Nils Hille
Drei Tage lang hören sie Paul Dessaus Musik zu Leonce und Lena, der Komödie von Georg Büchner. Dazu lesen die Architekten das Textbuch. Später werden Ausschnitte von Inszenierungen des Stückes gezeigt und verschiedene Interpretationen diskutiert. Dabei soll jeder seine eigene Sicht auf das Stück entwickeln – und erst dann ein passendes Bühnenbild planen.
Dieser ungewöhnliche Ablauf ist typisch für den weiterbildenden Masterstudiengang „Bühnenbild – szenischer Raum“ an der Technischen Universität Berlin. Der künstlerische Anspruch ist hoch, schließlich sollen die Absolventen der (Innen-)Architektur in zwei Jahren für die Gestaltung szenischer Räume fit sein. Professorin Kerstin Laube: „Dazu zählen nicht nur die klassische Oper, das Schauspiel und der Tanz. Auch die Gestaltung von Ausstellungen, Performances und Events ist Thema. Damit orientieren wir uns an den aktuellen Bedingungen am Markt und öffnen ein breiteres Berufsspektrum für unsere Absolventen.“
Das geschulte räumliche Denken bringen die Teilnehmer durch ihren ersten Abschluss mit, ein straffer Stundenplan erwartet sie. Sechs Module sieht die Prüfungsordnung vor: Bei den Theaterwissenschaften werden Geschichte und Formen der Kunst vermittelt. Hierzu gehört auch die beschriebene Musik- und Textanalyse. Beim Modul „Szenischer Raum“ sollen nach und nach immer komplexere Stücke in ein Bühnenbild umgesetzt werden. Auch das Kostümbild hat seinen eigenen Bereich, in dem über Materialkunde und Bewegungsstudien gelehrt und gelernt wird. Aktzeichnen und die Figur als Teil des Raums, kombiniert mit digitalen und multimedialen Formen, bilden das Modul Darstellungstechniken. Anhand der fertigen Entwürfe werden hier Bauzeichnungen und Stücklisten erstellt.
Die Dozenten aller Teilbereiche kommen aus der Praxis und von bekannten Hochschulen, wie der für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin.
Karrierestart Friedrichstadtpalast
Bekannte Namen sind auch beim Praxismodul dabei – diesmal von Bühnen. Der Studiengang kooperiert mit rund 100 Theatern und Kultureinrichtungen, die den Studenten je zwei sechswöchige Praktika ermöglichen.
Ab dem dritten Semester wird von einem der Häuser zusätzlich ein interner Realisierungswettbewerb ausgelobt. Neben der Vergabe von Preisen wählt die Jury ein Konzept zur Umsetzung in die Praxis aus. Laube: „Unsere Studierenden erhalten dadurch schon während des Studiums die Chance zur Realisierung ihrer Entwürfe unter realen Bedingungen.“ Vergangenes Jahr durfte der Hochschüler José Eduardo Luna Zankoff das Weihnachtsstück des Friedrichstadtpalasts, die Kinderrevue „Der Zauberer von Camelot“, mit phantasievollen Kulissen bestücken. Nun hat er dort als Bühnenbildner eine feste Anstellung gefunden.
Dieses Glück haben nicht alle, doch die Chancen auf eine Anstellung stehen gut. Laube spricht von mindestens 85 Prozent Vermittlungsquote: „Sechs Jahrgänge haben das Studium bereits absolviert. Mittlerweile funktioniert auch das von uns gewünschte Netzwerk unter den Absolventen. Die Älteren steigen in ihrer Position auf und engagieren die Jüngeren als ihre Assistenten.“
Was zu bieten haben
Vor der Karriere für die „Bretter“ steht die Aufnahme in den Studiengang. Die Bewerber müssen eine Mappe einsenden, die ihr Interesse am szenischen Raum deutlich macht. Laube: „Uns gefällt, wenn wir darin schon eine Kreativität und Individualität erkennen können. Die Begeisterung für das Theater muss spürbar sein. Das ist ebenso wichtig wie gute Arbeitsproben.“ Zusätzlich sollen die Interessierten auch ein Motivationsschreiben abliefern und in einem Gespräch die Faszination persönlich herüberbringen können. „Der zukünftige Bühnenbildner braucht eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit. Er ist in seiner Arbeit lange Zeit ein Einzelgänger, der plötzlich mit Regie, Dramaturgie, Choreographie und anderen in einem Team arbeiten und Kompromisse finden muss.“
Doch die zwölf bis 18 ausgewählten Teilnehmer pro Jahrgang bekommen auch etwas geboten. Für die 2 000 Euro Studiengebühren pro Semester steht jedem von ihnen ein eigenes Atelier zur Verfügung. Dies ermöglicht ein intensives Arbeiten rund um die Uhr. Laube: „Es ist kein Raum zu Hause nötig. Und da die Ateliers alle in einem Gebäude liegen, ist das Arbeiten Tür an Tür auch gut für die Kommunikation innerhalb des Studiengangs.“
Weiterbildender Masterstudiengang Bühnenbild – szenischer Raum
Abschluss: Master of Arts
Ort: Technische Universität Berlin
Dauer: 4 Semester
Voraussetzungen: Absolvent der Fachrichtung Architektur, Innenarchitektur, Design und Bauingenieurwesen, Praktikum
Start: Mitte Oktober 2008
Internet: www.tu-buehnenbild.de