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Gefragte Besser-Wisser

Wer selbst Kollegen beraten will, braucht Erfahrung, Zusatzkenntnisse und ein Gespür für Trends.

01.04.20095 Min. Kommentar schreiben

Michael Sudahl

Wer als Architekt selbst Berater werden will, sollte eigene Erfahrungen als Planer vorweisen und vor allem eine Nische finden. Aufträge erhält man als Einsteiger am ehesten über Kammern, Verbände, Verlage, Kollegen und Hochschulen, später auch zunehmend über Empfehlungen. Wer als Berater Nutzen stiften will, muss dem klassischen Architekten gedanklich mindestens einen Schritt voraus sein. Erfolgreiche Berater haben zudem einen Riecher für Probleme und Trends, und sie denken in Prozessen. Sie zerlegen Büros gedanklich in Einzelthemen, zum Beispiel Marketing, Mit­arbeiterführung, EDV oder Honorierung. Hier reagieren sie frühzeitig auf Veränderungen (von außen) oder Krisen (von innen). So bleibt der Gestaltungsspielraum des Klienten möglichst groß. Vier Branchenbeispiele zeigen, wie es geht.

Rainer Eich: „Immer wieder büßen Kollegen große Teile ihres Honoraranspruchs ein, da sie von Werksvertrags- und Preisrecht wenig Kenntnis haben.“

Rainer Eich ist wohl einer der erfahrensten Architektenberater in Deutschland. Der 69-Jährige berichtet gerne, wie er auf diesen Weg fand: „Ein bauernschlauer Bürgermeister wollte mich vor 29 Jahren um mein Honorar prellen.“ Dem damals jungen und unerfahrenen Architekten, der nebenbei einige Semester Jura studiert hatte, wurde ein Auftrag entzogen. Statt das fällige Ausfallhonorar zu zahlen, vertröstete ihn der Bürgermeister auf mögliche Folgeaufträge. Mit dem Gefühl, wie ein „dummer Junge“ behandelt worden zu sein, wandte sich Eich an die Stuttgarter Architektenkammer.

Da wurde ihm zweifach geholfen: Er bekam Rat für seinen Fall und eine neue Richtung für seine Arbeit. Ein Jahr später war Eich Kammerreferent für Honorar- und -Vertragswesen.Bald darauf bestellte und vereidigte ihn die IHK als Sachverständigen für Architektenhonorare.Und so wurde er Vorsitzender des HOAI-Ausschusses der Bundesarchitektenkammer. 18 Jahre hatte er diese Ämter inne. Seit 1982 arbeitete Eich an der Novellierung der HOAI mit. „Ich kenne jedes Komma der Verordnung“, sagt er.

Und er führt präzise Buch: Bis heute schrieb Eich 838 Gutachten für 137 Gerichte, sieben Fachbücher und leistete 2 176 Architekten Hilfestellung. „Immer wieder treffe ich auf Kollegen, die große Teile ihres Honoraranspruchs einbüßen, da sie von Werksvertrags- und Preisrecht wenig Kenntnis haben“, berichtet er. Zur Jahrtausendwende wickelte er sein 25-Mann-Büro, das rund 700 Bauten erstellt hatte, bis auf zwei Juristen und sechs Sachverständige ab, um fortan nur noch als HOAI-Spezialist zu arbeiten. Das Geschäft blüht: Eich sucht für seine Büros in Berlin und Göppingen einen weiteren Mitarbeiter.

Werner Preißing: Der gelernte Volkswirt und ­Architekt hat schon mehr als 3 000 Büros beraten.

Werner Preißing gehört ebenfalls zur ­verdienten Garde der Architektenberater. Er schreibt sich auf die Fahne, in 30 Jahren mehr als 3 000 Büros strukturiert, saniert und am Markt positioniert zu haben. Der 61-jährige gebürtige Rosenheimer und Wahl-Mainzer studierte in Stuttgart Architektur, ehe er 1982 ein Büro für Innovationsforschung gründete. Sein Weg in die Beratung gleicht dem von Eich: Beide kombinierten jeweils die Architektur mit ­einem zweiten Studienfach und spezialisierten sich als Dienstleister.

Preißing studierte zusätzlich VWL und arbeitete in der EDV-Branche. Er selbst konnte logisch  analysieren; viele Kollegen hatten betriebswirtschaftliche Schwächen – damit war sein Beratungsmarkt definiert. Als Systemanalytiker ermittelt Preißing Bürowerte und Fusionsmodelle oder kümmert sich um Nachfolgeregelungen. Seine eigene Nachfolge regelte er schon vor Jahren: Er gründete die Preißing AG. Sein Sohn Andreas, Bauzeichner und Betriebswirt, ist dort seit Jahresbeginn zweiter Vorsitzender.

Gut von den Aufträgen leben kann das Duo mit seinen fünf Mitarbeitern auch deshalb, weil es zudem andere Branchen erreicht: Steuerberater, Werbeagenturen und Ingenieurbüros nutzen Preißings Know-how.

Edgar Haupt: Experte für Marktpositionierung, Nachfolgefragen und Teamentwicklung

Der 50-jährige Edgar Haupt berät seit fünf Jahren als Marketingexperte und Coach. Beim Etablieren im Markt half ihm sein Buch „Marketing und Kommunikation für Architekten“, das er mitherausgibt und an dem er mitgeschrieben hat. Um als Partner auf Augenhöhe anerkannt zu werden – als solcher versteht sich Haupt –, ist Stallgeruch wichtig, meint er.

Seine Dienstleistung nehmen vor allem Inhaber kleinerer Büros in Anspruch, die ohne Partner arbeiten. Haupt gilt als Netzwerker. Nach seinem Studium absolvierte er einen Zertifikatslehrgang Marketing bei der IHK Köln, und schrieb zugleich als freier Autor für die Frankfurter Allgemeine Zeitung sowie mehrere Architekturzeitschriften, vorwiegend über Bauthemen, und lehrte Kommunikation für Architekten in Karlsruhe und Düsseldorf.All diese Stränge ­verknüpft Haupt heute: Marktpositionierung gehört ebenso zu seinem Portfolio wie Nachfolgefragen oder Teamentwicklungen. 15 Langzeitberatungen und fünf Hochschulprojekte jährlich leistet er.

Seine bisher spannendste Aufgabe war die Strategieentwicklung für einen Landschaftsarchitekten: Das seit 50 Jahren bestehende Bonner Büro übernahm ein anderes aus Hamburg; in den folgenden Jahren schieden drei der vier Partner aus. Mit dem verbliebenen Inhaber galt es, alte Kunden, wie etwa eine Bauträgergesellschaft, zu halten und neue Aufträge zu generieren – etwa durch den Wettbewerbsgewinn für eine Bundesgartenschau. Beides gelang, weil Haupts Kommunikationsidee fruchtete: Um Kunden zu binden, initiierte er eine Ausstellung zu Tradition und Zukunft des Büros und legte eine Gartenbaufibel auf.

Rolf Neddermann und Team: Der Professor berät im Nebenberuf, vor allem zu Altbaukosten.

Auch Rolf Neddermann will als Berater Bodenhaftung behalten. „Wir brauchen Mörtel­dreck an den Schuhen“, sagt der 53-jährige Konstanzer Professor, für den die Beratung von Kollegen ein Zusatzgeschäft ist. Er will es zwar ausbauen, doch Bauleitung, Kontakt zu Bauherren und Handwerkern deshalb nicht verlieren. Nach dem Studium in Stuttgart arbeitet Neddermann seit 20 Jahren als freier Architekt hauptsächlich für die öffentliche Hand und pflegt daneben Spezialgebiete: Für Kostenermittlung im Altbau gilt er als Experte.

Weil nicht erst seit der Finanzkrise Gelder und Budgets knapp werden, ist sein Wissen bei Konzernen und Kommunen gefragt – aber auch bei Kollegen. „Denn selten geben Hochschulen jungen Absolventen Werkzeuge an die Hand, mit denen sie geplante Baukörper kostentechnisch im Griff haben“, sagt Neddermann. Besonders wenn es um Altbauten gehe, sei Literatur Mangelware. Sein Fachbuch „Kostenermittlung im Altbau“ verkaufte sich bisher mehr als 7 000 Mal.

Michael Sudahl ist freier Wirtschaftsjournalist in Stuttgart.

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