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Im Immobilien-Babel

Jede noch so kleine Hütte bekommt heute vom Immobilienentwickler ein wohlklingendes Label. Dabei herrscht babylonisches Sprachgewirr.

31.10.20172 Min. Kommentar schreiben

Namenskunde: Heiko Haberle

Das waren noch Zeiten, als ein Haus einfach nur eine Adresse hatte und kein Markenprodukt war. Doch obwohl Wohnungen derzeit auch ohne jegliches Marketing weggehen würden wie geschnitten Brot, muss jedes noch so unscheinbare Projekt einen Namen tragen. Daran merkt man dann gleich, ob man sich angesprochen fühlen soll, für den „Rosengarten“ zu jung oder für „Neon Wood“ zu alt ist. Wie am Fließband werden in der Hauptstadt Namen erfunden und von Grafi…kern mit hübschen Logos ausgestattet. Das internationale, urbane Publikum wird mit „The View“, „Bricks“ oder „Charlie“ gelockt. Im Partybezirk Neukölln werden ganze drei (!) Wohnungen in einem recht normalen Altbau von 1907 großspurig als „Beat Berlin“ angepriesen. Wer hingegen das Dorf in der Großstadt sucht, …findet in den kläglichen Resten von Alt-Berlin die retro-gründerzeitlichen „Klostergärten“. Die Gärten sind ein enger Hof mit Dauerschatten. Französisch kommt zum Einsatz, wenn Eleganz und Ruhe vermittelt werden sollen, so in einem prächtigen alten Krankenhaus am Schloss Charlottenburg, das als „Joli Coeur“ vermarktet wird. Bei einem Übermaß an architektonischer Fantasie und Stilsehnsucht hilft ein Italien-Bezug, wie bei den an Säulen und Bögen reichen „Fellini Residences“. Ganz selten taugt sogar der Architekt als Werbeträger, wie im gutbürgerlichen Wilmersdorf, wo ein bereits denkmalgeschütztes Mehrfamilienhaus von Gottfried Böhm aus dem Jahr 1984 nun „Böhmhaus“ heißt. Das Logo ist natürlich achteckig wie das Haus.

In Frankfurt hingegen liebt man Sprachspiele. Aus irgendeinem Skyscraper wird ganz dynamisch der „Skyper“. An der Gallusanlage thront „Gallileo“. Die zwei namensgebenden Flügel des „Winx“ muss man im Grundriss suchen. Nur in London hat der Marketing-Sprech der Immobilienentwickler keine Chance gegen die Verballhornungen der Presse. Gurke, Scherbe, Käsereibe und Walkie-Talkie zieren die Skyline. Doch daraus haben die Entwickler eines neuen, beängstigend scharf geschnittenen Glasriesen gelernt. Den Spitznamen der Financial Times haben sie einfach übernommen. Das Bauschild präsentiert: „The Scalpel“. Endlich mal ein ehrlicher Name für das, was hier passiert.

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