Neidisch zitiert: Roland Stimpel
Seit etwa 30 Jahren haben wir den Dekonstruktivismus; nach der Europäischen Zentralbank in Frankfurt ist vielleicht Schluss damit. Spät, aber nicht zu spät schafft es jetzt die Architekturkritik, der Wirrnis des Baustils zu entsprechen. Zum Beispiel so: „Die ständig gestiegenen Sicherheitsanforderungen hätten die Bausumme nach oben getrieben. Nein, nicht 185 m hoch, so hoch ist der Nordturm mit seinen 43 Geschossen. So hoch ist auch der Tower 185, alias PWCTower von Christoph Mäckler vis-a-vis in der Ferne, hinter den anderen Türmen in Downtown Mainhattan. Aber der Turm von Mäckler wirkt irgendwie höher, vielleicht, weil er schlanker aufragt, übersichtlicher irgendwie. Die EZB, eine mächtig mächtige Institution nicht nur in Europa, residiert also in einem nicht ganz so hohen Turm.“
Das steht in der „Deutschen Bauzeitschrift“. Sie überträgt sauber die Merkmale der dekonstruktiven Architektur ins Sprachliche: Fragmente und wilde Brüche, schräge Ausdrucksformen, Satzräume durchstoßende Einschübe. „Die eher kleinen Einheiten entziehen sich wie immer bei CoopHimmelb(l)au dem unregelmäßigen Raster der Großstruktur mit überall rechten Winkeln und sind so Inseln der Normalität im aufgeregten Raumlandschaftsgewoge.“ Zum Baustil passt auch dieser Satzkeil: „Die Idee der Längsteilung des vertikalen Volumens hat in ihrem kolportierten archaischen Akt seiner Herstellung mittlerweile mythologische Züge angenommen: Spaltung per Beilhieb oder auch per Handkantenschlag.“ Es gibt sogar eine philosophische Neuerung, Dekonstruktives mit einem Hauch von Heidegger: „Dass Sicherheits- wie auch Klimaschleusen schon mal so gesetzt werden, dass durch ihre Gläsernheit Betonstreben offensichtlich missmutig durchgestoßen wurden … Nun ja, das verliert sich im Raunen der großen Architektur.“
Nicht in der Bauzeitschrift sprach der Schöpfer der Bank, Wolf D. Prix: „Vornehmste Aufgabe des Architekten ist es, den Turm von Babel doch noch zu vollenden.“ Tut uns leid, Herr Prix: Der Kritiker hat Sie übertroffen. Er braucht keine babylonische Vielsprachigkeit, sondern schafft die gleiche Verwirrung allein mit seinem dekonstruktiven Deutsch. Sein Beilhieb durchstößt das Raunen Ihrer Architektur. Und das ohne jeden Missmut der Gläsernheit
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