Interview: Volker Schnepel
Am 17. November 2016 hat die Europäische Kommission mitgeteilt, dass sie gegen Deutschland eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Mindest- und Höchsthonorare der HOAI einreicht. Nach Auffassung der Kommission laufen diese der Dienstleistungsrichtlinie zuwider. BAK-Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann und Vizepräsident Prof. Ralf Niebergall erläutern ihre Sicht auf die weitere Entwicklung des Verfahrens.
Frau Ettinger-Brinckmann, wie reagiert die Bundesarchitektenkammer auf die Entscheidung der Kommission?
Natürlich haben wir durch das vorangegangene Vertragsverletzungsverfahren mit dieser Entwicklung rechnen müssen, obwohl wir in zahlreichen Gesprächen versucht haben, die maßgeblichen Entscheider auf EU-Ebene von der HOAI zu überzeugen. Aber wie sagte kürzlich die Abgeordnete Frau Lanzinger über die zuständige EU-Kommissarin: „Frau Bienkowska ist stur wie ein Panzer.“ Es ist uns jedoch gelungen, dass Bundestag, Bundesregierung und namentlich die relevanten Ministerien die HOAI weiterhin unterstützen. Dies ist an sich bereits ein großer Erfolg, angesichts des politischen Drucks, den die Kommission im Vorfeld aufgebaut hat. Aber jetzt haben wir den Bereich der Politik verlassen und betreten den der Rechtsprechung. Der EuGH hat jetzt das letzte Wort.
Wie sehen Sie die Erfolgsaussichten für den Erhalt der HOAI?
Zunächst ist festzuhalten, dass es nicht um die HOAI als Ganzes geht, sondern um die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze. Dies ist deshalb wichtig, weil wir oft gefragt werden, ob es nicht Kompromissmöglichkeiten gibt. Nein, die gibt es eben deshalb nicht, weil es zwischen Verbindlichkeit und Unverbindlichkeit kein Mittelding gibt.
Um unsere Regierung in diesem Verfahren zu unterstützen, haben wir zusammen mit der Bundesingenieurkammer und dem AHO-Ausschuss für die Honorarordnung sowohl ein rechtliches als auch ein empirisch-ökonomisches Gutachten in Auftrag gegeben. Unterstützt haben wir auch speziell das Bundesministerium für Umwelt und Bau, das mit einem weiteren Gutachten herausfinden wollte, ob es in Ländern ohne verbindliches Honorarrecht mehr grenzüberschreitende Niederlassungen von Architekten gibt als bei uns. Soweit wir gehört haben, ist das in keiner Weise der Fall. Die Behauptung der Kommission, die HOAI sei ein Hindernis für Niederlassungen in Deutschland, trifft also nicht zu.
Leider Gottes lässt der EuGH üblicherweise bereits eine sogenannte potentielle Beschränkung ausreichen. Allein die Tatsache, dass die HOAI nicht in allen Bereichen einen uneingeschränkten Preiswettbewerb zulässt, wird daher gesondert zu rechtfertigen sein. Hierbei dürfte es vor allem auf die Frage ankommen, ob es einen Zusammenhang zwischen verbindlichem Preisrecht und Qualität gibt. Spätestens die im letzten November ergangene Entscheidung zur Preisbindung beim Onlineversand von Arzneimitteln hat gezeigt, dass der EuGH den Nachweis eines solchen Zusammenhangs verlangt. Bei den Arzneimitteln ist dies im Ergebnis nicht gelungen oder vielleicht auch nicht hinreichend versucht worden. Jedenfalls muss uns bei all unseren Bemühungen und bei allen Besonderheiten der Planerleistungen leider klar sein: Die Sache wird alles andere als ein Selbstläufer!
Herr Professor Niebergall, Sie haben besonders engen Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen im Ausland. Was sagen sie dazu?
Es ist tatsächlich so, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern uns unterstützen, denn sie wissen und stellen vielfach durch eigene Erfahrung fest, dass die HOAI-Mindestsätze vor allem die Qualität sichern und damit dem Verbraucherschutz und der Baukultur dienen.
Ist es denn vorstellbar, dass die BAK Unterstützung aus dem Ausland erhält? Wie kann eine solche Unterstützung in einem so formalisierten Verfahren aussehen?
Viele unserer europäischen Partnerorganisationen haben in Schreiben an die Kommission bereits deutlich gemacht, dass die HOAI nicht nur kein Hindernis für Ausländer ist, in Deutschland zu arbeiten, sondern im Gegenteil ein Antrieb. Wenn man sich bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland umhört, hätten sie am liebsten selbst eine HOAI. Und genau das geht der Kommission gegen den neoliberalen Strich. Ansonsten gibt es noch die sogenannte Streithilfe, zu der in einem Verfahren wie dem unseren allerdings nur die Mitgliedstaaten selbst befugt sind und nicht zum Beispiel die Berufsorganisationen. Wir dürfen uns also nicht zu viel davon versprechen.
Frau Ettinger-Brinckmann, wie sieht die zeitliche Schiene aus? Wann kann man mit neuen Nachrichten rechnen?
Die Klage-Einreichung kann unter Umständen noch ein paar Wochen, vielleicht sogar Monate dauern. Dann beginnt eine zweimonatige Frist zur Klage-Erwiderung. Mit einer Entscheidung rechnen wir nicht vor Mitte 2018.
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