Fred Wagner
Eigentlich hatte Bernd Joosten andere Pläne. „Ich habe immer gedacht, irgendwann ist in diesem Büro Schluss und dann geht es in eine eigene Selbstständigkeit“, sagt der 41-Jährige Mitinhaber des Berliner Büros für Landschaftsarchitektur Atelier Loidl.
Das mit der Selbstständigkeit traf auch ein, doch anders und viel schneller, als er sich das vorgestellt hatte. Innerhalb weniger Tage musste sich Landschaftsarchitekt Joosten entscheiden, ob er das Büro, in dem er bisher als Angestellter gearbeitet hatte zusammen mit einem Partner übernehmen wollte.
Niemand dachte an eine Übernahme
Rückblende. Anfang 2004 fällt der damalige Büroinhaber und Firmengründer Professor Hans J. Loidl durch einen Gehirnschlag ins Koma. „Von einem Tag auf den anderen wusste niemand im Büro, wie es weitergeht“, erinnert sich Joosten.
Zum Glück entstand durch den Ausfall des Chefs kein Vakuum. Da Loidl zur Hälfte seiner Zeit an der TU tätig war, beschäftigte er Lorenz Kehl als Büroleiter, der das Planungsbüro auch selbstständig führen konnte. Also lief die Arbeit im Büro zunächst wie gewohnt weiter. So lange, bis klar wurde, dass Loidl aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr ins Büro zurückkehren würde. „Lorenz Kehl und unser Kollege Leonard Grosch und ich haben dann erste Gespräche geführt über das Thema, wie es ohne den Chef weitergehen könnte“, erzählt Joosten. „Niemand dachte zu dieser Zeit ernsthaft an eine Büroübernahme.“
Das änderte sich schlagartig im Oktober 2004, als der amtlich bestellte Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Büros die Entscheidung traf, alle zehn Angestellten zu entlassen. „Mit der Möglichkeit, zusammen mit meinem Kollegen Lorenz Kehl das Büro zu kaufen“, sagt Joosten, der 1996 als studentische Hilfskraft im Büro Loidl angefangen hatte.
Doch das war leichter gesagt als getan. Joostens Gedanken pendelten zwischen mehreren Optionen: in einem anderen Büro als Landschaftsplaner von vorn anzufangen, den Beruf zu wechseln oder mit der Übernahme von Loidl einen eigenen Arbeitsplatz zu kaufen.
Lange Vertragsverhandlungen
„Für einen Kauf sprach, dass sich das Büro auf dem Markt bereits etabliert hatte, Räume und Inventar vorhanden waren sowie ein eingespieltes Team und eine angenehme Arbeitsatmosphäre“, erzählt Joosten, der nach der Arbeit als Landschaftsgärtner, Meisterschule und Studium in Berlin zur Landschaftsplanung kam. Dagegen habe an erster Stelle die Kaufsumme gesprochen.
Um die finanzielle Situation transparent zu machen, wurde die Steuer- und Anwaltskanzlei des Büros eingeschaltet, die den Wert des Büros mithilfe verschiedener Berechnungsmodelle ermittelte. Dabei war zu berücksichtigen, dass das Büro genau in dieser Zeit einen großen Wettbewerb gewonnen hatte und die Realisierung des Auftrags ausreichend Arbeit für die nächsten zwei bis drei Jahre versprach. Auch der Eigenanteil der Käufer am Wert des Büros musste kalkuliert werden. Joosten: „Es ist ein Unterschied, ob ein Externer das Büro kauft oder ehemalige Mitarbeiter, die mit ihren Überstunden und ihrem Herzblut den Wert des Büros gesteigert haben.“
Die Vertragsverhandlungen zogen sich vom Dezember 2004 bis zum März 2005 hin. Beide Seiten wurden durch Rechtsanwälte vertreten. Am Ende einigten sich Bernd Joosten und sein Kollege Lorenz Kehl mit den Anwälten von Hans J. Loidl auf einen Kaufpreis im sechsstelligen Bereich – und darauf, die Kaufsumme aus den laufenden Einnahmen zu finanzieren. Auch der Name des Büros „Atelier Loidl“ wurde im beiderseitigen Einverständnis übernommen. Joosten: „Das war nicht nur wichtig für bestehende Projekte, sondern der Name hat auch einen gewissen Markencharakter.“
Vertrauen, Mut und Zuversicht
Kollegen, die an eine Übernahme denken, empfiehlt Joosten: „Man sollte bei einer Büroübernahme in jedem Fall mit Rechtsanwälten und Steuerberatern zusammenarbeiten. Denen muss man dann vertrauen und Entscheidungen mittragen.“ Auch eine Portion Mut und Zuversicht ist am Anfang sehr hilfreich, sagt Joosten. „Viele Sachen erschließen sich erst später, wenn man erkennt, an welchen Stellen man etwas verändern muss. Dann macht man im nächsten Jahr schon weniger Fehler, das nennt man dann Erfahrung.“
Nach der Büroübernahme 2005 haben die neuen Inhaber Joosten und Kehl mit drei Mitarbeitern relativ klein angefangen. Innerhalb des Jahres kamen zwei Mitarbeiter hinzu. 2006 folgten weitere Mitarbeiter sowie Leonard Grosch als dritter gleichberechtigter Partner der Partnerschaftsgesellschaft. Heute arbeiten im Atelier Loidl 15 Menschen, überwiegend fest angestellt. Zahlreiche Wettbewerbserfolge und realisierte Projekte in den vergangenen zwei Jahren belegen die erfolgreiche Übernahme. „Wir haben uns ja selbst gekauft, nicht die Katze im Sack“, sagt Joosten. „Ich kann zwar nicht abschließend sagen, ob das eine gute Entscheidung war, aber ich würde es jederzeit wieder tun.“