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Preist die Stadtautobahn!

Der Fortschritt fährt im Kreis: Ein doch nicht ganz alter Architekt lobt die autogerechte Stadt.

01.06.20162 Min. Kommentar schreiben

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Abgas: Roland Stimpel

Die Geschichte der Städtebau-Leitbilder ist eine Geschichte geistiger Vatermorde. Jede Generation verging sich an der vorigen – an der Gründerzeit, am Bauhaus, an Achsen-Nazis, Organikern, Verdichtern und Block-Wiederentdeckern. Heute prügeln etwas Jüngere auf Rob Krier und Hans Stimmann ein und bejubeln die 60er-Jahre-Moderne. Denn während Papa immer der Übelste war, ist Opa stets die Lichtgestalt. Das kann man ziemlich weit treiben. Sehr weit. Bis zu einer neuen Liebe für das Brutalste von damals, die Stadtautobahn.

Ihr widmet ein Berliner Architekt und Lehrender am „Center for Metropolitan Studies“ jetzt eine großväterlich klingende Betrachtung. Sie steht im ansonsten gegenwartsbezogenen, auf Seite 6 empfohlenen Jahrbuch „Architektur Berlin“. Das ist von 2016; aber der Text skizziert im Stil von 1956 liebevoll das „Ideal einer aufgelockerten, durchgrünten und beweglichen Stadt“ und stellt daneben ein Bild mit acht Fahrspuren, auf dem außer ein paar schütteren Hintergrund-Bäumchen nichts Grünes zu sehen ist. Er lobt die „weiträumig und abwechslungsreich geschwungene Linienführung“, die „eindrucksvolle Großstadtszenerie“ mit „architektonischen und kulturgeschichtlichen Qualitäten“ sowie die „gepflegte und an Landschaftsgärten erinnernde Gestaltung“. Nicht zuletzt beschreibt er respektvoll den historischen Ursprung des Ganzen – „landschaftsgebundene Autobahnen, wie sie in den 1930er Jahren im Sinne einer Ästhetik gleichmäßigen Fließens entwickelt worden waren“. Gute alte Zeit! Sehr gleichmäßig, wenn auch nur bedingt ästhetisch flossen dann in den späten 1940-ern vormalige Speer-Helfer wie Karl Bonatz, Rudolf Hillebrecht und Hans Bernhard Reichow in planerische Führungspositionen hinein und planierten ihre stadtlandschaftsgebundenen Autobahnen.

Der Autor ist 1971 – nein: nicht pensioniert, sondern geboren. Da bietet sich als Väter-Feindbild die kompakte europäische Stadt an. Dann doch lieber der Abriss ganzer Viertel, Stadtzerschneidung, Flächenfraß, Lärm, Abgase, Klimaschaden. Hauptsache, die Papas und ihr Projekt der vom Auto entlasteten Stadt kriegen eins drauf. Hoffen wir auf die 20-jährigen: Opa bittet dringend um den nächsten Vatermord.

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