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„Geste der Verständigung“

Meinhard von Gerkan über die Arbeit von gmp in Vietnam und die Kritik daran.

01.08.20086 Min. Kommentar schreiben

Interview: Nils Hille

Herr von Gerkan, von wem würden Sie einen Auftrag grundsätzlich ablehnen?

Es kommt immer auf die Bauaufgabe selbst an und für wen sie bestimmt ist. In Deutschland habe ich nur eine christliche Kirche gebaut, in China drei. Unsere Sport- und Ausstellungsbauten sind für die Menschen des Landes. Nur wenn Bauten einem machtbeanspruchenden Zweck dienen sollten oder wenn bestimmte gebieterische Vorstellungen des Bauherren oder des Staates darzustellen wären, dann würde ich es ablehnen. Das ist aber bei unseren Projekten nicht der Fall. Internationale Jurys befinden über die Wettbewerbsergebnisse und treffen die Auswahl, Repressionen gibt es nicht.

Das nationale Konferenzzentrum in Hanoi nach einem Entwurf von Meinhard von Gerkan und Nikolaus Goetze.

Sie haben zu den Vorwürfen, dass Sie in Vietnam bauen, im „Spiegel“ geschrieben, es „müssten dieselben Gründe konsequenterweise sämtliche Handelsbeziehungen zwischen dem Westen und Staaten wie China oder Vietnam verhindern.“

Ja! Wieso man Unterschiede macht zwischen dem Architekten, der ein Nationalmuseum baut, und den drei bedeutendsten deutschen Museen, die darin immerhin 3 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche besitzen, verstehe ich nicht. Das eine ist anrüchig und das andere wird begrüßt. Da klafft eine Lücke der Logik. Alle haben applaudiert, als die New Yorker Philharmoniker in Pjöngjang und Peking gespielt haben. Das wird als eine Geste der Völkerverständigung und des Aufeinanderzugehens verstanden. Nichts anderes ist die Architektur, sie ist nur noch nachhaltiger und bleibender als ein Konzert.

Es hängt wohl damit zusammen, dass die deutsche Vergangenheit im starken Maße mit dem Anspruch der Nationalsozialisten behaftet ist, Architektur dazu zu benutzen, um ihre Machtgebärden zu repräsentieren – mit Aufmarschplätzen, mit großen Repräsentationsbauten, die weit über den Nutzungszwecke hinaus nur noch den Sinn hatten, Macht zu demonstrieren.

Was fällt Ihnen als erster Gedanke zu Vietnam ein?

Natürlich der lange Krieg, die Leiden des Volkes und die Tatsache, dass das Land die Weltnation USA faktisch besiegt hat. Das löst ein hohes Maß an Respekt aus, denn es war Selbstverteidigung. Das Land ist heute noch davon geprägt. Ich habe selber einen langjährigen Mitarbeiter, der seinerzeit aus Vietnam desertierte, jetzt wieder vor Ort ist und dort auf eine reservierte Haltung stößt. Es gibt eine mentale Spaltung im Land.

Das nationale Konferenzzentrum in Hanoi ließ gmp von 2004 bis 2006 bauen.

Wie erleben Sie Vietnam heute?

Das, was sich Kommunismus nennt, ist nur noch ein Etikett. Mit dem Inhalt des Marxismus hat das sehr wenig zu tun. Es ist die Hülle des Systems mit dem Einparteienstaat, die die Staatsstrukturen formt und prägt. Es gab die Zeit nach dem Vietnamkrieg mit einer Mangelwirtschaft, doch danach habe ich hier erlebt, wie sich über eine sehr kurze Spanne die Lebensbedingungen und die Zugänglichkeit zu allen Produkten der Welt entwickelt haben. Es hat eine enorme wirtschaftliche Entwicklung stattgefunden, womit auch eine Liberalisierung des gesellschaftlichen Lebens einhergeht. Es sind alle Presseerzeugnisse der Welt verfügbar, alle Medien zugänglich und es gibt viele kulturelle Ereignisse, die vom Westen bestritten werden.

Wie kamen Sie dazu, mit Ihrem Büro in Vietnam aktiv zu werden?

Wir sind zu einem Wettbewerb eingeladen worden. Anlass war die Asian-Conference, die alle vier Jahre stattfindet und an der alle Anrainer des Pazifiks, einschließlich der USA und Australien, mit ihren Staatsoberhäuptern teilnehmen, und für die ein großes Konferenzgebäude mit einem Parlament gebraucht wurde. Wir waren mit unseren Ideen erfolgreich. Es hat sich aber herausgestellt, dass auf dem Platz, auf dem das Gebäude entstehen sollte, historische Fragmente gefunden wurden. Wir haben daraufhin an einer anderen Stelle das Kongressgebäude in sehr kurzer Zeit realisiert. Das Parlament sollte dann doch an der zentralen Stelle in Hanoi entstehen, auf einem begrenzten Platz. Hier waren wir erneut erfolgreich und sind nun dabei, auch dies zu realisieren.

Das vietnamesische Nationalparlament entsteht bis 2010 auf dem historischen Grund der Versunkenen Stadt

Wie wird in Vietnam gebaut im Gegensatz zu Deutschland?

Die Dimensionen und die Technik des Bauens in Vietnam sind bei weitem nicht so entwickelt wie in Deutschland. Vor allem bei komplizierten Konstruktionen und nachhaltigem Bauen liegt der Stand noch Jahrzehnte zurück. Bestimmte Produkte der technischen Hausversorgung sind im Land gar nicht verfügbar. Sie müssen importiert werden. Wir finden vor Ort auch keine Ingenieure, die mit diesen Techniken vertraut sind. Aber das, was an Maschinen und Know-how fehlt, wird durch menschliche Arbeitskraft und großen Einsatz der Arbeiter ersetzt. Die Bauzeit ist dadurch sogar kürzer und die Qualität erstaunlich gut.

Wie unterscheidet sich die planerische Arbeit für Projekte in Vietnam zu denen in Deutschland?

Es ist in erster Linie immer der Blick auf die Machbarkeit. Das heißt, wir denken immer in größeren Toleranzen. Man erwartet dort nicht die Präzision, und so denken wir von vorherein in einfacheren Kategorien. In Deutschland ist es kein Problem, bei Stahlkonstruktionen Knoten aus Gussstahl in einer Gießerei anzufertigen zu lassen. Doch dort würden wir so etwas gar nicht erst finden, somit erdenken wir solche Konstruktionen nicht.

Inwieweit führt das Klima zu einer anderen Bauweise?

Das größte Problem ist die permanent hohe Luftfeuchtigkeit. Die hat Auswirkungen auf alle Baustoffe – selbst Stahl und Aluminium sind anfällig. So bedürfen sie einer größeren Vorbehandlung, um sie möglichst resistent zu machen. Bei dem Kongresszentrum haben wir feststellen müssen, dass die Vietnamesen einen großen Fehler machen: Wenn das Gebäude einen Monat nicht genutzt wird, werden sämtliche Anlagen abgeschaltet. Dann kommt der Schimmelpilz schnell.

Außen und innen: ­Das Museum für Stadtgeschichte Hanoi bietet auch in der umgebenden Parklandschaft Exponate. Damit sollen beide Bereiche verschmelzen. Der Parkbesucher tritt unbewusst in die Ausstellungswelt ein. Die auskragenden Ausstellungsflächen scheinen über der Landschaft zu schweben.

Wie sind die vietnamesischen Bauherren im Gegensatz zu den deutschen?

Der Umgang ist ein sehr freundschaftlicher. Wir haben es über den gesamten Ablauf mit einem festen Ansprechpartner zu tun, der persönlich verantwortlich ist. Das ­erleichtert die Abläufe sehr. Und die Bereitschaft, Vorschläge der Architekten möglichst genauso umzusetzen, ist sehr groß. Auch der Respekt gegenüber unserer geistigen Leistung wird sehr deutlich und ist von Dialog geprägt.

Ist es eine gute Idee, als deutscher Architekt nach Vietnam zu gehen?

Es ist nicht damit getan, dort einfach hinzugehen. Auch wir sind angewiesen auf einheimische Partnerbüros, nicht zuletzt aus sprachlichen wie aus baurechtlichen Gründen. In zunehmendem Maße entstehen Möglichkeiten, bei einem der internationalen oder einheimischen Büros einen Einstieg zu finden. In zunehmendem Maße werden dort Projekte entwickelt, die auf der Basis einer Art Public Private Partnership gebaut werden. Das sind also öffentliche Vorhaben, die von privaten Investoren entwickelt werden. Aber einen Königsweg, wie man möglichst schnell zu Aufträgen kommt, kenne ich auch nicht.

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