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Richtiges Näschen

Gebäudeplanung für die Wohngesundheit wird von Bauherren immer häufiger nachgefragt. Eine Qualifizierung vermittelt Planern das passende Fachwissen.

01.08.20095 Min. Kommentar schreiben
Realisiert: Das europaweit erste nach dem Sentinel-Haus-Konzept zertifizierte Massivhaus entstand in Talheim bei Heilbronn.

Nils Hille

Eine geschulte Nase hilft. Wenn ein Bauherr davon spricht, dass sein Haus „schön neu“ riecht, dann weiß Peter Bachmann, „dass es meist eher nach Chemie stinkt“. Er leitet das Sentinel-Haus-Institut in Freiburg, dessen Aufgabe die Förderung der Wohngesundheit ist. Bachmann will unter anderem den Geruchssinn von Architekten sensibilisieren: „Das ist eigentlich eine simple Sache, mit der ein Planer aber sein Bewusstsein für wohngesundes Bauen schärfen kann.“

In der Qualifizierung zum Sentinel-Haus-Fachplaner, die Bachmann mit seinen Kollegen entwickelt hat, ist das genauere „Hinriechen“ dabei ein erster Schritt. „Denn nicht nur wenn es stinkt, kann etwas nicht stimmen“, sagt er. Auch geruchsneutrale Gesundheitsgefährdungen sollen die Fachplaner durch das Seminarangebot zu vermeiden lernen. Ein weiterer Aspekt ist der rechtliche Hintergrund: „Wenn Sie zum Beispiel gezielt für einen Allergiker ein Haus bauen und dieser gesundheitliche Probleme durch einen Inhaltsstoff eines Materials bekommt, dann haften Sie“, so Bachmann. Und nicht nur weil ein Produkt ökologisch ist, ist es automatisch gesund. „Viele Architekten argumentieren gegenüber dem Kunden mit Halbwissen. Sie wissen nicht, dass schon Holzinhaltsstoffe problematisch sein können.“

Bedarf klären

Was kann ich dem Bauherrn versprechen und auch einhalten? Dies ist eine zentrale Frage der dreitägigen Qualifizierung zum gesunden Bauen. Der erste Schritt, um sie zu beantworten, ist die gezielte Kommunikation mit dem Kunden. Hierdurch soll der Architekt die Bedürfnisse richtig ermitteln: „Wenn ich zum Beispiel weiß, um welche Allergie es geht, dann weiß ich auch, welche Aspekte in der Planung eine Rolle spielen müssen“, erklärt Bachmann.

In einem zweiten Schritt lernen die Teilnehmer wichtige Informationsquellen kennen und ihren Umgang damit. Fachdozenten zeigen die Möglichkeiten auf, den aktuellen Stand der Empfehlungen und Gefährdungen von Baustoffen nachzulesen oder anzufragen. Die Teilnehmer sollen für Umweltchemie und -medizin sensibilisiert werden, ohne dabei komplexe naturwissenschaftliche Zusammenhänge durchblicken zu müssen.

Schon bei den ersten Grundrissplanungen sollen die Architekten dann die einzelnen Krankheiten der zukünftigen Bewohner berücksichtigen können. „Ein Pollenallergiker zum Beispiel, der von draußen ins Haus kommt, ist sehr froh, wenn er eine Möglichkeit zum Haarewaschen hat, bevor er den eigentlichen Wohnraum betritt“, erklärt Bachmann. Viele weitere Beispiele liefern Architekten, die schon wohngesunde Baukonzepte umgesetzt haben – in ihren Vorträgen bei der Qualifizierung.

Doch nicht nur der Frontalunterricht bestimmt das Programm. Auch Workshops in interdisziplinären Gruppen mit Bauunternehmern und Baustofflieferanten sorgen für einen Fachaustausch zu gemeinsam erarbeitetem Wissen.

Guter Geruch: Die Zertifizierung des Sentinel-Haus-Instituts besiegelt nach Raumluftmessungen unabhängiger Experten ein Häuserleben lang frische Raumluft.

Quotenhit

Hinzu kommen an den drei Tagen Themen wie das Verhalten auf der Baustelle sowie Chancen für den Vertrieb und das Marketing. Vor allem Letzteres ist ein entscheidender Aspekt. Schließlich wollen die Architekten ihr Zusatzwissen nutzen, um die entsprechende Nische des gesunden Bauens zu besetzen. „Sie können sich mit diesem immer häufiger nachgefragten, sehr positiven Thema auf dem Markt positionieren. Medien und Verbraucher sind daran sehr interessiert“, so Bachmann.

Viele der Absolventen halten mittlerweile externe Vorträge, wie er berichten kann: „Wenn sie das an einem Samstag für wenig Geld in einer Volkshochschule machen, scheint das erst einmal nicht lukrativ. Doch wenn zwei der 15 Zuhörer den Architekten nachher bitten, doch mal einen Entwurf zu machen, hat er eine direkte Wertschöpfung erreicht.“ Und diese Quote sei dabei nicht ungewöhnlich.

Großes Interesse hat auch Ralf Vogel aus Stutensee-Spöck bei seinen Vorträgen erlebt. Der Architekt spezialisierte sich schon im Studium auf das Thema Holzbau. Nach dem Abschluss machte er sich direkt selbstständig und arbeitet mit seinen drei Kollegen fast ausschließlich in diesem Bereich. „Den Wunsch nach wohngesundem Bauen haben immer mehr Kunden, da viele gesundheitlich vorbelastet sind“, so Vogels Erfahrungen. Doch nicht alle Krankheiten können leicht berücksichtigt werden. Die Architekten und das Sentinel-Haus-Institut müssen teilweise viel Überzeugungsarbeit bei Gesprächen mit der Industrie leisten, damit diese die Zusammenstellung von Produkten so ändert, dass sie bedenkenlos beim Bau verwendet werden können. „Es gibt viele Umweltsiegel, auf die man sich aber nicht einfach verlassen sollte“, rät Vogel.

Bewusstsein statt Bioboom

Die architektonische Gestaltung eines Hauses sei von der wohngesunden Herangehensweise aber nicht beeinträchtigt, betont der Architekt: „Das sind dem Aussehen nach keine typischen Biohäuser. So ist es bei gesunden Kunden auch nicht der Bioboom, sondern ein Bewusstsein, das die Entscheidung beeinflusst.“
Nicht nur durch seine Vorträge werden die potenziellen Kunden auf Vogels Arbeit aufmerksam. Das Sentinel-Haus-Institut listet auf seiner Internetseite die Absolventen der Qualifizierung mit Kontaktdaten auf. Unter dem Punkt „Partner“ bildet sich so mit Wissenschaftlern, Baustoffindustrie und -handel eine nützliche Sammlung an Namen und Links – für Bauherren und Architekten. Zusätzlich gibt es eine Plattform für aktuelle Informationen, so Vogel: „Alle paar Tage wird der Blog auf der Seite mit Neuigkeiten zum wohngesunden Bauen bestückt. Den nutze ich ständig.“

Kosten, Module, Qualitätskontrolle

Die Qualifizierung zum Fachplaner wird bundesweit immer wieder an unterschiedlichen Orten angeboten. So können die Teilnehmer Reisekosten sparen. Die Kursgebühr beträgt für drei Tage 930 Euro.

Akquiriert ein Fachplaner seinen ersten wohngesunden Bauauftrag, kann er ein weiteres Modul buchen. Hier begleiten ihn Experten beratend in dem persönlichen Pilotprojekt. Vom ersten Planungsgespräch bis zur Übergabe an den Kunden werden Hilfen angeboten, um Sicherheit auch in der praktischen Umsetzung zu bekommen.

Um die Qualität der Qualifizierung zu sichern, müssen die Fachplaner zwei Jahre nach der dreitägigen Veranstaltung erneut zum Seminar des Instituts. Nur dann dürfen sie den Titel „Sentinel-Haus-Fachplaner“ weiterverwenden. Termine und Netzwerk:

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