Text: Nils Hille und Roland Stimpel
Kommunikator: Klaus D.Siemon
Klaus-Dieter Siemons erstes Projekt als angestellter Architekt war ein großes Krankenhaus. Und er machte damit eine Erfahrung, die ihn prägte: Das Objekt wurde trotz langer Projektdauer günstiger als zunächst kalkuliert. „Gleich zu Anfang des Berufslebens bin ich auf das Thema Kosten gestoßen. Und dabei bin ich bis heute geblieben. “ Heute ist der 55-jährige Sachverständiger für Architektenleistungen und Honorare in Vellmar bei Kassel und Berlin, Buchautor und gemeinsam mit seinem Sohn Matthias Siemon Betreiber einer Beratungs-GmbH.
Auf Hochschulen oder aus Lehrbüchern gelernt hat Siemon das nicht: „So etwas lernt man am besten in der Praxis. Man geht als junger Absolvent eigenständig vor und experimentiert mit verschiedenen Steuerungsmethoden.“ Nicht allein betriebswirtschaftliche Instrumente sind das Wichtigste: „Wirtschaftliche Kompetenz? Ja, die ist grundsätzlich erforderlich, aber längst nicht allein.“
Für Siemon ist Kostensteuerung nicht nur eine Frage der betriebswirtschaftlichen Kompetenz, sondern sein großes „K“ heißt Kommunikation. „Es kommt nicht nur darauf an, drei oder vier Methoden des Kostenmanagements zu kennen und anzuwenden. Entscheidend ist grundsätzliche Überzeugungsarbeit: dass sorgfältige Planung, weitsichtige Vorausprognostizierung und effektive Steuerung die wichtigsten Erfolgsgaranten sind.“
Das große „K“ bedeutet aber auch ständige sachbezogene Kommunikation. Lassen sich Kostenveränderungen am Horizont abschätzen, werden sie unverzüglich als Risiko in die Gesamtkostenprognose eingestellt und erfordern zügige Kommunikation und entsprechende Entscheidungen. So werden Handlungsmöglichkeiten zur erfolgreichen Steuerung geschaffen. „Weg von der Kostenkontrolle, hin zur weitsichtigen prognostischen Kostensteuerung“, heißt Siemons Motto. Alle am Projekt Beteiligten erhalten sogenannte Teilbudgets, die Basis für regelmäßige Prognosen und Entscheidungen sind. Der Bauherr bekommt Zeitfenster für Entscheidungen. Lässt er sie verstreichen, trägt er die entsprechenden Konsequenzen.
Siemon sagt: „Kostenziele sind mit funktionalen, gestalterischen und allen anderen Projektzielen absolut gleichberechtigt.“ Und wenn es Spitz auf Knopf stehe, sei unmissverständliche Beratung angesagt. „Wenn ein Bauherr nicht erkennt, dass er aktiv und zeitgerecht am Projekterfolg mitwirken muss, darf man ihm auch mal schreiben: ,Sie verursachen selbst Mehrkosten.‘ Das mag auf den ersten Blick frech wirken, aber am Ende ist er dankbar für die transparente und unkomplizierte Art der Beratung.“
Oft gehe es auch darum, Termindruck zu senken. „Man sollte einen Bauherrn gerade dann an den Sinn einer sorgfältigen Planung erinnern, wenn er sagt: ,Ich will eine schnelle öffentlich-rechtliche Genehmigung erhalten und erst danach über Kosten reden.‘“ Planungssicherheit besteht nicht nur in Form einer Baugenehmigung – auch die Kostensicherheit gehört dazu. Gern zieht Siemon dann den Biathlon-Vergleich: „Wer in Ruhe peilt und zielt, gewinnt Zeit, viel eher als jemand, der hektisch ins Blaue schießt und dann eine Strafrunde drehen muss.“
Nicht nur das Projekt, auch das eigene Büro der Architekten sollte dabei bedacht werden. Siemon: „Leistungen der pro-aktiven Kostensteuerung, die nicht in den Grundleistungen der Leistungsbilder enthalten sind, müssen ergänzend vereinbart werden. Die HOAI kann eben nicht alles regeln. Planen und Überwachen ist von Projekt zu Projekt teils sehr verschieden organisiert, die preisrechtlich geregelten Leistungsbilder aber sind immer gleich.“
Architekten sollten ihre Bauherren beim Kostenthema durch alle Projektphasen begleiten. Siemon schlägt vor: „Sie sollten ganzheitlich agieren und ihre vertieften Projektkenntnisse pro-aktiv nutzen. Denn Architekten verfügen aufgrund ihrer sogenannten Integrationsaufgaben regelmäßig über die intensivste Projektkenntnis. Daher sind sie für die Gesamtkostensteuerung am besten geeignet. Das darf man am Markt im Zuge der Vertragsanbahnung durchaus darstellen.“ Aber was, wenn der Bauherr dem Architekten in Sachen Kosten nicht vertraut? „Dann müssen Transparenz, Präzision und regelmäßige Prognosen sowie einkalkulierte Kommunikationsaufwände zum Gegenstand der Zusammenarbeit werden.“
Generalist: Stefan Albert Dürr
Eine Zusatzausbildung mit eher geringem Kostenbezug hat Stefan Albert Dürr genossen: Als schon praktizierender Architekt nahm er noch ein Zweitstudium in Geschichte und Kunstgeschichte auf. Dürr hatte sich mit Bestandsprojekten auseinandergesetzt und wollte nun „mit mehr fundierten Kenntnissen an historische Gebäude herangehen“. Aber er vernachlässigte darüber nicht das Rechnen. „Um die Kosten im Griff zu halten, habe ich mir schon früh kleine Datenbanken mit Kostenwerten selbst angelegt“, erzählt der heute 57-jährige. „Zuerst noch mit Schreibmaschine, weil es damals noch keine Computer gab.“ Heute nutzt und bereichert Dürr gern das BKI-Baukostenzentrum (siehe Hinweis auf S. 38 unten), greift auf dessen Daten zu und bringt seine eigenen Zahlenwerte ein.
In seiner Berufslaufbahn erkundete Dürr den Planungsprozess quasi vom Ende her: Er arbeitete lange als Bauleiter. Immer wieder kämpfte er mit Details, die junge, unerfahrene Planer sich ausgedacht hatten und die schlecht realisierbar waren. „Die habe ich dann einfach mit auf die Baustelle genommen und ihnen gezeigt, woran es bei der Umsetzung haperte. Das hatten sie sich beim Zeichnen nicht vergegenwärtigen können.“ Er schwört auf Erfahrung, auch bei sich selbst: „Das Kostenthema habe ich nicht abstrakt gelernt, sondern mir in 30 Jahren Berufserfahrung systematisch aufgebaut.“ Sinnvoll sei es, „schon in der Vorentwurfsphase Massen zu ermitteln und daraus Kostenwerte abzuleiten“. Stolz berichtet er vom Ergebnis: „Unter meinen Projekten war keins, bei dem die Baukosten mehr als vier Prozent gestiegen sind.“ Selbstkritik half ihm dabei: „Viel zu wenige Kollegen setzen sich nach einem teurer gewordenen Projekt hin und fragen sich: Wo haben wir uns verschätzt?“
Als Architekt setzt Dürr seinen Schwerpunkt auf einem Gebiet, in dem besondere Kosten-Überraschungen lauern: dem Bauen im Bestand. „Hier ist eine umfangreiche, genaue Bestandsaufnahme das A und O, um die Kosten zu beherrschen.“ Anfangs macht er Hunderte von Fotos – „dann kann ich bei der Kostenschätzung jedes Detail Revue passieren lassen.“ Für unsichtbare Schäden und Zusatzbedarf sind der Vorab-Analyse dagegen Grenzen gesetzt. „Man kann ja nicht jeden Quadratzentimeter in die Tiefe anbohren.“ Hier helfe nur eins: „Man muss sich Reserven für Unwägbarkeiten verschaffen.“ Dürr verrät ein kleines Geheimnis: „Bei öffentlichen Auftraggebern weiß ich, dass sie gern 10 bis 15 Prozent kürzen. Dafür muss ich mir bei der Kostenplanung Luft verschaffen.“ Bei privaten Bauherren sei das aber schwierig: „Wenn ich da hohe Kosten ansetze, scheide ich womöglich gleich aus.“
In den Entwurfsphasen fordert Dürr frühe Präzision: „Sie können 80 Prozent aller Kosten in der Planung sparen und nur zehn Prozent in der Ausführung.“ Verstöße gegen diese Regel erlebt er oft genug, wenn Bauherren oder andere Architekten ihn rufen. „Das tun sie meist leider erst, wenn das Projekt schon in der Krise ist.“ Dürr erzählt vom Bauherrn einer Sozialeinrichtung, der neun Monate lang selbst erfolglos Angebote eingeholt hatte. Nun empfahl ihm Dürr dringend eine grundlegende Neuplanung, doch der Bauherr winkte ab: „Dazu habe ich jetzt keine Zeit mehr.“
Bei vielen Architekten-Kollegen sieht Dürr ein anderes Problem: Ihnen sei das Kostenthema zu unwichtig. „Auch in großen Büros läuft es nebenher und wird unerfahrenen Mitarbeitern anvertraut. Das schadet allen am Bau Beteiligten.“ Dürr plädiert für ein umfassendes Berufsbild: „Ein Architekt muss Planung, Kostenberechnung und Bauleitung gleichermaßen beherrschen. Er muss doch das Projekt ganzheitlich betrachten, wenn er als Treuhänder seiner Bauherren agiert.“ Dürr berät heute Projekte Dritter sowie Bauherren und entscheidet als ehrenamtlicher Richter in Bauprozessen. Von dort deutet er: an „Vor Gericht ist das Bild oft nicht sehr schmeichelhaft, das unser Berufsstand abgibt.“
Systematiker: Andreas Pfisterer
Mit 30 bekam Andreas Pfisterer eine Stelle bei David Chipperfield in Berlin und konnte entwerfen ohne Ende. Doch Pfisterer merkte, dass er gar nicht so kreativ ist. Er wechselte in ein Büro nach Hamburg, lernte die Leistungsphasen 5 bis 9 kennen und hatte zum ersten Mal mit Kosten zu tun: „Von da an hat mich diese eine Frage nicht mehr losgelassen: Was bekomme ich für welche Leistung?“
Heute beschäftigt ihn auch die Gegenfrage: Welche Kosten entstehen, wenn ich Leistungen beauftrage? Denn Pfisterer hat vor fünf Jahren auf die Seite der Bauherren gewechselt – zur Hamburg Team Gesellschaft für Projektentwicklung. Zunächst war er dort als Projektleiter für den Bau und die Sanierung von Wohn- und Bürogebäuden tätig; seit zwei Jahren arbeitet er in der technischen Bauherrenvertretung. Als interner Berater prüft er bei allen Projekten die Entwurfspläne, die Honorarverträge mit den Planern sowie die Bauverträge mit den Generalunternehmern. „Mein beruflicher Hintergrund mit Kenntnis der HOAI hilft mir dabei sehr. Neuerungen bringe ich dann gleich in alle Projekte hinein“, sagt Pfisterer.
Um die Kosten besser planen zu können, hat er ein neues System entwickelt. „Wir verlangen jetzt in der Leistungsphase 1 schon eine vereinfachte Kostenschätzung. Das hat auch einen erzieherischen Wert für die Planer, denn sie merken, dass wir großen Wert auf Kostensicherheit legen.“ Das sei zwar für viele erst einmal befremdlich, zahle sich aber aus. Denn auch in den weiteren Leistungsphasen erwartet er von den Planern genauste Angaben und erste konkrete Berechnungen statt grober Schätzungen. „Das kostet auch die Architekturbüros Geld, aber wir vergüten diese Leistung gerne. Für uns ist das immer noch viel günstiger als fehlerhafte Kosten beim späteren Bau.“ Auch der Bauherr steht bei Pfisterers System stark in der Pflicht. Er muss sich frühzeitig für Baustoffe und Ausstattungen entscheiden, damit der Planer einen konkreten Quadratmeterpreis schon in Leistungsphase 3 ermitteln kann. In den weiteren Phasen folgen immer wieder Kostenberechnungen und Überarbeitungen.
So lasse sich leicht gegensteuern, wenn die Ausgaben aus dem Ruder zu laufen drohten, erklärt Pfisterer: „Der Planer ist dann verpflichtet, so umzuplanen, dass die Kosten wieder passen. Ich lasse ihm dabei erst einmal seine Freiheit, denn er darf die Vorschläge machen, an welcher Stelle wir einsparen können.“ Und er kann so teilweise den Verzicht forcieren, der ihn als Planer am wenigsten schmerzt. „Bei einem Projekt haben wir zum Beispiel die Tiefgarage um die Hälfte verkleinert, hatten so die Ausgaben wieder im Griff ,und die Architektur des Gebäudes war ansonsten nicht betroffen“, sagt Pfisterer. Er versteht und akzeptiert die Sicht seiner Kollegen – solange ein Bau wirtschaftlich bleibt. Bei allen Projekten, die nach dem neuen Frühberechnungs-System von Pfisterer laufen, seien die Kosten bisher im vorgegebenen Rahmen geblieben: „Momentan erzielen wir immer Punktlandungen und damit große Zufriedenheit bei den Bauherren. Da hat sich das viele Rechnen doch gelohnt.“
Organisator: Klaus-Peter Steybe
Klaus-Peter Steybe war „irgendwie immer schon am Rechnen“, wie er sagt. Der Architekt aus Kirchzarten im Schwarzwald hat schon früh für seinen Vater, ebenfalls Planer, viele Rechnungen geprüft. Erst will der Sohn gar nicht in dessen Fußstapfen treten, sondern Informatiker werden. Dann entscheidet er sich doch für das Architekturstudium. In allen drei Stuttgarter Büros, in denen er in den folgenden neun Jahren arbeitet, beschäftigt er sich aber vor allem mit deren EDV und mit Ausschreibungen. „Gerade die Beantwortung von Kostenfragen ist meine Leidenschaft“, sagt Steybe.
Und diese Leidenschaft kann er dann bei seinem nächsten Job richtig ausleben. Als freier Mitarbeiter des Universitätsbauamtes Freiburg ist er für die Kostenkoordination des Neubaus der 15. Fakultät zuständig. Obwohl noch keine Professoren benannt sind, muss er deren Budget verwalten und gerecht auf die Baukosten verteilen. „Da war die Entwicklung einer Kostenstruktur das Hauptthema, denn so etwas gab es früher nicht. Zuvor wurde immer alles aus einem großen Topf genommen und viel zu spät festgestellt, dass das vorgesehene Budget stark überschritten wurde“, erklärt Steybe. 15 Jahre lang arbeitet er für Projekte der Universität und deren Klinikum. Und das mit großem Erfolg: „Nur bei zwei Bauvorhaben lagen die Ausgaben am Ende über dem Kostenrahmen. Bei den beiden Projekten war aber schon von vornherein klar, dass die ursprüngliche Planung nicht zu halten ist“, so Steybe.
Neben der freien Tätigkeit für das Universitätsbauamt wird der Planer auch für andere Auftraggeber immer mehr zum Kostensteuerer. Im Jahr 2007 bekommt er den ersten Projektsteuerungsvertrag über die kompletten Leistungsphasen. Vor allem von Kommunen wird er beauftragt. Mal sind es 14 Millionen Euro, mal sogar 21 Millionen Euro Budget, die er verwaltet. „Meine Erfahrung aus der Arbeit für das Universitätsbauamt hat mir sehr geholfen. Dadurch hatte ich gute Einblicke in Behördenstrukturen. Ich weiß, wie Ämter arbeiten und wie komplex dort Projekte ablaufen.“ Diese Berufserfahrung war auch nötig. „In meinem Studium habe ich nur das Entwerfen gelernt, für meine Tätigkeit als Kostensteuerer konnte ich rein gar nichts mitnehmen. Das musste ich mir alles selbst beibringen“, sagt Steybe rückblickend.
Kreativität ist aber auch in seinem heutigen Tätigkeitsfeld gefragt. Während eines Bauablaufs muss er immer wieder Alternativen entwickeln und dem Bauherrn aktiv vorschlagen. Das erwartet er auch von den Bauleitern – ebenso, dass sie immer wieder den Zeitplan anpassen und die einzelnen Gewerke sich so überlappen lassen, dass der Bau ständig vorangehen kann. Ob Schulsanierungen, ein Haus für Menschen mit Behinderungen oder ein Kindergarten: als Projektsteuerer fordert Steybe die Planer dazu auf, immer auch die Ausgaben mit im Blick zu haben. „Die mangelnde Kostentreue in den vergangenen Jahrzehnten hat auch das Vertrauen in die Architekten getrübt. Wenn sie aber die Kosten genau und transparent aufschlüsseln können und im Kostenplan bleiben, werden sie gerne wieder beauftragt.“ Diese Loyalität und Transparenz sind auch Steybes Erfolgsfaktoren. Er musste noch nie für Aufträge Akquise betreiben, sondern wurde immer weiterempfohlen.