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Öl verbauen

Mit Treibhauswänden gegen den Treibhauseffekt

30.09.20102 Min. Kommentar schreiben


Von Roland Stimpel

„Wohin können wir Bedrängten uns noch wenden, wohin fliehen?“ Das ist nicht aus Johann Sebastian Bachs Kantate „Wo soll ich fliehen hin“, sondern aus der „Deutschen Bauzeitschrift“. Ihr aber geht es um das Gleiche wie damals Bach, nämlich um die Flucht vor einer Sünde – heute natürlich der am Klima. Ein paar Zeilen weiter im Text kommt dazu Werner Sobeks Wohnblase unter einem Sternenhimmel vor, „der uns eine Zukunftsprojektion jenseits aller irdischen Jammertäler ist“.

Anlass des zeitschriftlichen Lamentos war eine Ausstellung in Hamburg über endzeitliche Klimakapseln. Im zugehörigen Internet-Kurzfilm trug der Kurator einen schwarzen Trauerschlips, der aber sehr ent­spannt gebunden war, mit dem Knoten nahe am Herzen. Das lerht uns: Die Lage ist zwar lebensbedrohlich, aber nicht unbedingt ernst. Eine hierzulande recht weit verbreitete Stimmung: Was kümmern uns die Probleme Pakistans von heute oder die der Malediven von morgen? Viel betroffener macht doch der wohlige Schauer des Entsetzens, der uns beim Denken an die zwei Grad plus im Jahr 2050 über den Rücken rieselt. Bis dahin dürfen wir noch ein paar letzte Male auf die zwanzig Grad wärmeren Malediven jetten.

Das Empfinden, dass die Bedrohung eher fern ist, dringt auch durch die Zeilen mancher Bau-Kantate. Etwa der über den aktuellen Berliner „Gegenentwurf zum Klimatisierungs- und Heizungswahn“, die das Feuilleton der „Süddeutschen Zeitung“ sang: zwei Häuser mit Wänden aus Polycarbonat. Der sonst für Treibhäuser verwendete Baustoff soll jetzt den Treibhauseffekt eindämmen. Die Zeitung lobt einen der Bauten, weil er „auf alles Überflüssige verzichtet“. Natürlich auch auf Dämmstoffe aus Erdölprodukten. Im Winter reichen dem hier wohnenden Paar „die beiden beheizbaren Kammern und der Platz vor dem Kamin“. Der war ja schon immer Gegenentwurf zum Heizungswahn, da er so fein die Stadtluft würzt und da das Brennholz aus dem nächsten Forst per Fahrradanhänger kommt. Genial an den Häusern ist auch, dass anstelle der nicht vorhandenen Dämmstoffe gleich die­ ­ganze Polycarbonat-Hülle ein Ölprodukt ist. Und solange das Öl in der Wand steckt, wird es wenigstens nicht klimaschädlich verbrannt.

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