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Kulturverdienst und Geldverdienen

Baukultur und Mammon vertragen sich nicht, argumentiert Jörn Köppler. Wer als Architekt Baukultur will, muss unternehmerisch handeln, entgegnet Andreas Becher

30.09.20128 Min. 1 Kommentar schreiben
Foto: Köppler Türk Architekten
Jörn Köppler führt gemeinsam mit seiner Frau Annette Köppler-Türk in Potsdam das Büro Köppler Türk ­Architekten und hat 2010 das Buch „Sinn und Krise moderner ­Architektur“ veröffentlicht (300 S., 29,80 €)

Text: Jörn Köppler

Der Glanz des Wahren

Dass ein Haus viel mehr als ein beliebiges Produkt darstellt und ein Architekt anderes zu tun hat, als dieses mit PR und Verkaufstalent in den Markt einzuspeisen, wäre ein zumindest naheliegender Schluss aus dem Scheitern neoliberalen Denkens mit der Finanzkrise. Doch von einer kritischen Revision der Ökonomisierung des Architekturbegriffs ist weit und breit nichts zu hören. Die Aufwertung ökonomischen Denkens wird seit den frühen 1990er-Jahren offensiv von der Generation der „Zweiten Moderne“ betrieben. In Opposition zur Postmoderne wurde zum einen die Aufgabe aller ideellen Gehalte des Bauens gefordert, denen man allenfalls noch Kitschwert einräumen mochte. Zum anderen rief man zur Öffnung der Disziplin für harte und belastbare, also von Ingenieuren, Wissenschaftlern und Managern beschreibbare Tatsachen. Ich erinnere mich an eine Konferenz in Graz, in der der österreichische Geschäftsführer von McDonald’s über deren Bauprogramm berichtete. Seinen Vortrag konnte man nur als zynisch bezeichnen in der Art und Weise, wie er zum Ausdruck brachte, dass er Kraft der wirtschaftlichen Größe von McDonald’s jeden Anspruch von Städten, bei der baulichen Gestaltung der Verkaufsfilialen mitzureden, für lächerlich hält. Was aber taten die Architekten im Publikum, vor deren Augen gerade auf ihrer Disziplin herumgetrampelt wurde? Sie wussten nichts Besseres, als nachzufragen, ob McDonald’s Interesse an avancierter Gestaltung durch Architekten hätte – sprich, ob McDonald’s nicht Aufträge für sie hätte.

Der „post-heroische Status“ der Architektur (Rem Koolhaas) war das Ziel der Generation der „Zweiten Moderne“, das heute erreicht scheint. Das diese Erfüllung allerdings nichts als ein großes bauliches Trümmerfeld hinterlassen hat, ist die Realität unserer Gegenwart. Und damit sind nicht zuerst die ohne Architekten geplanten Einfamilienhauswüsten gemeint. Auch in der von Architekten geprägten baulichen Realität scheint es nur wenig mehr zu geben, als dass entweder aufgepumpte Privatphantasien von totalitären Regierungen und publicitybewussten Konzernen errichtet werden oder durchschnittliche 1920er-Jahre-Retrobauten den Begriff der Ästhetik durch Technik ersetzen. Das alles jedoch darf niemanden verwundern. Wenn man im Sinne Vitruvs die Architektur auf rational beschreibbare Kriterien wie die firmitas und utilitas verkürzen will, der venustas, der Schönheit, aber als ästhetischem Ausdruck ideeller Gehalte keinen Ort im Gebauten mehr einräumen möchte, so kann die Folge nur ein sinnentleertes Bauen sein. Das scheinen die Menschen zu spüren und fliehen vor zeitgenössischem Bauen, wollen sie doch zurecht nicht auf das verzichten, was Sinn ausmacht: die existenzielle Frage nach dem Menschsein, mit Kant gesprochen, das ideelle Fragen nach möglicher Erkenntnis, Moralität und Glauben. Bezeichnet dies die geistige Dimension des Menschen, so wird klar, dass mit räumlicher Abwesenheit dieser Dimension ein Gehäuse für den nur physischen, also maximal halben Menschen bleibt. Wer aber möchte sich räumlich so verkürzt reflektiert sehen?

So viel zur Kritik an der Ökonomisierung des Architekturbegriffs. Was wäre ihr entgegenzusetzen? Dieses ist das Schwierige und Ungeklärte unserer Zeit, welches danach drängt, bedacht zu werden. Die Frage also, welchem Architekturbegriff wir folgen sollen. Hierzu ein Beispiel: Unweit von Rom liegt das Zisterzienserkloster Fossanova, das seit dem 9. Jahrhundert existiert. Der Gegensatz seiner schattigen und wohlgesetzten Räume zur verdorrten und zersiedelten Landschaft lässt daran denken, dass in Klöstern wie diesen das humanistisch-abendländische Denken Denken nach Zusammenbruch des Römischen Reiches gerettet wurde. Als Europa im „Dunklen Zeitalter“ versank, bewahrten die Mönche die antiken Schriften und Kulturtechniken vor der Zerstörung und legten damit den Grundstein für den Wiederaufbau der europäischen Zivilordnung. Die sich selbst überlassene Gesellschaft vor den Klostermauern die in neoliberalen Theorien so gerne zitierte freie Entfaltung der vor allem ökonomischen Kräfte, war nicht fähig, den zivilisatorischen Boden zu erhalten, auf dem wir heute – noch – stehen. Dies vermochte anscheinend nur eine von den Idealen der Nächstenliebe und Brüderlichkeit geleitete Gemeinschaft. Die Schönheit des Klosters Fossanova scheint mir vor allem hierin begründet, dass mit dem dort gestorbenen Thomas v. Aquin gesprochen sich in dieser Schönheit eine existenzielle Wahrheit über unser Dasein ausspricht. Und hier schließt sich der Kreis zur Moderne, zu einer anderen Moderne allerdings, als der heute deformierten: Mies wählte ebendiesen Satz Thomas v. Aquins „Das Schöne ist der Glanz des Wahren!“ zum Leitmotiv seines Bauens. Dies ist der Kern guter Architektur.


Foto: Becher Rottkamp Generalplanung
Andreas R. Becher ist Geschäftsführender Gesellschafter des Geeneralplaners becher + rottkamp mbH sowie des Projektentwicklers und Bauträgers becher + rottkamp Häuser GmbH. Im Vorstand des BDA Berlin hat er den Schwerpunkt „Berufsbild“.

Text: Andreas Becher

Baukultur braucht ­Wirtschaftlichkeit

Diese Aussage stammt von Otto Wagner. Was der österreichische Architekturtheoretiker und Stadtplaner Wiens in den 1890er-Jahren sagte, ist heute so aktuell wie damals. Wirtschaftliches Denken und Handeln sind unentbehrliche Voraussetzungen für gutes Bauen. Das schulden wir nicht nur unseren Bauherren und Auftraggebern, unseren Mitarbeitern und Kollegen im Büro, sondern nicht zuletzt auch uns selbst, um für unser Engagement als Architekten ordentlich honoriert zu werden. Nur auf der Basis von wirtschaftlichem Handeln können wir bessere Bauten realisieren.

Für Bauherren, ob privat oder institutionell, ist die Einhaltung ihres Zeit- und Kostenrahmens ein zentrales Anliegen. Vor einer Sprengung ihres Budgets und Terminplans haben sie mehr Angst als vor einem Einsturz ihres Rohbaus. Es gehört zur Baukultur, Kunden bei ihrem wichtigsten Anliegen zu unterstützen. Und je aufgeschlossener und engagierter wir Architekten für dieses Anliegen sind, desto mehr respektieren sie uns in Fragen der Gestaltung ihrer Bauwerke.

„Wir passen auf die Kasse auf!“

Wenn sich Architekten jedoch dem ökonomischen Denken verweigern, dürfen sie sich nicht wundern, wenn immer mehr Teile der Wertschöpfung in Planung und Bau Dritten übertragen werden: Generalunternehmern, Projektsteuerern, ÖPP-Anbietern, ausführenden Dritten. Der Ökonomie-Verweigerer mag sich als Baukünstler auf der Suche nach dem Erhabenen, dem Schönen und Guten als sauber und moralisch überlegen hinstellen. Aber er nimmt sich jeden Einfluss – eben auch auf die Gestaltung / Ästhetik.

Das wirtschaftliche Handeln muss auch über das korrekte Umsetzen der HOAI hinausgehen. Jedes Büro braucht eine klare strategische Ausrichtung; Jedes Projekt und jede Leistungs- und Arbeitsphase braucht eine ehrliche professionelle Kalkulation und den Nachweis der Auskömmlichkeit. Es gehört zur gelebten Baukultur, dass unsere Arbeit und die unserer Mitarbeiter anständig bezahlt wird. Dagegen kann kein baukulturell hochwertiges Produkt entstehen, wenn Architekten es auf der Basis von Selbst- und Kollegen-Ausbeutung zu entwerfen und zu realisieren versuchen.

Einen wirksamen Beitrag zum guten Bauen können wir leisten, wenn wir nicht im Auftrag eines Dritten Architektur abliefern, sondern wenn wir das Projekt selbst beherrschen. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus plädiere ich für Architekten als Projektentwickler. Wir haben beste Voraussetzungen dafür: unsere ganzheitliche, integrierende Denkweise, ein Sensorium für den Ort, die Imaginationskraft für ein nutzergerechtes Projekt und nicht zuletzt unseren Willen zur Qualität.

Projektentwicklungsarbeit ist vielen Architekten längst vertraut; sie heißt bloß nicht immer so: In den frühen Leistungsphasen prüfen wir bauliche Standortpotenziale, setzen sie in räumliche Konzepte um, besorgen Baurecht, managen die Realisierung des Projekts und versuchen es für spätere Nutzer zu optimieren. Wer das alles kann, der kann auch den restlichen Teil der Projektentwicklerarbeit leisten.

In der konventionellen Architektentätigkeit haben wir nur Einfluss auf den Plan. Aber das reicht nicht – wir brauchen mehr Einfluss auf seine Realisierung. Darum sollten wir diese selbst in die Hand nehmen, wann immer es sich ergibt. Wir haben als feine, individuelle Gebäudemanufakturen gute Chancen gegen die anonyme Industrie der Fertighausfabriken und der großen institutionellen Bauträger, deren Rechtsabteilungen größer sind als die beauftragten Planungsbüros. Architekten als Projektentwickler können Qualität planen, und sie können den Abnehmern ihrer Projekte Qualität demonstrieren und ein Bewusstsein für diese Qualität vermitteln. Wir können unsere eigene architektonische Handschrift pflegen und dabei unser Büro auf dem Markt profilieren. Wir können schließlich sicher sein, dass unsere Ortskenntnis und unsere Ideen uns selbst zugute kommen – und nicht dritten Investoren. Beim eigenen Projekt greift keiner unser Lokal-Know-how ab. Niemand verlockt uns zu kostenfreier, doch aufwendiger Akquise in der diffusen Hoffnung auf einen bezahlten Auftrag. Niemand nimmt unsere Pläne unter den Arm und sucht sich einen anderen, der sie in geringerer Qualität realisiert.

Gute Architektur gelingt nur, wenn sie mehr ist als Selbstzweck. Für unsere Kunden ist sie Teil einer integrierten Leistung, zu der auch die ­Sicherheit bei Kosten, Terminen und mehr gehört. Umgekehrt ist jedoch auch wirtschaftliches Denken kein Selbstzweck. Es schafft architek­tonische Autonomie – und mit ihr den Raum, in dem Baukultur erst ­entstehen kann.

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1 Gedanke zu „Kulturverdienst und Geldverdienen

  1. Wenn jemand eine Stradivari kauft, sind seine Überlegungen nicht ökonomischer Natur! Es geht dabei auch nicht um die utilitas! Seien wir uns ehrlich! Ein mp3 Player kann viel mehr als eine Geige,.. Und kostet nicht annähernd so viel! Es würde aber niemand abstreiten wollen dass der Preis einer Stradivari gerechtfertigt ist! Der Glaube dass der Mensch nur ökonomischen Richtlinien folgen würde, wenn er konsumiert ist also absurd! Ich vermute, dass der Konsument den tieferen Wert der Architektur, wie ihn Jörn Köppler beschreibt, nicht mehr hinterfragt, weil der Konsument vergessen hat, dass es soetwas überhaupt noch gibt,… insbesondere wenn Architekten zunehmend ökonomische Bauinhalte verfolgen! Aufgabe der Archiekten wäre es aber vielmehr die Kultur des Schönen in Erinnerung zu halten, damit der Mensch, ähnlich wie bei einer Stradivari, nicht den Wert der Architektur auf den Preis reduziert! Den Wert vieler Dinge lässt sich nicht in Preise ausdrücken! Und das Schöne muss nicht unbedingt teuer sein! ….

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