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Haus-Wirtschaft

So sehr es Immobilienfirmen ums ­Geldverdienen geht, so dringend brauchen sie gute Architektenleistungen.

01.10.20074 Min. Kommentar schreiben
Nähe zum Entwickler: BRT Architekten entwarfen das „Deichtorcenter“, in dem sie selbst Mieter sind.

Roland Stimpel

Seit dem 11. Juni 2007 ist Deutschlands Immobilienbranche ein anerkannter Industriezweig. Nicht mit rauchenden Schloten, aber mit dominierenden Großbetrieben, strikter Renditeorientierung und einem Verband, der auf Augenhöhe mit den Autobauern, der Chemie oder der Elektronikwirtschaft agiert. Er nennt sich „Zentraler Immobilienausschuss“ (ZIA) und ist seit jenem Junitag Mitglied im Bundesverband der Deutschen Industrie, der Lobby der Großen in der deutschen Wirtschaft.

Da fühlen sich die ZIA-Mitglieder genau richtig. Es sind Immobilienkonzerne und Fondsunternehmen, Banktöchter, Landesentwicklungsgesellschafter, Makler und Berater aller Art. Nach ihrer Statistik bietet die Immobilienbranche ein Zehntel aller Arbeitsplätze in Deutschland und trägt mehr als ein Siebentel zur gesamten Wirtschaftsleistung bei. Die von ihr produzierten Güter machen die Hälfte aller Privatvermögen und gar 85 Prozent allen Produktivvermögens in Deutschland aus.

Der ZIA definiert seine Branche ziemlich selbstbewusst und umfassend. Zum Beispiel fällt die ganze Bauwirtschaft in seiner Selbstdarstellung unter „immobilienspezifische Dienstleistungen“. Und unter dem Stichwort „Beratung“ findet man Anwälten, Steuer- und Unternehmensberater. An letzter Stelle stehen die „Architekten etc.“. Wirtschaftlich liegt der Verband mit der Einstufung traurigerweise richtig: Nur etwa klägliche zwei Prozent der Branchenwertschöpfung werden von Architekten realisiert.

Entsprechend selten fallen im ZIA-Milieu Begriffe wie Baukultur, Architekturqualität oder Nachhaltigkeit. Umso mehr ist die Rede von Marketing und Zielgruppen, von Entwicklungspotenzialen und Nachnutzungen. Scheinbar eine ganz andere Welt als die von Architekten und Planern – doch in Wirklichkeit gibt es größere Schnittmengen, als Habitus und Wortwahl vermuten lassen.

Trotz der Renditeorientierung? Nein, gerade wegen ihr. Immobilienfirmen suchen immer dringender das, was Architekten bieten können: Ideen und Konzepte für vorhandene und künftige Gebäude, die ihnen die ökonomische Nachhaltigkeit bieten sollen  und das bedeutet funktionelle, technische und nicht zuletzt gestalterische Nachhaltigkeit. Immobilienfirmen brauchen Leute, die mit der ganzen Komplexität von Bauten umgehen und die zwischen den Anforderungen von Nutzern, Ökonomen, Ingenieueren und Handwerkern vermitteln können – Architekten-Kernkompetenz. Deren mögliches Tätigkeitsfeld geht weit über den Entwurf hinaus. Es reicht von Nutzungskonzepten und Standortanalysen über Projekt- und Bauleitung, Mieterberatung, Bestandspflege und -weiterentwicklung bis hin zu Umbau, Erneuerung und Verkauf. Da gibt es Jobs für Angestellte in bestehenden Firmen, aber auch Chancen zur Gründung eigener Betriebe – mehr dazu auf den folgenden Seiten.

Das Arbeitspotenzial

für Architekten in der Immobilienbranche liegt weit über den heute erschlossenen zwei Prozent. Wer sie nutzen will, muss aber oft nicht nur sprachlich über seinen Schatten springen, sondern auch mental. Immobilienleute wollen letztlich nicht den guten Bau, sondern gutes Geld. Das wiederum steht in der Werteskala vieler Architekten nicht so weit oben wie das gelungene Haus. Entsprechend weit unten stehen die schnöden, coolen und grässlich potenten Immobilienleute auf ihrer moralischen Werteskala. Viele Architekten pflegen, was der große Soziologe Max Weber „Gesinnungsethik“ nannte: Gut ist, wer nach eigenem Standpunkt gute Motive hat. Mit den nicht so guten Immobilienleuten lässt man sich dann nur ein, wenn es gar nicht anders geht. Das passiert aber immer öfter. Denn wachsende Teile des Baugeschehens und des Häuserbestands gelangen in den Einflussbereich von Unternehmen, für die Immobilien keine private oder soziale Angelegenheit sind, sondern eine rein kommerzielle. Traditionelle Akteure ziehen sich aus der Haus-Wirtschaft mehr und mehr zurück. Der Staat verkauft und privatisiert, Unternehmen anderer Industrie- und Dienstleistungsbranchen mieten lieber, statt in eigenen Gebäuden zu wirtschaften. Die USA zeigen den Trend: Dort sind 70 Prozent aller Gewerbeimmobilien angemietet, in Deutschland bisher 30 Prozent. Im Wohnungssektor spielt sich die große Verschiebung zwischen Staat und Großinvestoren ab. Dagegen bleibt der Anteil privater Kleineigentümer fast gleich.

Im ZIA organisierte Immobilien-Kernfirmen sind in Deutschland offene und geschlossene Immobilienfonds für private Anleger, Spezialfonds für Pensionskassen oder Versicherungen, die am Stück Multimillionen investieren. Dazu kommen die „Heuschrecken“ – ein Pauschalbegriff, der für private Großinvestoren etwa sodaneben liegt wie für öffentliche Wohnungsunternehmen das Wort „Faultiere“. Für Gewerbeimmobilien können seit diesem Frühjahr REITs gegründet werden– auf Immobilien spezialisierte Aktiengesellschaften mit Steuerregeln, die diesem schwerfälligen Wirtschaftsgut entsprechen.

Architektonisch-gesinnungsethisch mag die Aussicht auf wachsende Bedeutung all dieser Unternehmen zunächst unschön wirken. Aber Max Weber hatte da noch eine alternative Kategorie: die Verantwortungs-Ethik. Nach ihr sind die Motive eines Menschen oder auch einer Firma nicht so wichtig – das Ergebnis ihres Handelns zählt. So gesehen, ist es nicht nur erlaubt, diesen Firmen Architektenqualifikationen anzubieten, sondern es ist geradezu geboten. Wie sonst sollen sie zu mehr Architekturqualität kommen?

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