sind Entlassungen häufig nicht der richtige Weg und natürlich können Berater nicht in jeder Situation Wirtschafts-Wunder vollbringen. Aber dieses Beispiel zeigt, wie ein Blick von außen eine neue Perspektive schaffen kann. Neben dem Kieler Schulten zählen unter anderem auch Arno Popert aus Lübeck und Erwien Wachter aus München zu diesen Perspektivgebern. Jeder von ihnen hat schon zahlreiche, teilweise etliche Hundert Büros dabei unterstützt, nicht mehr mit der ständigen Furcht vor einem wirtschaftlichen Kollaps leben zu müssen. Dabei verkauft sich keiner der drei Berater als Büro-Wunderheiler. Im Gegenteil: Alle sagen auch frei heraus, dass es manchmal in der Not einfach kein passendes Mittel mehr gibt. Doch dank langjähriger Branchenerfahrung können sie zahlreiche grundsätzliche Tipps geben – hier ihre acht besten:

1. Experten-Netzwerk bilden

Rund 700 durchgeführte Beratungen und 40 Jahre Selbstständigkeit haben Erwien Wachter eines gelehrt: „Lösen Sie sich vom Alleingang. Sie benötigen ein gutes Netzwerk, das nicht nur aus Architekten besteht, sondern aus allen am Bau beteiligten Planern und ausführenden Betrieben.“ Es reiche nicht mehr aus, sich auf seinen Hochschulabschluss zu berufen und diesen als Legitimation zu sehen, alle Bauaufgaben allein zu bewältigen. „Architekten müssen heute interaktiv denken und mit Planern anderer Schwerpunkte kooperieren, sodass für sie daraus ein Wissens-Netzwerk entsteht. Sonst rennen sie nur noch hinter den immer neuen Vorgaben her, um jede Anforderung in jedem Bereich zu beherrschen – und scheitern doch.“

2. Akquise auch in guten Zeiten

Neben der Vernetzung gehöre auch die eigene Überwindung zu den Hausaufgaben für Planer, meint Schulten. Viele Architekten täten sich vor allem mit dem aktiven Verkaufen schwer. Sie würden lieber gefragt werden, statt einem Auftraggeber „hinterherzulaufen“. Doch dieses Vorgehen berge eine große Gefahr, warnt der Berater: „Wenn einmal ein größeres Projekt startet, ist die Versuchung groß, die Kontaktpflege und die Akquise zu vernachlässigen. Das ‚Erwachen‘ kommt mit dem Projektende, wenn dem Architekten bewusst wird, dass die Auslastung nur noch für kurze Zeit gegeben ist.“ Dann steigt der Druck und sinkt die Stimmung. Schulte: „Sie sollten einfach kontinuierlich Akquise betreiben, sprich: ihre Netzwerke pflegen, an potenziellen Kunden ‚dranbleiben‘ und an Ausschreibungen teilnehmen.“ Büroinhaber sollten für solche Aufgaben einen festen Zeitrahmen pro Woche definieren und daran festhalten – ohne Ausnahmen, die sonst schnell zur Regel werden.

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Hans-Joachim Schulten

3. Leistungsphase 9 als Chance sehen

Viele Planer machen wegen des ungewissen Aufwands einen größtmöglichen Bogen um Leistungsphase 9 der HOAI. Schulten sieht sie dagegen als Möglichkeit der honorierten Beschäftigung: „Sie läuft über einen längeren Zeitraum und gleichzeitig besteht die Gelegenheit, in Kontakt mit dem Auftraggeber zu bleiben und neue Auftragspotenziale zu erkennen.“ Zudem könne der Planer sein Gebäude im laufenden Betrieb „erleben“ und erkennen, welche seiner Lösungen sich in der Praxis bewähren und welche eher nicht. Das schafft zukünftig einen Wissensvorteil.

4. Deadline klar definieren

Planungscoach Arno Popert vergleicht die Aufgabe, die künftige Auftragsentwicklung treffend einzuschätzen, mit dem Handeln von Aktien. Die größte Herausforderung sei es, dabei zu erkennen, ob es sich um ein normales Auf und Ab handele oder bereits um eine bedenkliche Situation: „Wie beim Spekulieren an der Börse ist es in der Führung eines Büros sehr hilfreich, genau seine Grenzen zu kennen. Inhaber sollten eine klare Deadline definieren, ab wann es so nicht mehr weitergehen kann.“ Um dann auch wirklich die Reißleine zu ziehen, sei es hilfreich, dafür schon vorher einen Plan festzulegen. Popert empfiehlt: „Fragen Sie sich hier: Was genau werde ich tun, wenn die Deadline erreicht ist? Zum Beispiel die Bürofläche verkleinern, die Stunden von freiberuflichen Mitarbeitern reduzieren, fest angestellte Mitarbeiter entlassen oder sich selbst eine nebenberufliche Festanstellung suchen.“ Das klinge erst einmal nüchtern und hart, es seien aber konsequente Schritte, die letztlich das Überleben des Büros sichern könnten.

5. In Krisen neue Potenziale entdecken und nutzen

Gerade wenn ein Büro Dürrezeiten erlebt, haben Inhaber und Team auch mal Zeit, neue Wege einzuschlagen. Nach dem Motto „Versuch macht klug“ empfiehlt Erwien Wachter, den eigenen Horizont zu erweitern und dafür selbst aktiv zu werden: „Gehen Sie doch mal von sich aus in Gemeinden, ermitteln Sie die städteplanerischen und baulichen Defizite und erschließen Sie Lösungsmöglichkeiten.“ Dieser „Denkwert“ lasse sich häufiger als gedacht vermitteln und verkaufen – an Bürgermeister, Baudezernenten oder Landräte. Zumindest ein Vortrags-Job springe dabei schnell mal heraus und damit auch neue Kontakte sowie Bekanntheit in der Gemeinde. „Es ist ungewohnt, dass Architekten auf dieser Ebene handeln – aber gleichzeitig bietet sich eine große Chance für sie“, sagt Wachter.

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Erwien Wachter

6. Jahreszeitkonto statt Überstunden ohne Ende

Eine weitere Chance, wirtschaftliche Talfahrten zu vermeiden, sieht Hans-Joachim Schulten im Hinterfragen traditioneller Arbeitsmodelle: Macht es wirklich Sinn, dass jeder Mitarbeiter jede Woche 40 Stunden oder mehr arbeitet? „Nein“, sagt der Berater und empfiehlt stattdessen, „Mitarbeiter grundsätzlich für geleistete Arbeit und nicht für reine Anwesenheit zu bezahlen“. Büroinhaber sollten ein konsequentes Controlling betreiben, gestützt auf eine genaue Zeiterfassung. „In Hochphasen können die Mitarbeiter dann über ihre Zeitkonten Überstunden aufbauen, die sie in schwachen Phasen wieder abbauen.“ Anders herum funktioniere dies auch, so Schulten: In schwachen Phasen können Minusstunden angesammelt werden, die dann über die Überstunden in Hochphasen abgebaut werden. „Dazu bedarf es aber der Konsequenz, bei geringer Auslastung auch tatsächlich nicht ins Büro zu kommen und in den Minusstundenbereich zu gehen. Hierzu sind sowohl eine konsequente Führung als auch die Ehrlichkeit der Mitarbeiter gefordert.“

7. Mitarbeiter-Pool für Büro-Verbund

Erwien Wachter geht mit seiner Vorstellung eines modernen Arbeitsmodells noch einen deutlichen Schritt weiter. Er empfiehlt das, was er selbst seit Jahrzehnten als Büroinhaber praktiziert, sprich, „ständige Verpflichtungen auflösen und ein neues Selbstverständnis schaffen“. Das heißt konkret: Nur wenige feste Mitarbeiter zu beschäftigen und dafür gemeinsam mit sechs bis acht Inhabern anderer Büros einen „Pool“ von freien Planern mit unterschiedlichen Schwerpunkten aufzubauen. Allein scheitert so ein Modell häufig, da die Spezialisten nur ab und zu benötigt werden und sich dann schnell größere Büros suchen, in denen sie häufiger bis ständig beschäftigt werden. Im „lockeren Verbund“ sieht das schon anders aus. Hier gibt es sechs bis acht Chefs, die sie, je nach aktuellem Bedarf, für Projekte beauftragen. Das gibt den freien Mitarbeitern mehr Planungs- und Verdienstsicherheit sowie inhaltliche Abwechslung. Trotzdem haben sie auch eine gewisse Mitverantwortung zu tragen, die sich positiv auf ihre Arbeitsbereitschaft auswirken kann.

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8. Fair mit Mitarbeitern kommunizieren

Egal ob feste oder regelmäßig frei beschäftigte Mitarbeiter: Büroinhaber sollten mit allen offen kommunizieren, rät Arno Popert. Auch hier gilt es aber, zwischen einem harmlosen Bergab und einer größeren Talfahrt zu differenzieren: „Mitarbeiter sind sehr sensibel, was die Stimmungslage ihrer Chefs betrifft. Diese sollten sie nicht an allen Zweifeln und Sorgen eins zu eins teilhaben lassen – das schafft nur Verunsicherung. Aber gezielte Informationen über den Stand der Dinge sind fair.“ Besonders wenn Einsparungen von Personalkosten unumgänglich werden, sollten Chefs möglichst frühzeitig darüber sprechen. So haben die Beschäftigten Zeit, sich etwas Neues zu suchen. Doch in solch schwierigen Situationen hat Popert auch gute Erfahrungen sammeln können: „Viele jüngere Mitarbeiter sind oft erstaunlich flexibel. Die sogenannte Generation Y hat andere Ziele als nur Einkommen und Karriere. Sinnvolle Projekte und eine ausgeglichene Work-Life-Balance stehen wieder mehr im Vordergrund.“ So sieht der Berater gute Chancen, eine Mitarbeiterbindung durch flexible Arbeitsmodelle zu schaffen.


Mehr Informationen

Hier erklärt Coach Arno Popert, welche drei Phasen Menschen bei plötzlichen, aber auch bei allmählichen Veränderungen durchlaufen – und wieso es Sinn macht, diese sich vorab bewusst zu machen.

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