Von Wolfgang Bachmann
Wenn man zum Arzt geht wegen eines Zahnimplantats, einer Netzhautoperation oder einer Darmspiegelung, wünscht man sich, dass der wachhabende Medizinmann den Eingriff schon tausendmal gemacht hat und mit allen Eventualitäten vertraut ist. Gleichzeitig erwartet man neben aller kompetenten Routine sympathische Aufmerksamkeit für seine ängstliche Psyche als Patient.
Genau das erhoffen sich Bauherren, die sich jahrzehntelang für ihr freistehendes Wunschhaus verschulden, von ihrem Architekten. Als Kranke suchen wir regelmäßig unterschiedliche Fachvertreter der Ärzte auf; doch kaum fünf Prozent der Bauwilligen gehen mit ihren Hausplänen zu einem freien Architekten. Die es dennoch tun, diese exotische Spezies, ist ähnlich wie der Privatpatient erwartungsfroh, oft vorinformiert, auf jeden Fall überzeugt, dass ausgerechnet ihr Gebrechen (die Mangelerscheinung eines fehlenden eigenen Hauses) der besonderen Zuwendung von Experten bedarf. Die natürlich durch zahllose frühere Arbeiten, assistiert von erfahrenen Fachplanern, mit allen denkbaren Anforderungen vertraut sind, mit Diplomatie und Schlitzohrigkeit Behörden und einspruchsträchtige Träger öffentlicher Belange zu überzeugen wissen, für die geschickte und pünktliche Handwerker parat stehen und denen der Ruf unverbrüchlicher Budgettreue vorauseilt. Und die sich dennoch ihren Bauherren mit therapeutischer Neugier widmen, als hätten sie nie zuvor einen interessanteren Auftraggeber getroffen. So wünschen sie sich ihre baukünstlerischen Dienstleister.
Aber die meisten Häuslebauer sind mit der Grundversorgung zufrieden; für ihre Wohnvorstellungen reichen Kassenleistungen oder rezeptfrei von planvorlageberechtigten Heilpraktikern besorgte Anwendungen. Oh, wenn wir das noch erleben dürften, dass Bauen und Wohnen und das dafür ausgebildete Personal so angesehen wären wie die Weißkittel, die für die Volksgesundheit verantwortlich sind!
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Sehr geehrter Herr Bachmann,
mit welchem Handwerkszeug kommen ArchitektInnen der Erwartung nach „sympathischer Aufmerksamkeit für die ängstliche Psyche“ des privaten Bauherrn nach? Immerhin wird in Deutschland nach wie vor lediglich einmal im Leben gebaut. Die meisten Menschen haben niemals vorher oder nachher mit so viel Entscheidungen und Geld zu tun.
Der Satz „Aber die meisten Häuslebauer sind mit der Grundversorgung zufrieden; für ihre Wohnvorstellungen reichen Kassenleistungen oder rezeptfrei von planvorlageberechtigten Heilpraktikern besorgte Anwendungen.“ lässt ahnen: Da gibt es nichts. Diskretidierung jedenfalls ist keines.
Deshalb: ändern Sie Ihre Herangehensweise. Wie lässt sich gute, gelingende Partnerschaft zwischen PlanerIn und BauherrIn erreichen? Ein alter Hut: Anfangen muss man stets bei sich selbst. Sonst wird das nichts.
Mit freundlichen Grüßen,
Luitgard Gasser