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Nasses und das NAX

Wie für die Landschaftsplaner des Ateliers Dreiseitl weltweite Wasser-Projekte und die Patenschaft im Architekturexport-Netzwerk NAX ineinanderfließen

31.01.20125 Min. Kommentar schreiben

Von Simone Hübener

Die Landschaftsplaner im Heimatbüro des Ateliers Dreiseitl brauchen zu Fuß nur zwei Minuten zum Ufer des Bodensees. Und sie arbeiten in Überlingen, also unweit eines einzigartigen Pfahlbaumuseums mit Steinzeitfunden und im See stehenden Häusern. Ist es da noch Zufall, dass das Atelier weltweit gefragte Planungskompetenz in Sachen Wasserprojekte hat? „25 Jahre praktische Projekterfahrung mit Wasserthemen“ (das letzte Wort tiefblau) weist es auf seiner Website (Grundfarbe hellblau) aus. Und neben der üblichen Büroausstattung findet sich auch eine „Entwicklungs- und Modellwerkstatt, in der Realmodelle bis zum Maßstab 1:1 mit regelbarer Wassermenge getestet und weiterentwickelt werden“.  Bürogründer Herbert Dreiseitl spricht von sich als „Künstler und Landschaftsarchitekt“ und stellt fest: „Wasser ist weit mehr als nur ein Gestaltungsmittel oder Material. Es verlangt danach, seine lebendigen Möglichkeiten wiederzuentdecken.“

Tanner Springs Park in Portland, USA: Ein Projekt von Atelier Dreiseitl

Schon bei der Bürogründung 1980 „rückte die Arbeit mit dem Element Wasser in den Vordergrund“. Einen Meilenstein stellte 1996 das Regenwassermanagement für den Potsdamer Platz in Berlin dar. Was dort vom Himmel fällt, wird bis zum letzten Tropfen auf dem Areal behalten und nicht in die Vorfluter eingeleitet, ganz so, als wäre das Gelände gar nicht bebaut. Die Gebäude sind untrennbar mit dem Freiraum verbunden, Ökologie wird zu einem wichtigen Teil der Stadtplanung, nichts ist nur Dekoration.

Überlingen und Übersee

Mit dem Thema Wasser gelang auch der Sprung über den Atlantik nach Amerika. 2002 begannen die Planungen für den Tanner Springs Park in Portland im Nordwesten der USA. Das 4.000 Quadratmeter große Gelände mitten in der Stadt war einst ein Feuchtgebiet, doch die Historie längst vergessen. Atelier Dreiseitl realisierte bis 2005 ein Konzept, das auf das Erleben von Wasser abzielte, Menschen, Tieren und Pflanzen ein Biotop zurückgab. Im Rückblick erwies sich dieses erste interkontinentale Großprojekt als wichtiger Schritt zu einem global tätigen Büro. Inzwischen hat Dreiseitl Niederlassungen in Singapur, Beijing und Portland. Das Büro ist in Europa, Asien und Nordamerika gleichermaßen daheim. Seit einem Jahr ist es Mitglied im Netzwerk Architekturexport- NAX und gehört zu  seinen 44 Paten: international tätige Büros aus Deutschland, die mit anderen ihr weltweites Know-how und ihre Kontakte austauschen. Zu den Paten gehören unter anderem Albert Speer & Partner, Barkow Leibinger, Behnisch, Eller + Eller, Gerber, HPP, Ingenhoven, Léon Wohlhage Wernik und Volker Staab (Liste aller Paten hier).

Wasser für Asien: Im Bishan-Park in Singapur renaturierte Dreiseitl einen Bach, der zuvor in eine Betonröhre gezwängt war. Im chinesischen Zhangjiawo wurden Bäume und Kanäle der Agrarlandschaft weitestgehend erhalten und tragen zusammen mit den Flächen zur Regen- rückhaltung das Landschaftskonzept.

Ein Wissenspool voller Informationen

Gegenseitiger Rat zählt viel in der internationalen Arbeit. Was für die Arbeit in Deutschland klar ist, stellt sich jenseits der Grenzen oft ganz anders dar: Wie ist der Umgang mit den Projektpartnern? Wie werden die Projekte finanziert? In Amerika zum Beispiel oft auch im öffentlichen Bereich mit Sponsoren- und nicht mit Steuergeldern. Wie detailsicher sind örtliche Bauarbeiter und Handwerker? An welchem Punkt muss die eigene Arbeit enden? Oft kann zum Beispiel die Ausführungsplanung nicht mehr eingeschlossen sein – die Umsetzung der eigenen Pläne liegt in fremder Hand. Und wie stellt man dann sicher, dass das Ergebnis wenigstens in großen Teilen dem entspricht, was man geplant hat?

Bei all dem hilft das von der Bundesarchitektenkammer 2002 gegründete NAX. Es unterstützt „grenzüberschreitend tätige Architekten und Stadtplaner aus dem In- und Ausland auf ihrem Weg zu neuen Märkten und vermittelt Kontakte zwischen in- und ausländischen Kollegen, Bauherren und Investoren. – so NAX-Projektleiterin Gabriele Seitz. Im Ausland tätige Architekten speisen mit Ihrem Wissen über die verschiedenen Länder den Pool. Wer den Schritt in ein bestimmtes Land wagen will, fischt sich von dort alles Nötige heraus. Dazu werden von der Bundesarchitektenkammer unter anderem verschiedene Datenbanken erstellt und aktualisiert, pro Jahr ein bis drei Broschüren zu einzelnen Ländern herausgegeben sowie Markterkundungsreisen, Messebeteiligungen, Ausstellungen, Podiumsdiskussionen und die regelmäßigen NAX-Paten-Treffen organisiert (mehr dazu hier).

Innereuropäischer Architektur-Export: Ein Projekt des Büros in London

Das passt zur Haltung von Herbert Dreiseitl, Dieter Grau und Gerhard Hauber, die mittlerweile als ebenbürtige Partner das Atelier leiten.Sie und ihre Mitarbeiter wollen andere von ihrem Wissen profitieren lassen. Das NAX sehen sie in diesem Sinn als soziale Struktur. Die Bedeutung von Beziehungen zu Kollegen ist den drei Partnern und ihren Kollegen auch deshalb bewusst, weil sie selbst beste Kontakte zu prominenten internationalen Architekturbüros pflegen – zum Beispiel Zaha Hadid, Steven Holl, Foster + Partners, Sanaa und Renzo Piano. Im NAX stärkt Atelier Dreiseitl jetzt seine Kontakte zu deutschen Büros.

Auch Europäer lernen viel

Der Internationalität des NAX entspricht die des Ateliers Dreiseitl. Die drei Partner legen großen Wert darauf, dass ihr Team international besetzt ist mit Deutschen, Asiaten, Nord- und Südamerikanern. Sie kommunizieren weltweit; per Videokonferenz erhalten die Mitarbeiter in Überlingen einen Einblick in die Planungskultur von Singapur – und umgekehrt: Europäer lernen zum Beispiel, welche Probleme begrünte Flachdächer auf den oft von Tropenregen gefluteten Philippinen bereiten. Oder sie lernen die ganz anderen Maßstäbe kennen: In Deutschland beplant man ein Gebiet mit einigen tausend Quadratmetern, in Asien wird im Bereich der Landschaftsplanung dagegen nur noch über Quadratkilometer gesprochen.

Umgekehrt vermitteln sie Erfahrungen mit der Renaturierung und Säuberung von Flüssen. In vielen asiatischen Ländern sind diese stinkende Kloaken, die den Anwohnern mehr Last als Lust sind. Zugleich gelangt ein Großteil des Regens nicht mehr ins Grundwasser. Ein anderer Aspekt des grünen Bewusstseins der Deutschen kommt in Neubaugebieten zum Tragen: Große alte Bäume, die dem Quartier später Identität verleihen, werden bislang meist gefällt und durch viel kleinere ersetzt. Sie zu schützen und zu bewahren, ist vielen ein neuer Gedanke – und für Dreiseitl, Grau und Hauber eine Form des geistigen Architekturexports.

www.dreiseitl.net

www.architekturexport.de

Simone Hübener ist Fachjournalistin für Architektur und Bauen in Stuttgart.

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