Preußisch-italienisches Berlin
Würde ein Chamäleon mitten in seiner Metamorphose zu neuem Outfit von einer Zauberin versteinert, sähe es dem Stadtschloss in Berlin ähnlich – halb so, halb so. In diesem unglücklichen Aufzug ist es durch den Bundestag gerannt und wurde allseits beklatscht.
Zugegeben, die Preußen hatten nie eine eigene Baukultur, es sei denn man nennt sie „Preußischen Kopismus“. On parlait francais und man baute italienisch. Schlüter, Schinkel, Persius und all die Hofarchitekten hatten königliche Anordnungen zu erfüllen – als Hofnarren – bis zum Campanilekirchlein in Sacrow an der Havel, sooo schön italienisch! Berlin wurde italienischer als Italien wie heute die Toscana-Fraktion deutscher Arrivisten italienischer ist als die Italiener. Auch das Stadtschloss war stilistische Importware und all die „italienischen“ Baudenkmale rundum.
Nun war es eine zeitlang weg und „Erichs Lampenladen“ stand da – unitalienisch und damit unpreußisch. Er sollte „die neue, die sozialistische Zeit“ anzeigen. Als diese pleite machte, wurde das sozialistische Symbol „Erichs Lampenladen“ nach kurzer kleinkultureller Annektion durchs Volk bilderstürmerisch geschliffen und zur Wiese eingeebnet. Nun regte sich das Volk, zumindest die Volksvertretung, den alten, den preußischen Zustand wiederzuerrichten, um ein preußisch-italienisches Berlin neu zu gebären: Neugeburt eines absolutistischen Greises!
Die vielen Kopien rundum sind Original für das Neue. Wir alle wissen, das ist Zeitgeist – nein das ist Zeit, denn Geist kann dem nicht zugesprochen werden. Überall aber werden die Ahnen vergangener Kulturen ungeachtet ihrer geistigen Hintergründe in eine demokratische Welt transplantiert und das Volk ist glücklich. Hat die heutige Zeit keinen Geist? Hat Demokratie keinen Geist?
Peter Ustinov jammerte im Kurzfilm 1976 als jener Georg, der 1776 die Unabhängigkeitserklärung unterschrieb, wo denn die Kultur bliebe, wenn ein Bäckerbursche Präsident werden könne, der nie das Regieren gelernt hat, nie Kultur lernen musste wie er, Georg, dessen Beruf, von Kind an erzogen, der König war.
Richtig ist: Pluralistische Entscheidungen landen grundsätzlich am unteren Rand der Mäßigkeit. Richtig ist auch: Demokratische Strukturen lassen sich zwar durch Fachkraft beraten, entscheiden dann aber wieder pluralistisch – und: siehe oben. Delegation und Vertrauen? Nie! Offenbar kann die demokratische Struktur keine eigenständige Kultur entwickeln und hängt deshalb so sehr an royalen Kulturen durch royale Entscheidungen. Das „Volk“ liebt nun einmal die „Yellow-Press“ über die nachbarlichen hohen Häuser. Nehmen wir also als „demokratische Kultur“ hin, dass es keine eigene gibt?
Wieder ist das „neue“ Stadtschloss italienisch, wird gar „vom Italiener“ gebaut. Nur ist es hier noch ganz anders. Wie anfangs erwähnt: Es ist keine Rekonstruktion sondern jenes in der Verwandlung versteinerte Chamäleon. Ganz preußisch wollte der demokratische Volksvertreter nun doch nicht werden, ein bisschen anders schon. Das Andere, das „neue“ Outfit des Chamäleons, sollte Veränderung darstellen, die Zeit spiegeln.
Das aber wäre „Dekonstruktivismus“ Der dafür zuständige Philosoph heisst Jacques Derrida: „Déconstruction“ befreit von vorgegebenen Notwendigkeiten zu einer „radikalen Zäsur in dem normalen Verlauf der Geschichte.“, befreit von Architekturtradition zu revolutionären neuen Formen (COOP Himmelblau) oder eben vom „Preußischen Kopismus“ zu neuen Formen.
Und damit ist die demokratisch beschlossene Baukultur entlarvt. Wenn die revolutionären neuen Formen von COOP Himmelblau vielleicht als Freejazz betrachtet werden können, den wohl wenige schätzen und noch weniger verstehen, gar zu verstehen suchen, so ist der dekonstruktive Duktus des Stadtschlosses mit der dumpfen Marschmusik des Gleichtaktes mit dem Ziel der Gleichschaltung zu empfinden, Grundlage zweier Weltkriege. Heute donnert dieser sture Rhythmus in Ermanglung von Krieg als Dicsosound und Heavy Metal durch die Stätten der gelangweilten Jugend.
Betrachten wir also das „neue“ Outfit des Schlosses, könnte man einen „SPEER“wurf 70 Jahre weit zurück denken oder „italienisch“ an Mussolini, Antonio Sant’Elia und die Futuristen. Dem schweren faschistoiden Aussehen der Bauteile zwischen den italo-preußischen Spolien fehlt es an revolutionärem oder gar zukunftweisendem Geist, sie sind die erdrückende Verschlichtung der alten Aussagen unumstößlicher Machtausübung – schlimmer als der „preußische Kopismus“, der immerhin seine Machtausübung verniedlichte und mit den italienischen Schnörkeleien dem Volk das Ganze als wunderschön darbot. Stalin konnte das auch und zog die Zuckerbäckerei den sozialistisch gedachten Konstruktivismus vol El Lissitzky, Tatlin und den anderen vor.
Die sekundäre Bauform des Stadtschlosses aber ist der Bauideologie des „Kapitalfaschismus“ entliehen, der realen absolutistischen monetären Macht über das Volk und seine gewählten Vertreter. Allenthalben stehen in diesem Kleid die neuen Kathedralen der Gesellschaft global verteilt in allen Finanzzentren. Das ist die „kulturelle Revolution“: Eine Anbiederung an die wahre „royale“ Herrschaft. So ist die Zeit – es fehlt der Geist bis auf den Geist des Mammons. Ist das die Architektur der Demokratie? Sie hinge am Tropf des Kapitalfaschismus und alle wissen: Sie hängt hilflos daran.
Das Schlimmste aber ist: „Humboldt-Forum“ soll das Ganze heißen und junge Menschen sollen darin den Atem der Brüder Humboldt atmen. Sie werden ersticken! Wilhelm, der große Geist der Bildung, Alexander, der große Geist der Forschung, beide würden hier ersticken! Es wird geschehen, es geht nicht anders, es ist demokratisch beschlossen. Schade!
Prof. em. Dr.Ing. Dirk Althaus, Hannover
Falsche Frage
Auf eine falsche Frage kann es keine richtige Antwort geben, das beweisen die Finalisten des Wettbewerbs. Im sensiblen und Kräfte zehrenden Prozess um Fortschritte bei der Einigung unserer Gesellschaft ist diese Rekonstruktion keine Antwort, die alle Schichten erreichen kann. Wenn also Arnulf Baring neuerdings fordert, dass der Bundespräsident ins Stadtschloss ziehen soll („Cicero“, 18.12.2008), wird es langsam Zeit, die Bundestagsplattform E-Petitionen zu testen: Wir brauchen ein Moratorium. Wie bereits Rem Koolhaas vermutete: „…ist die Idee, das Schloss wiederaufzubauen, der Versuch, eine historische Epoche auszuradieren – und gleichzeitig den Menschen in Ostdeutschland zu zeigen: Eure Leben waren nutzlos“ („Spiegel Online“).
Ernst-Wolf Abée, Architekt, Berlin
Das ewig Gestrige
Um es vorweg zu nehmen: Ein neuer Architekturwettbewerb muss her. Es braucht einen neuen Bauherren, eine neue Jury und ehrliche, kompetente Architekten.
Um Architektur im Sinne der Vitruvschen Trinität kann es sich bei dem aktuellen Wettbewerb nicht handeln, von Fassaden ist die Rede, die auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit gehandelt werden:
Eine unansehnliche Lochfassade, spreeseitig, die Opposition und Jugend soll damit korrumpiert werden, aber drei pompöse Barockfassaden für die ewig Gestrigen, die vermeintlichen „Kulturbürger“.
Die Einheit von Venustas, Utilitas, Firmitas wurde in Ihrer gesellschaftlichen Relevanz missachtet. Es regiert die Beliebigkeit. Wo Hohenzollern-Boulette drauf steht, sollte Monarchie drinnen sein.
Wir haben aber – Gott sei Dank – eine freiheitliche, hart erkämpfte Demokratie, deshalb ist ein „Forum der Deutschen Einheit“, die angemessene Utilitas in Mitte, im Herzen Berlins, nicht ein imaginäres Humboldtforum. An diesem städtebaulich exponierten Ort muss auch die Architektur als Inkarnation der Solidarität, der Freude und des Stolzes konzipiert werden und nicht als nostalgische Reminiszenz ewig Gestriger. Alles andere ist Etikettenschwindel, um es nicht Lüge zu nennen. Um auf die Pro- und Contra-Argumente beider Artikel angemessen reagieren zu können, bedarf es mehr als eines Leserbriefes, deshalb weg von allen imaginären und architekturtheoretischen Argumenten und hin zu den gesellschaftlichen Fragen:
- Haben wir Deutsche nicht die zwei furchtbaren Weltkriege verschuldet?
- Haben die Deutschen nicht die KZ gebaut, auch wenn die Kulturbürger das KZ Ettersberg in KZ Buchenwald umbenannten?
- Wollen wir mit der baulichen Restitution der Boulette, so tun als hätte sich all das Furchtbare nicht ereignet?
- Glauben wir, alles ungeschehen machen zu können? Leisten wir den Braunen Schützenhilfe?
- Drücken wir uns vor der Verantwortung für die Vergangenheit?
- Bekennen wir uns zu der Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft?
- Brauchen wir eine Chimäre, architektonische Gruftis und Wiedergänger?
- Wer schickt die nostalgiebesoffenen Deutschen mit dem Knochenhauer Amtshaus, Frankfurter Römer, Braunschweiger, Potsdamer Schloss, Frauenkirche u. a. in die Ausnüchterungszelle der Vernunft. Ehrlichkeit und Verantwortung oder lässt sie sich an den sieben Weltwundern austoben?
Was sagte doch Schiller, dessen 250. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, im Wallenstein zu diesem Thema:
Nicht was lebendig, kraftvoll sich verkündigt,
ist das gefährlich Furchtbare.
Das ganz Gemeine ist’s, das ewig Gestrige.
Was immer war und immer wiederkehrt.
Und morgen gilt, weil’s heute hat gegolten!
Beherzigen wir dies, wagen Neuanfang, Basisdemokratie und einen neuen Wettbewerb.
Dr. Günter Andres, Architekt BDA, Erfurt
Emotionen wecken
Ein Bauerwerk ist gut gelungen, wenn es positive Emotionen weckt – denn die brauchen wir dringend. Der Entwurf von Herrn Franco Stella nimmt sich angenehm zurück, ohne langweilig zu wirken. Die fortgeführten Sturzbänder, also die aufgenommenen Geschosshöhen führen zu Ruhe und Harmonie. Ich möchte den Entwurf als organisch bezeichnen, weil ein Teil (Neubau) sich aus dem anderen (Altbau) entwickelt und die Einzelteile sich zu einem organischen Ganzen fügen. Solche Architektur ist selten geworden.
Gleichwohl wird der Wiederaufbau des alten Schlosses mit neuen Materialien und zeitgemäßen Werkzeugen ohne die ursprüngliche Lebendigkeit bleiben, es wird keine Geschichten erzählen, es wird keine Erinnerung haben. Bedenken Sie zum Beispiel, dass früher die Steine von Hand behauen und versetzt wurden, durch den Hammerschlag des Maurers einen Plus- und Minuspol bekamen und so die Wände energetisch aufgeladen wurden. Heute würden wohl Fassadenfertigteile und Stahlbeton verwendet, dieser schirmt den Raum von jeglichen kosmischen Einflüssen ab. Das Gebäude würde innen wie außen leblos erscheinen.
Es werden viele leere Hüllen errichtet, die oft unabhängig von der Nutzung geplant wurden. Ein Gebäude soll Menschen und Unternehmen einhüllen. Das Unternehmen erhält ein Gesicht und eine Ausstrahlung. Es repräsentiert was die Kunden im inneren zu erwarten haben: Kompetente Beratung, kreatives Design oder strukturiertes Lernen und Lehren. Der Raum äußert sich, indem er Hülle wird. Er verweist die von außen Blickenden darauf, was er in sich birgt. Im Idealfall ist die gesamte Formgebung identisch mit dem Zweck, dem das Bauwerk dienen soll. Wen oder was soll das Schloss also beherbergen können?
Welchen Sinn hat der Wiederaufbau also? Wozu ist so ein Bauwerk gut? Wo bringt es uns weiter?
Seit jeher hat die gebaute Umwelt den geistig-seelischen Zustand der Menschen widergespiegelt. In der Antike stand der Altar draußen vor dem griechischen Tempel und der Kultus, die Gottesverehrung fand im Freien statt. Die Menschen waren dem Gott so nah, sie konnten seine Stimme überall und zu jeder Zeit hören.
Mit der Götterdämmerung zogen die Menschen samt Altar in die Sakralbauwerke ein, sie suchten zunehmend den räumlichen Schutz und die Stille, die Besinnung in der Gemeinschaft, um die Stimme Gottes, um Eingebungen wahrnehmen zu können. Heute suchen wir den Christus in uns: Ein weiterer Schritt der Verinnerlichung, des Rückzuges, der Verlangsamung ist nötig. Das hat eine Individualisierung zur Folge. Aber nicht in der Art wie wir sie verstanden haben: Vereinzelung statt Versammlung, Vereinsamung statt Verbundenheit. In der Architektur spiegeln uns scharfkantige Einzelobjekte Ellenbogenmentalität und Egoismus, die Durchsichtigkeit der modernen Glasfassaden den gläsernen Patienten und die zunehmende Rechtmäßigkeit der Abhörverfahren.
Für mich lautet deshalb die brennende Frage: Wie muss ein Gebäude gestaltet sein, dass den heutigen Menschen darin unterstützt, sich weiter zu entwickeln, die Bewusstseinsseele zu entwickeln und zum Wahren, Schönen und Guten zu finden?
Brauchen wir dafür eine Schlossrekonstruktion? Hilft uns dieses Projekt, diese aktuelle Frage anzugehen?
Kirsten Bertz, Architektin und FengShui-Beraterin, Norderstedt
Kollektives Scheitern
Man kann zu Recht den Abriss des Palastes der Republik beklagen, die zu eng gestrickte Ausschreibung des Wettbewerbes kritisieren und der zukünftigen Schlossfassade mangelnde Authentizität vorwerfen. Aber die ewige Architektenklage, am Schlossplatz „hätte man alle Möglichkeiten gehabt“ ist Selbstbetrug. Wo waren denn in all den Jahren die Visionen für den Schlossplatz? Die vom „Berliner Tagesspiegel“ dazu geladenen „Stararchitekten“ konnten jedenfalls keine bieten. Und auch die Wettbewerbsergebnisse zeigen ein kollektives Scheitern der Architekten gerade an der frei gestellten Ostfassade, wo das Humboldt-Forum als visionäres Gebäude in einen groß angelegten modernen Stadtraum hätte hineinwirken können.
Die zunehmende Tendenz, historische Gebäude zu rekonstruieren, zeigt, dass eine immer breitere bürgerliche Schicht gegenüber architektonischen Visionen misstrauisch ist. Diesen Vertrauensverlust empfinden Architekten zu Recht als Ohrfeige, doch statt lautem Protest wäre Selbstreflexion angemessen. Muss gute Architektur zwangsläufig extravagant oder sogar provokant sein? Wie modern ist es eigentlich, Lamellen an Fassaden zu schrauben die keine Funktion haben außer Ornament zu sein? Wie futuristisch ist es, die 70er-Jahre-Architektur wiederaufzugießen? Und wie zeitgenössisch ist es, eine Lobby mit 80 Jahre alten Designklassikern zu möblieren?
Wie Ullrich Schwarz richtig festgestellt hat, ist die Rekonstruktion der Berliner Schlossfassaden ein Kind unserer widersprüchlichen Zeit und wird von der Kunstgeschichtsschreibung als solches jenseits der zeitgenössischen Dogmen bewertet werden. Mit der oft vorgeschobenen Berliner Provinzialität hat das jedenfalls nichts zu tun denn selbst in Paris gibt es ein Komitee zum Wiederaufbau des Palais des Tuileries …
Dr.-Ing. Jens Birnbaum, Berlin
Überraschend gutes Ergebnis
Der preisgekrönte Entwurf ist angesichts der Ausschreibung ein überraschend gutes Ergebnis. Er ermöglicht eine Balance zwischen den drei vorgegebenen, geforderten Barockfassaden und Schlüterhof sowie einer vierten neuen Fassade und neuen Innenräumen, ohne dass die neuen Elemente hilflos kontrastieren oder auf Dauer unerträgliche modische Gags aufweisen.
Der preisgekrönte Entwurf wird den Streit über das Areal nicht beenden, er gibt dem Streit aber einen neuen Rahmen und verschiebt die Streitfronten: Zum einen wird der gemäßigte Teil der Schlossgegner einen solchen Entwurf dulden oder billigen. Zum anderen wird der Streit sich auf die entwurflichen Details verlagern.
Der preisgekrönte Entwurf ist ein Modell der Verteilung von Baumassen und (halb-)öffentlichen Räumen, begleitet von einem Vorschlag zur Fassadengestaltung, der sich auf drei Außenseiten an den barocken Vorgaben orientiert, auf der vierten Außenseite und im Innern (Westseite des Schlüterhofes, Neuorganisation des Eosanderhofes) rationalistische Architektur zeigt, die die Proportionen der Barockfassaden respektiert.
Die neuen, zeitgenössischen Elemente des preisgekrönten Entwurfs betreffen die Ostfassade, die innere Nord-Süd-Durchwegung und die Organisation des westlichen Hofes durch zwei Bauwürfel und einen bedeckten Innenplatz zwischen den Würfeln. Diese Elemente sind – neben der rationalistischen Fassade – die eigentliche Entwurfsleistung. Sie bieten eine überzeugende neue innere Organisation des Komplexes und ermöglichen eine zeitgenössische, relativ offene Front nach Osten.
Der preisgekrönte Entwurf hatte die Forderungen der Ausschreibung zur Voraussetzung, nicht aber eine Abstimmung mit den späteren Nutzern. Daher wird er im weiteren Prozess überarbeitet werden müssen. In diesem Prozess besteht die Gefahr, dass die positiven Elemente verwässert werden. Auch der einzuhaltende Kostenrahmen von 552 Millionen Euro wird Veränderungen erzwingen.
Städtebaulich wirft der preisgekrönte Entwurf (wie die anderen auch) weitere Fragen auf: Soll die breite Straße zwischen Humboldt-Forum und Lustgarten zurückgebaut werden? Wie soll der Schlossplatz zwischen Humboldt-Forum und Staatsratsgebäude im Detail gestaltet werden? Wie soll die Fläche zwischen Humboldt-Forum und Spreekanal gestaltet werden? Und insbesondere: Wie soll der Raum östlich des Humboldt-Forums gestaltet werden – das Areal des Restes des ehem. Apothekenflügels, der Uferstreifen westlich der Spree und das Marx-Engels-Forum östlich der Spree.
Damit ist – über die Frage der architektonischen Gestaltung und der Nutzung hinaus – die Grundfrage noch zu klären: Wird das Humboldt-Forum – anders als das ehemalige Schloss – eine Brücke zwischen dem Westen und dem Osten des Zentrums und der Gesamtstadt bilden? Der preisgekrönte Entwurf bietet eine Chance für eine solche Brücke, mehr aber auch nicht.
Prof. Dr. Harald Bodenschatz, Berlin
Lassen wir den Platz in Ruhe!
Das Schloss ist weg! Die DDR ist weg! Lassen wir den Platz in Ruhe. Zum Gedenken! ohne „Bauten“! Ich bin wirklich kein Architekturkritiker, aber ein Architekturstudent mit nunmehr 84 Jahren Praxis! Ist er wirklich so großartig, der Entwurf? Oder nur so einfach?
Karl Böhnlein, Architekt, Herne
Spannungen
Schloss Berlin: Pro und Contra der Wettbewerbsergebnisse:
Pro: Die Entscheidung, den Palast der Republik abzureißen und an dessen Stelle das Schloss in seinen wesentlichen Teilen wieder herzustellen, hat nicht wie damals beim Abriss des Schlosses 1950 ein Gremium weniger um Ulbricht, sondern die höchste demokratisch legitimierte Instanz der Bundesrepublik Deutschland der Deutsche Bundestag als Souverän und Bauherr getroffen. Wir haben – so auch ich – diese Entscheidung anzuerkennen und zu akzeptieren, auch wenn ich bis zuletzt mit allen mir zu Gebote stehenden demokratischen Mitteln versucht habe, den historischen – auch baulichen – Ort zu erhalten, an dem die Entscheidung zur Wiedervereinigung Deutschlands vor 20 Jahren gefallen ist. Von einer Mehrzahl der Wettbewerbsbeiträge jedoch war ich jetzt zum Teil sehr angenehm überrascht. Sie zeigten, dass es durchaus möglich ist, ein spannungsvolles Verhältnis zwischen Schlossrekonstruktion und Neubau in einem Kubus herzustellen. Architektur wird immer von dieser Spannung leben und dadurch auch über die Generationen hin Bestand haben.
Contra: Im Siegerentwurf spürt man diese Spannung vielleicht am deutlichsten zwischen Schlüterhof und Passage im Inneren. Davon dringt jedoch leider nichts nach außen. War die barocke Schlossfassade schon wenig spannungsvoll, so wirkt der moderne „Anbau an das Schloss“ – um mit Lieschen Müller zu sprechen – noch langweiliger. Ihr hätte sicher Herrn Tchopans Entwurf viel besser gefallen, weil er konsequent die Barockfassade „im Osten vollendet“. Doch es geht meiner Meinung nach bei der Wiederherstellung des Schlosses an erster Stelle um die städtebauliche Einordnung des Kubus im Stadtraum zwischen Dom, Altem Museum und Zeughaus. Dem Siegerentwurf gelingt diese Einordnung nicht. Leider wird in den beiden Artikeln im Architektenblatt darauf nicht Bezug genommen. Dabei wäre es so einfach gewesen, hätte man auch ganz klar vorgegeben, dass beim Neubauteil dem historischen Städtebau zu folgen ist. Es wäre die Spannung erreicht worden, die uns alles Gewachsene liebens- und lebenswert macht. So bleibt nur der fahle Beigeschmack des Beliebigen von moderner Architektur. Lieschen Müller würde bald fordern: „Wann können wir denn nun endlich den ollen neuen Anbau an unser schönes neues Schloss wieder abreißen.“
Peter Brenn, freischaffender Architekt, Berlin
Ahistorisch
Ich äußere mich zur Sache vom Standpunkt des architekturhistorisch interessierten Historikers.
Das u. a. konservativer Ideenlosigkeit einerseits und insbesondere einer in Deutschland auf der Flucht vor der Vergangenheit jahrzehntelang gepflegten ahistorischen Grundeinstellung andererseits geschuldete Nutzungskonzept für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses bleibt problematisch. Dass der prämierte Entwurf von Franco Stella aber unabhängig von der Beurteilung des Gesamtkonzepts erhebliche Kritikpunkte im Detail bietet, darunter auch solche von grundsätzlicher Bedeutung, die sich allerdings korrigieren lassen, kommt in der allgemeinen, ideologisch aufgeladenen Diskussion praktisch nicht vor, obwohl der Teufel auch hier in demselben steckt und in der Sache nur „konstruktive“ Kritik weiterbringt.
Die von Stella im Osten vorgeschlagene „moderne“ Neubauarchitektur des Spreeflügels, die in der Ausschreibung keineswegs „zwingend“ vorgeschrieben, sondern nur als „möglich“ freigegeben war, soll die ideologischen Matadore eine „modernen Konfrontationsarchitektur“ ruhigstellen. Sein Entwurf wirkt jedoch durch optisch nicht zurückspringende, tennisplatzgroße, unnötigerweise aber ungegliederte Wandflächen sowohl im Süden wie im Norden wie ein orthogonaler, an den virtuos musikalisch gegliederten Bau Andreas Schlüters starr „angeklebter Kasten“ und Stellas zu großflächig-akzentlose Nord-Süd-Ausdehnung des östlichen Fassadenrasters gegenüber der rhythmisierten Architektur Schlüters jedenfalls in der vorliegenden Form nur einfallslos grobschlächtig-schematisch. Sie erscheint daher ästhetisch als äußerst fragwürdig und passt optisch in der Tat eher zu Versicherungs- oder Sparkassenbauten in der Provinz!
Hinsichtlich der Funktionalität des Spreeflügels verfährt Stella gegenüber dem vorgegebenen Nutzungskonzept inkonsequent: Bisher wurde die Rekonstruktion der ältesten, etwas verwinkelten östlichen Schlossteile (die beiden kleinen historischen Innenhöfe böten überdacht sehr attraktive hohe Ausstellungsräume!) immer mit der Begründung, eine solche lasse zu wenig Nutzraum für das geplante „Humboldtforum“ zu, abgelehnt, um „wenigstens dort“ eine „moderne“, die räumliche Situation maximal ausnutzende Zweckarchitektur errichten zu können. Der Entwurf zeigt dagegen eine weitgehend leere, im Grunde funktions- und einfallslose Repräsentationsarchitektur (sollte diese wirklich so gebaut werden, dürfte sie spätestens in einer Generation als „überflüssig“ wieder zur Disposition stehen!): Nach den bisher zugänglichen Presseinformationen enthält der geplante Ostflügel überwiegend nur begehbare Loggien mit dem Blick auf das „postsozialistische“ Nichts der östlich der Spree liegenden Stadtbrache des Marx-Engels-Forums (derartiges haben die beiden großen Vordenker der Arbeiterbewegung übrigens keineswegs verdient!) und den unsäglichen SED-Fernsehturm und innen ein riesiges Treppenhaus mit in jedem Geschoß zwei gegenläufig fluchtenden endlosen Treppenrampen.
Zudem ist der überlange, in der Aufsicht von Osten viel zu klotzig wirkende Baukörper im West-Ost-Querschnitt so schmal gehalten, dass mehr als die Hälfte der Grundfläche der ehemaligen Ostausdehnung des historischen Spreeflügels unbebaut bleibt, wodurch eine riesige leere Ostterrasse entsteht, welche die schon seit den Neubauten der SED sowieso bestehende Osterweiterung der Uferterrasse völlig unnötig auch noch nach Westen fortsetzt. Dadurch entstünde allenfalls ein plattenbelegtes („pflegeleichter Rasen“) windiges Tummelfeld für Rollbrettfahrer und würde zudem ein heute verfluchter und mit Mühe wenigstens teilweise korrigierter städtebaulicher Fehler des 19. Jhs. wie die hochzeitstortenhafte „Freilegung“ des Kölner Doms wiederholt. Der angestrebte – städtebaulich positive – Effekt einer Begehbarkeit des Spreeufers wäre aber selbst bereits bei vollständiger Neuerrichtung des Baukörpers des historischen Spreeflügels gegeben. Statt dessen wird zur Erreichung genügend großer umbauter Nutzflächen der größere Teil des Großen Schlosshofes mit Nutzarchitektur gefüllt, über deren gelungene oder nicht gelungene Anpassung an den historischen Schlossbau die bisher veröffentlichten Quellen noch kein Urteil zulassen.
Es kann, da der geforderte Nutzraum insgesamt offenbar ausreicht, nur eine Alternativentscheidung geben: entweder Nutzarchitektur in einem in Richtung West-Ost breiteren, dafür aber nach Süden zu kürzeren Spreeflügel und freier Großer Schlosshof oder Nutzbauten dort (dies ist vorzuziehen) und wenigstens Nachbau der zusätzliche Nutzflächen bietenden Kubatur des historischen Spreeflügels zur Einrichtung eines „Schlossmuseums“ zur Versammlung und Dokumentation aller an verschiedenen Orten erhaltenen Spolien, Inventarteile, Pläne und Photos des von Ulbricht vernichteten Schlosses.
Die Ausschreibung sah die volle Wiederherstellung der drei Barockfassaden vor, es fehlt bei Stella jedoch der für den Übergang vom Süd- zum Ostflügel optisch entscheidend wichtige östliche Eckerker Schlüters. Die Gestaltung von Übergängen zwischen unterschiedlichen Baukörpern scheint manchen heutigen Architekten entweder keine wichtige Aufgabe zu sein, oder man lebt mit der Ansicht, dass architektonische Akzentsetzung nur der „Moderne“ („Konfrontation“) erlaubt sei, während die „Historie“ einfach dem „Neuen“ bedingungslos „untergeordnet“ wird. Durch die von Stella vorgeschlagene Art eines nahezu rücksprunglosen Vorziehens des Spreeflügels bis fast in die Fluchtlinie der Südfassade würde das problemlos wiederherstellbare Architekturensemble aus Schloss, Schlossgarten, Schlossbrücke und Denkmal des Großen Kurfürsten zerstört und zudem eine Rekonstruktion der spätgotischen Erasmuskapelle mit ihrem atemberaubenden Schlingengewölbe für immer unmöglich gemacht.
Es gab einen strukturell rekonstruierbaren Entwurf Schlüters für eine einheitliche „barocke“ Einfassung des über Jahrhunderte hinweg unregelmäßig gewachsenen Spreeflügels, dessen Grundumriss und erschließbares Fassadenraster das Grundschema für einen nördlich der zu rekonstruierenden Erasmuskapelle ansetzenden räumlichen Wiederaufbau des Ostflügels (ohne Hofapotheke) in moderner Form abgeben könnte. Entscheidend wichtig bleibt aber in jedem Falle das Freihalten des Schlossgartens von Bebauung und ein ästhetisch geschickterer Übergang von alten zu neuen Formen sowohl im Südosten wie auch im Nordosten (dort plante Schlüter einen Eckrisalit) des Baukörpers.
Die künftige Rekonstruktion des Schlüterhofes schafft eine großartige Perspektive, doch wurde das bereits historische Problem des Schlüters einheitliche Planung störenden, von ihm daher zur Disposition gestellten und deshalb jetzt keinesfalls in der alten Form wiederherzustellenden Mitteltraktes im Westen des Hofes in Stellas Entwurf, der sich für einen neuen Mitteltrakt auf den baulichen Idealfluchtlinien entschied, formal nur unzureichend gelöst. Alternativ hätte man auch auf eine moderne Abwandlung des Vorschlags Eosanders von Göthe, eine nach Osten zu oval sich öffnende Säulengalerie an Stelle des alten Mitteltraktes zu errichten, zurückgreifen können, was dem Entwurf Stellas für den verbleibenden Rest des Großen Schlosshofes durch Schaffung einer räumlichen Teilverbindung mit dem Schlüterhof die drohende Enge einer Schneise genommen, aber auch Verzicht auf umbauten Nutzraum nach sich gezogen hätte, der dann im Spreeflügel geschaffen werden müßte. Als folgenreicher Grundmangel des Entwurfes von Stella erweist sich, dass er zwar dankenswerter Weise auch die im Großen Schlosshof westlich an den Mitteltrakt anschließenden inneren Portalrisalite II und IV Böhmes und Eosanders rekonstruiert, aber auf die beiden zugehörigen, bis 1950 vorhandenen historischen Kopfachsen des angedachten, baulich aber nie vollendeten neuen Mittelflügels verzichtet, obwohl er deren Fluchtlinien aufnimmt.
Die angemessene Lösung des Problems der Verbindung von Alt und Neu liegt hier in deren korrekter Rekonstruktion und der Fortsetzung ihres Gliederungsrasters zur Schließung der zwischen ihnen bleibenden Baulücke in moderner, aber filigranerer als der von Stella vorgeschlagen, allzu flächig-massiven Form. Vor allem nimmt, soweit Modellphotos dies erkennen lassen, dessen in Proportionen und Gliederung zu grobes und flächiges Raster der Ostfassade des Mittelbaus (deren reflektorische Wirkung je nach Oberflächengestaltung Probleme bei der künftigen Wiederaufnahme der hergebrachten Nutzung des Schlüterhofes für Konzerte nach sich ziehen könnte!) die rundum laufenden Höhenlinien (Gesimse) des von Schlüter als einheitlichen Gesamtraumes konzipierten Hofes nicht durchgängig korrekt auf, sondern stört diese z.T. empfindlich. Dieser gravierende Fehler ist jedoch durch minimale optische (Fortsetzung der Gesimslinie) oder bauliche Veränderungen (Mezzaningeschoß!) einfach zu beheben.
Wichtig bei der noch nicht durchgeplanten Innenraumgestaltung bleibt, dass nach dem Grundsatz verfahren wird, dass alle ausreichend dokumentierten kunstgeschichtlich und historisch wichtigen Räume an ihrem historischen Ort exakt eingeplant werden und in der Zukunft Schritt für Schritt in der alten Gestalt nachgeschaffen werden. Dies muß grundsätzlich Vorrang vor den Raum- und Nutzungsansprüchen der zur Zeit vorgesehenen Nutzer haben.
Dr. phil. Konrad Bund, Wiss. Leiter des Deutschen Glockenmuseums auf Burg Greifenstein
Städtebaulich richtige Entscheidung
In der Diskussion um die Rekonstruktion des Berliner Schlosses werden die Argumente stets nur auf das architektonische Für und Wider verkürzt. So auf den heutigen Trend des Denkmalschutzes nur den „Zeugniswert des Steines und nicht auch den des Bildes“ gelten zu lassen oder auf die verletzte Eitelkeit und Selbstachtung heutiger Architekten. In dieser Diskussion wird die städtebauliche Bedeutung des Berliner Schlosses für das Stadtbild vernachlässigt, denn die Sehnsucht der Bürger nach Identifikation mit dem Verlorenen meint unbewußt das Raumgefüge nicht unbedingt die einzelne Fassade.
Um so erfreulicher ist es, dass die Jury eine städtebaulich richtige Entscheidung getroffen hat. Sicherlich ist dies auch dem Vorsitzenden der Jury zu verdanken. Im städtebaulichen Kontext mit Berliner Dom, den Bauten der Museumsinsel, der Universität und der Oper ist es richtig und wichtig, dass an dieser zentralen Stelle der Stadt wieder ein Gebäude entsteht, das sich mit einer differenziert plastisch gegliederten Großstruktur kraftvoll neben diesen Gebäuden behaupten kann. Die notwendige Massstäblichkeit in diesem städtebaulichen Ensemble kann nicht durch einen Bau mit glatter Hülle ohne gliedernde Großstruktur, aufgepoppt durch einige historische Versatzstücke, erbracht werden. Dies dokumentiert eindrucksvoll der Sonderpreis. Hierfür sei der Jury Dank.
Heutige Bauten, meist Solitäre ohne Einbindung in ein Ensemble, zeichnen sich nicht aus durch differenziert gegliederte Plastizität, die aber für dieses städtebauliche Gesamtgefüge unverzichtbar wichtig ist, sondern durch ungegliederte Großformen. Diese aber würden an dieser Stelle als Fremdkörper im Stadtbild wirken.
Udo Bünnagel, Dipl.-Ing. Architekt VFA, Stadtplaner, München
Urängste, die Moderne zu verraten
Der Architekturstreit „Tradition gegen Moderne“ ist eingefahren. Ihre Beiträge bringen neue Aspekte und sind zudem mutig, weil sie nicht die Klischees bedienen.
Leider interessiert sich die moderne Architektur viel zu wenig für den Kontext. Diesen Vorwurf muss sich auch die stilbildende Architekturavantgarde gefallen lassen. Es gibt zu wenig überzeugende zeitgenössische Baumeister, die sich in die historische Nachbarschaft einfügen (wollen). Im Gegenteil: Wir Architekten entwickeln allein beim Gedanken daran schon Urängste, die Moderne zu verraten. Uns fehlt deshalb die Übung beim Bauen im historischen Kontext – und Architekt Schlüter verdient deshalb den ersten Preis des Wettbewerbs. Ausnahmsweise!
Umgekehrt: Welche Stadt hat ihre (Schloss-)Aufbauten im Nachhinein bedauert? In Braunschweig zum Beispiel beschämt und irritiert nicht die neue Schlossattrappe der Eingangsfront, sondern die Banalität der anschließenden Shopping-Mall. Mehr Schloss wäre auch in diesem Fall „Mehr“ gewesen.
Dipl.-Ing. Helmuth Caesar, Stuttgart
Das Nötige rekonstruieren
Ohne nähere Hintergründe und Einzelheiten zu kennen, bleiben nur Randbemerkungen:
Die Kontrahaltung – „Kopflos bauen“ – entspricht voll dem journalistisch verkleisterten, Allgemeinplätze verbreitenden Gejammere über verpasste Chancen, als ob irgendetwas schon gebaut stände. Bis dahin ist zum Glück noch ein weiter Weg. Deshalb hoffe ich auch, dass die unter Pro-Schlossrekonstruktion geführten, teilweise recht tief und gut reichenden Begründungen dazu genutzt werden, die tatsächlich geschichtlich zu berücksichtigenden Seiten dieser Aufgabenstellung entsprechend in den weiteren Planungsschritten zu sichern. Hier sehe ich auch die tatsächliche Chance, das ästhetische Bauergebnis einer Rekonstruktion auf das absolut Notwendigste zu beschränken.
Diese Grenze scheint mir im prämierten Stella-Entwurf noch nicht hinreichend bestimmt zu sein: Was ist absolut an der Rekonstruktion erforderlich? Welche Geschichtsphasen sind mit welchem Gewicht zu berücksichtigen? Dass hierbei ein „Drahtmodell“ als historische Aussage nicht ausreicht, ist klar, aber was für das sogenannte „ kollektive Bewusstsein“ noch als erkennbar ausreicht, das kann erst die sukzessive Aufdeckung der Geschichts-Geschichten des Schlosses klären. Wenn geschichtliche Kontinuität ausgedrückt sein soll, frage ich zum Beispiel: Wo bleiben die ca. zehn Prozent Schlossgeschichte der SBZ-/DDR-Zeit, immerhin 44 Jahre (von der Schlossruine zu „Erichs Lampenladen“)? Auf diese Weise könnten beim Berliner Schloss die Moderne, die Postmoderne und das dekonstruktive Genöle zu einer ganz neuen, an dieser Stelle verständlichen Synthese führen. Das wäre bestimmt am Modernsten.
Nikolaus Clemens, Plan Werk Stadt, Bremen
Niemand braucht dieses Schloss
Natürlich ist heutzutage ein Schlossneubau von gestern: ein ehrgeiziges Bundesbauvorhaben im Herzen der Hauptstadt, wo nur behutsam das Zusammenwachsen zweier Stadthälften langfristig gelingen sein kann. Geduld, Demut und Zurückhaltung in Architektur und Stadtbaukunst wären zugunsten der Baukultur künftiger Generationen als gemeinsamer Identifikationswert mehr denn je gefragt.
Fakt ist, dass es bisher überhaupt kein tragfähiges Bauprogramm gibt, kein stimmiges funktionales Nutzungskonzept für zukunftsweisende Inhalte, keine Ideen für neu entstehende Wunden, die ein zusammengestoppeltes Humboldt Forum im wohl ausbalancierten und bewährten dezentralen Berliner Kulturgefüge vor Ort in Dahlem folglich reißen würden. Kurzum, es herrscht eine „inhaltliche Leere“ auf Bundes- wie Landesebene – die selbst in Sisyphosarbeit ein Sieger aus der Stadt eines Palladios nicht füllen könnte. Angesichts dieser Leere droht ihm eher das gleiche Schicksal wie einst dem prämierten Entwurf von Multhaup und Niebuhr von 1994 nach europaweiter Ausschreibung.
Heute passt zur Ambivalenz des vorherrschenden Zeitgeistes schon eine historisierende Fassadenarchitektur: Zudem – wenn sie populistisch so tut „als ob“. Und Berlin hat doch der kommunalen Planungshoheit auch hier längst entsagt. Schließlich besteht Aussicht auf ein einträgliches Geschäft in dreistelliger Millionenhöhe für die regionale Bauwirtschaft. Folglich ist hier jetzt vor allem „political correctness“ gefragt: also ein ideologisches Bemühen, um die Rekonstruktion des „imaginären Bestandes“ vor berechtigten Vorhaltungen einer geistigen Rückständigkeit und der drohenden „internationalen Blamage“ zu bewahren. Da interessiert dann auch nicht der Fakt, dass es in Berlin noch massenhaft freie Bauflächen und leerstehende Bauten des Bundes gibt. Aber auch sonst wäre an diesem Ort überhaupt gar keine Eile geboten: Niemand in der Stadt, dem eine tragfähige kulturelle Erneuerung für die Zukunft wichtig ist, braucht dieses Schloss heute! Niemand, vielleicht abgesehen von der Bauwirtschaft und einigen Ewiggestrigen und Nostalgikern, braucht dieses enorm teure Großvorhaben des Bundes hier und jetzt! Als Symbol für die noch andauernde Suche nach der verlorenen Mitte sollte dieser Ort künftigen Generationen vorbehalten bleiben, um einer gemeinsamen gesellschaftlichen Identifikation angemessen und zeitgerecht ihren Ausdruck zu verleihen.
P.S. Der Prozess über Schuld und Selbstverurteilung eines sich den Gemeinschaftsaufgaben Entziehenden stand bekanntlich im Zusammenhang mit dem Kampf um die Verwurzelung in der menschlichen Gesellschaft in Franz Kafkas Romanfragment „Das Schloss“.
Jörn Dargel, Stadtplaner, Berlin
Schlacht der Gestrigen
Ich halte den Streit über die Ausführung des Schlossneubaues in der Tat für eine Schlacht der Gestrigen. Vereinfacht gesagt Bauhaus- Gläubige contra Traditionalisten. Auf diesen Streit sollte sich niemand einlassen, denn dieser besteht lediglich innerhalb eines Teils der Architektenzunft und wird außerhalb, also in der großen Mehrheit der Bevölkerung, weder verstanden noch mitgetragen. Er mutet eher ein wenig weltfremd an. Dass die Jury mit dieser Kluft zwischen den Verantwortlichen, also den Ausführenden und den späteren Nutzern ihre Schwierigkeiten hatte, ist in den Medien breit diskutiert worden. Diese Auseinandersetzung hat ja viele Orte, an denen sie zu Tage tritt, sei es die klassische Blockrandbebauung vs. aufgebrochene, offene Straßenzüge oder das Aufbegehren mancher Bauherren und Bürgergremien gegen eine als zu schlicht empfundene Formensprache. Ich meine, dass insbesondere diese aktuelle Auseinandersetzung dazu genutzt werden sollte, festzustellen, dass es keine allgemeine Lehrmeinung mehr gibt, nach der heutzutage zu bauen wäre. Wir müssen uns alle daran gewöhnen, dass es andersdenkende Menschen gibt und dass diese Menschen möglicherweise sogar die Mehrheit hinter sich haben. Es sollten daher die Argumente überzeugen. Und offensichtlich hatte der erste Preis in diesem Fall die besten Argumente. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.
Sven Erik Dethlefs, Dipl.-Ing. Architekt, Hamburg
Ungenutzte Chance
Eine Kunsthalle auf der Basis des Palastes der Republik unter Verwendung neuster bautechnischer Mittel – so hätte die Vitalisierung des ehemaligen Palastes ein hervorragendes Symbol des wiedervereinten Deutschlands werden können, Zeichen eines souveränen politischen Umgangs mit Stadtgeschichte. Denn wenn man einem kollektiven Gedächtnis Rechnung tragen möchte, warum dann nicht dem frischen statt einmal mehr die Historie zu bemühen? Darüber hinaus sind aktuelle Entwürfe mit einem vergleichbaren architektonischen Duktus in der Lage, bei nationalen und internationalen Wettbewerben Ankäufe und Preise zu gewinnen. Eine gelungene moderne Fortsetzung der Museumsinsel hätte es werden können, auch mit einem ganz neuartigen Entwurf, eine klare und kraftvolle Geste. Tempi passati Aber ein Trost bleibt uns: Wir müssen unsere Meinung über halbherzige und mittelmäßige Architektur und Stadtplanung durch ungenutzte Chancen in Berlin nicht revidieren.
Bernd Dietrich, Dr. Ulrike Thimm, Berlin
In der Sackgasse
Abseits aller philosophischer (und vernebelnder) Erörterungen sollte die Diskussion um die Gestalt des Berliner Stadtschlosses/Humboldtforums auf den nüchternen Kern der Aufgabe zurückgeführt werden. Sie besteht aus dem Zielen, erstens die ursprüngliche städtebauliche Situation wiederherzustellen und zweitens einen angemessenen Rahmen für multikulturelle Bedürfnisse zu schaffen.
Zu 1) Diese Aufgabe wird von fast allen Wettbewerbsentwürfen erfüllt. Der „Palast der Republik“ hatte mit nicht zu überbietender Unsensibilität die städtebauliche Funktion des Schlosses als Gelenk zwischen Spreeinsel/Altes Museum und dem Straßenraum Unter den Linden zerstört. Die Wiederherstellung dieses unvergleichlichen städtebaulichen Kontinuums ist die wesentliche Rechtfertigung für den Abriss des „Palastes“. Die Wiedererrichtung der Kuppel scheint hingegen nicht zwingend zu sein.
Zu 2) Die an ein Humboldt-Forum zu stellenden Anforderungen werden von dem preisgekrönten Entwurf nur unzulänglich erfüllt. Statt locker und anziehend zu sein – wie etwa das Pariser Centre Pompidou – ist dieser Entwurf steril und abweisend. Dass sich hinter der kühlen Schlossfassade ein (doch hoffentlich) hochinteressantes Kulturangebot verbirgt, dürfte dem unbefangenen Besucher allenfalls durch eine große Leuchtschrift kenntlich zu machen sein. Dazu ist die Verlegung des Haupteingangs auf die Nordseite (mit Bezug zum Alten Museum) anstelle des kuppelgekrönten Westportals notwendig. Nicht notwendig, ja regelrecht kontraproduktiv, wäre die Wiedererrichtung der alten Fassaden (wohl aber die Übernahme ihres Maßstabs auf den Neubau), die dem Gesamtbauwerk einen Touch von Disneyland verleihen würden. Ihre Wiederherstellung wäre nur zu vertreten, wenn auch die ursprüngliche Funktion des Gebäudes, also Regierungssitz des Kaisers, wieder zustande käme.
Deutlich offenbart der Wettbewerb, dass die einschränkende Ausschreibung in eine Sackgasse geführt hat, aus der wohl nur – auf der Grundlage eines neuen Bundestagsentscheids – ein weiterer Wettbewerb führen wird. Das Schicksal Peter Zumthors sollte dem Preisträger doch erspart bleiben!
Hans-Peter Dittrich, Dipl.-Ing. Architekt, Esslingen
Bürgerwille!
Als „Erfinder“ der Musterfassade für die Bauakademie und deren selbsternannter Architekt ist mir die vergleichbare Diskussion zum Thema Rekonstruktionen noch sehr in Erinnerung. Insofern gratuliere Ihnen für Ihren sehr ausgewogenen Beitrag zu diesem Thema. Dem Inhalt Ihres Beitrages kann ich nur zustimmen.
Zum mehr hämisch-überheblichen denn sachlichen Beitrag von Jürgen Tietz fällt mir (zusätzlich zu Ihren Beispielen) noch ein: Wer, außer vielleicht einer Handvoll von Denkmalpuristen, betrachtet das von einer Bürgerinitiative wieder errichtete historische Knochenhaueramtshaus in Hildesheim nicht wohlgefällig? Der Slogan damals in den 70er-/80er-Jahren: BÜRGER BAUEN WIEDER AUF: DAS KNOCHENHAUERAMTSHAUS.
Auch für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses muss gelten: BÜRGER WOLLEN DAS SCHLOSS! Es kann nämlich nicht deutlich genug wiederholt werden: Die Auslobungsbedingungen für den Architektenwettbewerb Schloss wurden schließlich durch den Bundestag beschlossen. Sie spiegeln insofern die Auffassung der breiten Bevölkerung wider. Ein seltener Fall für Architektenwettbewerbe! Das Preisgericht hat sich, trotz gewisser Aufweichungsaktivitäten aus den eigenen Reihen – und auch von den sogenannten Selbstberufenen außerhalb dieses Gremiums -, schlussendlich nicht von den Auslobungsbedingungen entfernen lassen.
Respekt verdient der Erste Preisträger Francesco Stella (was soll das abwertende „Franco wen?“ im Beitrag von Jürgen Tietz?). Stella hat es vermieden, sich an diesem historischen Ort selbst zu verwirklichen. Sein originärer Beitrag zum Wiederaufbau des Schlosses ist die (Stella-)Passage von der Breiten Straße zum Lustgarten. Die Ostfassade vermeidet jedweden architektonischen Schnickschnack.
Horst Draheim, Dipl.-Ing. Architekt, Ratingen
„Krass arrogant“
Herzlichen Dank für Ihren Diskussionsaufruf, dem ich gerne in der Kürze nachgehen will, dass ich die Meinung eines Vertreters der nächsten Generation weitergebe: Als ich die Ausstellung über die Schlosskonzeptionen mit meinem 15-jährigen Sohn anschaute, sagte er: „Ich weiß gar nicht, warum dieses Schloss nun unbedingt gebaut werden soll. Kein Mensch scheint begeistert oder überzeugt. Und was soll da überhaupt wirklich rein? Warum kann man nicht damit warten, wo doch sowieso kein Geld da ist. Unsere Generation möchte auch noch etwas gestalten, warum muss jetzt alles vollgebaut werden? Ich finde das krass arrogant.“
Dipl.-Ing. Ulrike Eichhorn, Architektin, Berlin
Der nächste Palast, bitte!
Man stelle es sich vor, das Detail im Schlüterhof des Stella’schen Entwurfes: der Übergang von der Barockfassade zum Neubau. Eine der spannendsten gestalterischen Aufgaben der Architektur, die Verbindung von Alt und Neu, äußert sich hier schon beim ersten Gedanken daran als offensichtlicher Nonsens. Man stelle sich uns Architekten, die wir solche Detailpunkte gerne buchstäblich begreifen, im Angesicht dieser baulichen Situation vor: Schließt hier das Alte an das Neue an, oder eher umgekehrt? Verzahnt sich das Neue respektvoll mit der Struktur des Alten, oder ist das Alte nur ein dem neuen übergeworfenes Kleid? Jeder bauende Architekt würde sich wünschen, dieses spezifische Detail weglassen oder zumindest übergehen zu dürfen. Aber genau diese Stelle spiegelt wie keine andere die Problematik des gesamten Projekts wider.
Das Schloss wird gebaut, wir haben keine Wahl. Wie Walter Ulbricht, so haben auch wir wieder Nägel mit Köpfen gemacht: Der Vorgängerpalast ist weg, es gibt kein zurück. Zurück aber wollen wir, nämlich „unser“ Schloss zurück.
Der städtebaulich-volumetrische Wert des alten Schlosses kann kaum bestritten werden. Kein Mensch wird bezweifeln, dass Blickachsen, Sichtbezüge und das Verhältnis von bebauter Fläche zu Freifläche durch die an diesem Ort über Jahrhunderte „natürlich“ gewachsene Gebäudemasse des Schlosses eine in jedem Fall geeignete Lösung darstellen. Innerstädtische Freiflächen hat Berlin ja weiß Gott genug. Des Weiteren ist seit dem in jeder Hinsicht geglückten Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche eine differenzierte Betrachtung von Wiederaufbau, in seinen vielen Facetten zwischen archäologischer Rekonstruktion auf der einen und Disneyland auf der anderen Seite, durchaus pädagogisch vermittelbar und eine dezidierte bauliche Umsetzung möglich.
Das Problem ist unser Perfektionismus. Wir wollen alles möglichst perfekt und von Anfang an geplant. Der Punkt, an dem die – perfekt rekonstruierte – Barockfassade auf die – ebenfalls makellose – Stella-Neufassade treffen soll, ist schon vorher genauestens festgelegt. Genauso soll die – selbstverständlich perfekt – auf die Bauaufgabe ausgelegte Nutzung schon aus sich heraus den Neubauwunsch begründen. Ein Humboldt-Forum, ein Steinwurf entfernt von der Humboldt-Universität gelegen – das klingt vernünftig. Ein Museum für außereuropäische Kulturen dort, wo schon jemand vor Hitler außer europäischen auch weltumspannende Herrschaftsträume spinnen durfte – es findet sich für alles irgendeine Begründung.
Was uns ein weiteres Mal – wie so oft im 20. Jahrhundert – fehlt, ist die Offenheit, auch folgenden Generationen noch eine Entscheidungs- und Entfaltungsmöglichkeit zu geben. Wir wollen ein Residenzschloss, das fünf Jahrhunderte brauchte, um zu seiner endgültigen Ausprägung zu kommen, binnen kürzester Zeit neu- bzw. nachbauen und gleichzeitig im Handumdrehen die komplexe Integration moderner und historischer Baustile einschließlich eines wasserdichten Nutzungskonzeptes bewerkstelligen. Die Implantierung einer erfundenen Nutzung in einen Stadtraum, der erst noch gebaut, geschweige denn von der Bevölkerung entsprechend belebt werden muss, ist kein Detail, sondern eine Aufgabe. Und sie ist ähnlich unlösbar wie das Anfügen eines neu erfundenen Anbaus an einen noch nicht existenten historischen Altbau.
Der mit dem Sonderpreis gewürdigte Entwurf von Kuehn Malvezzi sieht eine spätere Fertigstellung – ganz im Sinne der Auslober – durch das Anbringen von Barockfassaden vor. Zweifellos hat hierbei die Devise „Wir bauen uns ein Fragment“ zu wenig Überzeugungskraft, vor allem, wenn das Endprodukt nicht viel anders würde als das Halbe-halbe-Schloss von Stella. Aber die mutige Idee, die von den Architekten transportiert wird, sollte der eigentliche Ausgangspunkt der Planungen sein: Das Schloss wird nicht geleugnet, eine Rekonstruktion einzelner Außen- und Innenbereiche in Form von Fassaden und Räumlichkeiten soll möglich sein, ein Aus- und Weiterbau des Ensembles im Sinne der Nutzung ist Teil des Konzeptes. Kein Mensch wird leugnen, dass im Zentrum einer der wichtigsten europäischen Städte sich eine Nutzung finden wird, wenn erst mal das Konzept eines sich entwickelnden Kulturforums von europäischem Rang seine bauliche Umsetzung findet. Keine Institution dieser Größe kann erfunden werden, sondern muss (über Jahrzehnte) erarbeitet werden.
Die Angst, die einen hingegen beim Anblick des Stella-Entwurfes beschleicht, ist nicht die, dass es sich dabei um einen weiteren Berliner Traufhöhen-Steinfassaden-Mittelmaßbau handeln wird, sondern die Angst davor, trotz einer engagiert geführten Debatte die Nachfahren und uns selbst wiederum vor vollendete Tatsachen zu stellen, welche auch schon dem Wunsch zum Abriss des letzten Palastes reichlich Nahrung gegeben hatten.
Dipl.-Ing. Florian Ewald, Architekt, Nürnberg
Luftschloss
Die politischen Umstände der Nachkriegszeit haben es verhindert, dass die Schlossruine wieder aufgebaut, statt dessen abgerissen wurde. Ein großer bedauerlicher Sündenfall der Geschichte, der durch die gegenwärtigen einfalls- und fantasielosen Absichten einiger Nostalgiker nicht wieder gut gemacht werden kann, sondern nur verschlimmbessert wird.
Deshalb seien wir konsequent, schauen nach vorn und begreifen die Stadtlücke als Chance für eine Neugestaltung in respektvoller Dimension. Stadtplanung ist kein Zustand sondern ein sich stetig wandelnder Vorgang. Schaffen wir also ein Humboldt-Forum das diesen Namen verdient, das in die Zukunft weist und nicht rückwärts gerichtet ist. Lassen wir uns nicht einreden, dass wir als Architekten nicht in der Lage sind, einen angemessenen anspruchsvollen, modernen, stadtgemäßen Entwurf zu erstellen, der diese Stadtlücke richtungweisend schließt. Der vorgesehene Spagat zwischen Historie und Moderne wird diesem Anspruch nicht gerecht.
Wir sollten es uns zur Aufgabe machen mit allen Mitteln ein Potemkinsches „Schloss-Forum“ zu verhindern. Die ökonomischen Daten sprechen trotz ministerieller Beteuerung ebenfalls dagegen, weil sie nicht den Realitäten entsprechen und mit sehr vielen Unbekannten behaftet sind. In der Gegenwart und auch der näheren Zukunft ist bei den wirtschaftlichen Gegebenheiten ein solches „Luftschloss“, was es hoffentlich auch bleibt, nicht zu verantworten.
Felix Fähnrich, Architekt VFA, Berlin
Rekonstruktion als Reflexion
In den Beiträgen hat mich besonders beeindruckt, dass Herr Stimpel von einem „Bild im Kopf“ spricht, das er gleichsetzt mit einem materiell existierenden Gebäude. Und dem Bedürfnis des Bauherrn, diesem Bild Gestalt zu geben. Herr Stimpel spricht in seinem Interview „Wir brauchen mehr Toleranz“ außerdem davon, dass es auf den Ort ankommt, an dem gebaut wird, und er fordert Pluralismus in der Architektur. Das bedeutet, dass wir Architekten nicht mehr an ein angeblich zeitgemäßes stilistisches Postulat gebunden sind, sondern dass es gilt, einen weitaus schwierigeren Weg zu gehen. Dieser Weg heißt „Architektur ist Kommunikation“. Dieser „kommunikative Weg“ führt zu gestalterischen Antworten.
Kommunikation mit dem Ort:
Mit welchen Bildern – aus der Geschichte oder Gegenwart – ist der Ort verknüpft, und was davon soll in der Architektur sichtbar werden?
Kommunikation mit dem Bauherrn:
Welche Bilder für „sein“ Gebäude hat er im Kopf? Was führt zu einem Identifikationsprozess Bauherr/ Nutzer und Gebäude?
Denn der Bauherr sollte gerade bei einer Bauaufgabe wie dem Berliner Schloss im Mittelpunkt stehen. Allzu oft nämlich handeln Architekten, wie Charles Jencks beschreibt: „Die Architekten teilen hier das Schicksal aller modernen Professionen: Sie bilden eine sich selbst rekrutierende, sich selbst evaluierende Community, in der Reputation nicht durch Zustimmung der Klienten, sondern der anderen Mitglieder der Community erworben wird. Verlorenging dabei das Votum der Benutzer. Sie waren in der modernen Architektur eine Randbedingung der Konstruktion, nicht ein Adressat des Schaffens.“
Schließlich tritt das fertige Gebäude in Kommunikation mit Betrachtern und Nutzern, es schafft einen neuen Ort innerer und äußerer Kommunikation, es schafft in seiner Umgebung Atmosphäre, die den Nutzer „anspricht“. An uns liegt es, dafür eine architektonische Sprache zu finden und mit Architektur einen verständlichen und nachvollziehbaren Kommunikationsprozess zu führen.
In deutschen Städten gibt es zuhauf Orte, die mit Bildern aus der Geschichte verknüpft sind. Das Bedürfnis, diese Geschichte sichtbar zu machen, spiegelt sich schon lange in unserer Gesellschaft wieder. Sonst wären kaum so viele Museen entstanden wie in den letzten Jahrzehnten. Erstaunlich auch wie populär Geschichte geworden ist, erstaunlich die Schlangen vor den Ausstellungen zu geschichtlichen Ereignissen. Geschichte ist populär geworden. Beigetragen hat dazu auch die deutsche Wiedervereinigung, durch die vielen Bürgern bewusst wurde, wie anders Geschichte und Lebensläufe aussehen können, wenn sich einige historische Details verändern, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist, wenn man die falsche Herkunft oder Hautfarbe hatte oder hat.
Die Auseinandersetzung mit Geschichte bedeutet zurzeit für die allermeisten Menschen, den eigenen Standpunkt im Hier und Jetzt verstehen zu wollen. Die Beschäftigung mit Geschichte ist eben nicht Revisionismus und rückwärts gewandte Sehnsucht wie sie es in den letzten Jahrhunderten allzu oft war. Sie muss mehr denn je kritische Reflexion sein. Dabei geht es nicht darum, die Moderne abzulehnen und sich auf die Rekonstruktion als Allheilmittel zu stürzen. Erst der Geist der Moderne ermöglicht die Pluralität, erst der Geist der Moderne lässt uns ideologiefrei wählen.
Die Museen sind angefüllt mit Originalen aber auch Rekonstruktionen, wenn es gilt, etwas zu veranschaulichen. Ausstellungen zeigen Rekonstruktionen, um Ereignisse zu erklären. Nun müssen auch wir Architekten lernen, mit dieser Geschichte sichtbar umzugehen, den Menschen die Chance geben, etwas Veranschaulichtes als Reflexionselement zu nutzen, Erinnern zu produzieren, manchmal auch Erinnerung zu provozieren. Wir sollten die Architektur in diesen Gesellschaftsprozess einbinden. Dann ist Rekonstruktion Reflexion. Dann wird Architektur zu einem Kommunikationsmittel, dessen Sprache von vielen verstanden wird.
Monika Falk-Huber, Büren
Mehr Gedankenfreiheit
Eine Antwort zu dem Artikel „Eine Residenz der Kälte“ von Hanno Rauterberg in der „Zeit“ Nr. 50/08:
„Die Wahrheit suchen,
die Schönheit lieben,
das Gute wollen,
das Beste tun.“
(Von Moses Mendelssohn, gefunden auf einem Spaziergang durch Berlin)
Es darf nicht darum gehen, einen einzelnen Architekten (den Preisträger) zu kritisieren, sondern es muss darum gehen, sich auf den Weg zu machen, um völlig neu nachzudenken über alte und bekannte Vorschläge für die Lösung einer weittragenden Bauaufgabe. Dafür ist zunächst eine g r u n d s ä t z l i c h e Analyse erforderlich. Das Dilemma dabei ist, dass weitreichende, sich bereits festgesetzte Denkstrukturen, die sogar aus den Beschlüssen des Deutschen Bundestages kommen, wieder aufgebrochen werden müssen.
Dafür ist wiederum zunächst Kenntnis und dann weiterreichend auch E r kenntnis erforderlich.
Das Problem, einerseits resultierend aus zu großer Masse und deshalb zunächst undurchschaubar, andrerseits geboren aus verworrenen Zielen, muss wieder erkennbar gemacht werden.
Schlussendlich reduziert es sich auf die Frage, wie wir denken, welches Selbstverständnis über unser Leben wir entwickeln konnten und wie man dieses überzeugend in zeitgemäßer Architektur darstellen kann. Dazu gehört natürlich der von Herrn Rauterberg eingeforderte Mut!
Zuvor ist aber die Einsicht der Verantwortlichen erforderlich! Selbst wenn es eine späte Einsicht wird, zu der maßgeblich das unbefriedigende Ergebnis dieses Wettbewerbes beitragen kann, wäre es ein Gewinn für die Entwicklung dieses „Neuen Deutschen Kulturhauses“.
Und dann erst werden auch die Architekten Mut im Städtebau und in der Architektur beweisen können. Denn die wenigen Mutigen, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können, mussten bei den bisherigen Vorgaben natürlich scheitern. Umso erfreulicher ist es, dass das Preisgericht den Vorschlag der Architekten Kuehn Malvezzi mit einem Sonderpreis bedacht hat.
Grundsätzlich ist es eine Schande, dass die verantwortlichen Entscheidungsträger überhaupt eine derartige Auslobung vorbereitet und herausgegeben haben. Auch wenn man glauben mochte, dass die moderne Architektur evtl. nicht für diesen geschichtsträchtigen Ort geeignet sein könnte oder dass es aufgrund der reichlich wilden und teils geschmacklosen Beispiele von Stararchitekten nicht opportun erschien, auf ein bessere Entwicklung zu hoffen, so zeigt sich doch nun deutlich, dass man die Flinte zu früh ins Korn geworfen hat. Insofern ist die harte Kritik von Herrn Rauterberg völlig richtig und zutreffend. Er hat eben wirklich weiter gesehen als der Auslober mit seinen Vorgaben und in der Folge davon die fehlgeleiteten Preisrichter. Ihm gebührt große Anerkennung für seine kluge Analyse und seine mutigen Sätze in einer Zeit des peinlichen Starkults und der Verehrung falscher Propheten.
Machen wir uns auf die Suche – zunächst nach den richtigen zeitgenössischen Zielen und dann erst nach neuen Formen -, zukunftsorientiert, weltoffen, kreativ. Die Nutzung, der Inhalt mag gefunden sein und kann getrost verbessert, ergänzt oder geändert werden. Die umfangreichen, merkwürdig positiven Kommentare in den unterschiedlichsten Medien, auch die Berichte im Medienspiegel des Fördervereins Berliner Schloss dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der grundsätzliche Ansatz „Viel Vergangenheit – wenig Gegenwart“ ein Irrweg ist. Rückwärts orientierte, allzu beflissene Anpassungsversuche sind dabei genau so falsch wie utopische, sensationelle und eitle Kreationen von Leuten, die nach Veröffentlichungen gieren. Wir müssen auf uns selbst vertrauen – auf unsere Zeit. Jeglicher Eklektizismus verleugnet die Realität, ist hohler Schein. Der Weg zur Wahrheit ist steinig und mühsam. Das war immer so. Vielleicht liegt er eher in einer stärkeren Verknüpfung von Gestern und Heute zu einem neuen Morgen. Vielleicht sollte man lediglich sorgfältig ausgewählte Teile der Barockfassaden in angemessener Zahl zur Disposition stellen, die erforderlichen Flächen erneut überdenken und festlegen – und dann der Gedankenfreiheit wieder mehr Raum geben. Die Möglichkeiten der zeitgenössischen Architektur sind noch lange nicht erschöpft. Die Stadt Berlin war dabei in der Vergangenheit auf einem guten Wege. Das beste Beispiel dafür ist doch wohl noch immer die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und ihr Umfeld.
Die Wettbewerbsausstellung ist in vielerlei Hinsicht sehr beeindruckend. Sie zeigt überwiegend sehr gut gestaltete Pläne und Modelle, die wieder einmal von vielen engagierten und unermüdlichen Kollegen erarbeitet wurden. Sie zeigt aber auch für den kritischen und sensiblen Betrachter überdeutlich den Irrweg, auf den sich die mutigen Teilnehmer begeben haben.
Sie zeigt eigentlich den neuen Weg – zu einem maßvollen Bauwerk des Mutes und der Phantasie, zu einem lebensvollen, aktuellen Beitrag in der Stadtgestalt, es muss ja nicht gleich ein Monument werden.
Dipl.-Ing. Reinhard Fritsch, Architekt, Oldenburg
Architekten … ratlos!
Warum sollten Architekten, in der Frage eines Neubaues an der Stelle und in den Ausmaßen des zerstörten Berliner Stadtschlosses, klüger sein als der Rest der Bevölkerung. Ratlosigkeit heißt aber nicht Tatenlosigkeit.
Es geht in Wahrheit um einen Neubau für das Humboldt-Forum mit dem Inhalt: Außereuropäische Museen, Wissenschaftliche Sammlungen der Humboldt-Universität und Landesbibliothek. Dieser Neubau soll, nach dem Beschluss des Bundestages, an drei Seiten Fassaden erhalten, die denen des Stadtschlosses gleichen. Es geht also in Wahrheit nicht um die Rekonstruktion des Stadtschlosses.
Vorrangig geht es bei diesem zentralen Projekt in der Mitte der Stadt um eine erstklassige städtebauliche Lösung und sehr gute Architektur für die Inhalte. Die Lösung der Frage: Welche Fassade die geeignete für diesen Neubau und den Stadtraum ist, kann in einem separaten Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Damit kann man sich Zeit nehmen und diese unselige Diskussion jetzt erst einmal beenden. Vielleicht haben spätere Generationen ganz andere und bessere Ideen. Der Sonderpreis für das Berliner Büro Kuehn Malvezzi bietet dafür eine gute Grundlage.
Wolfgang J. Graeser, Dipl. Des. Architekt i.R., Berlin
Schloss der (Bundes-)Republik
Der Auftrag des Bundestages an die Verwaltung:
- Die Wiedererrichtung von drei barocken Außenfassaden des Berliner Stadtschlosses.
- Prüfung der angemessenen Nutzung eines dadurch entstehenden Gebäudes.
Nachgeordnete Verwaltungsverfahren führten zum Architektenwettbewerb.
Das Wettbewerbsergebnis:
Das Konzept „Humboldtforum“ für die Nutzung der Fläche jenseits der Barockfassaden ist gescheitert, Denotation von Fassade zu Inhalt, außerdem Kostenrahmen verfehlt.
Thesen zum Schloss der (Bundes-)Republik.
- Das Areal war und ist Symbol von Macht, daher ist es recht und billig wenn in einer Demokratie Bürger im Schloss wohnen und arbeiten.
- Das Ausstellungs- und Kommunikationskonzept des Humboldtforums vertieft eine Spaltung der Kulturen.
Es beansprucht die Deutungshoheit außereuropäischer Kulturen aus explizit europäischer Sicht.
Ist das Konzept europäisch abgestimmt?
- Humboldt würde veraltete Völkerkunde-Sammlungen an diesem zentralen Ort, heute nicht zur Schau stellen.
Mein Vorschlag zur Realisierung des Bundestagsbeschlusses
- Entwicklung eines Raum- und Nutzungskonzeptes aus der Fassadenvorgabe mittels Architektenwettbewerb.
- Vorgabe der überwiegenden Nutzung in Berliner Mischung.
- Das Land Berlin stellt das Grundstück als Erbpachtgrundstück.
- Kosten für Barockfassade und Kuppel und deren Unterhalt finanziert der Auftraggeber Bundesrepublik Deutschland.
- Finanzierung und Refinanzierung der künftigen Nutzung in Berliner Mischung siehe: http://a-d-g.de/g/indexg.html
Jan-Pieter Grießmann, Berlin
Artenschutz
Folgende Argumente sprechen für die Rekonstruktion/Teilrekonstruktion des Berliner Schlosses:
1. Analog zur Erkenntnis in der Biologie, dass dem Artenschutz eine hohe Wichtigkeit zukommt, ist es auch hinsichtlich der gebauten Zeugen unserer Kultur eine wesentliche Aufgabe, das Aussterben der wichtigen Zeugnisse zu verhindern. Sowohl auf der Zeitschiene rückwärts (Denkmalschutz) als auch parallel in der Gegenwart (keine Festlegung auf gebaute Ideologien) ist die Vielfalt wichtig für die gebaute Umwelt.
2. Bauwerke, denen die Hüter unserer Kultur einen entsprechenden Wert zuweisen, dürfen nicht verloren gegeben werde, weil sie aufgrund inkompetenter kulturfeindlicher Entscheidungen vernichtet wurden. Derlei Bevormundung muss sich keine demokratische Gesellschaft beugen – das Extrem sah man in Kambodscha und Afghanistan. Schlimmstenfalls muss eine Rekonstruktion erlaubt sein.
3. Pläne, nach denen Gebäude gebaut werden, können verschiedenen Alters sein, auch mehrere Monate oder Jahre. Wird ein Gebäude 200 Jahre nach Erstellung der Pläne errichtet, so kann man es, wenn man es nach den Originalplänen errichtet, weitgehend als authentisch bezeichnen, mangelnde Authentizität hinsichtlich der Baustoffe und Technologie sollte nicht entscheidend sein.
4. Das Problem einer angemessenen Nutzung ist groß, bestünde aber, wäre das Gebäude nicht zerstört worden, ebenso.
5. Zeugnisse zeitgenössischer Architektur existieren im Überfluss – Potsdamer Platz usw. – und können auf vielen neutraleren Standorten realisiert werden.
Der Bundestag als Bauherr? Sollte da nicht auch der erwähnt werden, der einen großen Teil der Kosten trägt, das deutsche Volk, sprich der Steuerzahler? Vertreten durch den Bundestag?
Zur Gegenposition von Jürgen Tietz:
Für die Ablehnung der Schlossrekonstruktion kann man sicherlich Verständnis haben, jedoch die polemische und teilweise vordergründige tendenziöse Argumentation bedarf der Opposition.
1. Dass bei der Behandlung kopierter Turnschuhe und eines rekonstruierten Schlosses mit zweierlei Maß gemessen wird, darum möchte ich aber auch dringend bitten. Hinsichtlich der Turnschuhe geht es um die Verhinderung gesetzwidriger Geschäfte mit fremdem Gedankengut, die Schlossrekonstruktion versucht kulturelles Gedankengut für die Nachwelt zu erhalten.
2. Der Autor hat eruiert, dass die Qualität sämtlicher nach der Wende in Berlin geschaffener Bauwerke nur maximal Mittelmaß erreicht. Woher nimmt er den Optimismus, dass es mit einem modernen Bauwerk am Schlossstandort besser enden würde? Müsste der Gedankenschluss nicht gerade gegenteilig lauten: dann lieber das Schloss mit seiner allgemein anerkannten baukulturellen Qualität? Für den Autor allerdings auch nur gebautes Mittelmaß?
3. Die grundsätzliche Ablehnung von rekonstruierten Kunstwerken, eine Art moralischer Formalismus, kann den Verlust hochwertiger Zeugnisse menschlicher Kultur bedeuten. Was würde der Autor raten, wenn das Gemälde „Guernica“ von Picasso einem Brand zum Opfer fallen würde? Weg ist weg? Ich würde da eher zu einem ethischen Idealismus neigen: Anfertigung einer Kopie, um die Idee, wenn auch nicht das Materielle, eines künstlerisch und zeitgeschichtlich herausragendes Werkes der Nachwelt zu erhalten. Den Museumsdirektor, der es aufhängen lässt, müsste man dann vielleicht auch nicht unbedingt in die Wüste schicken.
4. Wenn auch der Wille des Volkes nicht immer das Maß aller Dinge sein darf, so kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es an diesem städtebaulich brisanten Standort nicht wieder die gebauten Hinweise auf die düsteren Zeiten der Geschichte, d. h. die Folgen zweier totalitärer Systeme, begrüßen würde. Die finden sich sicherlich anderen Orts passender und direkter, wie z. B. Mauerreste, Grenzkontrollpunkte, Gedenkstätten u. a.
Sylvester Grund, Braunschweig
Politisch ungutes Symbol
Die Aufforderung, Entscheidungen Andersdenkender in demokratischer Weise zu tolerieren, ist natürlich immer richtig. Richtig ist aber auch, dass eine Fehlentscheidung eine Fehlentscheidung bleibt, auch wenn sie vom Deutschen Bundestag höchstselbst getroffen wurde. Neben den unübersehbaren denkmalpflegerischen Bedenken ist das Hohenzollernschloss eben auch politisch ein ungutes Symbol, im Gegensatz zur Dresdner Frauenkirche. Gebautes als „Garant von Kontrolle, Stabilität und Permanenz in der Welt“ – ausgerechnet dargestellt vom Hort des preußischen Militarismus und Imperialismus? An diesem Projekt stimmt einfach gar nichts. Und so trösten wir uns mit dem Gedanken, dass wir schon schlimmere Fehlentscheidungen des Deutschen Bundestages zu tolerieren gelernt haben und im Gegensatz zum Afghanistaneinsatz wenigstens keine Toten zu befürchten sind. Also sei’s drum!
Dietrich Hopf, Architekt, Oberndorf a. N.
Neue Pseudodenkmäler
Allein die Tatsache, dass das Thema der Rekonstruktion in Fachzeitschriften wie dieser auf der Titelseite landet, zeigt, wie tiefgreifend mittlerweile die Diskussion geworden ist. Dabei wird leider oft vergessen, dass nicht die Rekonstruktion als solche das Schlimmste ist, sondern viel eher die Tatsache, dass durch diese neuen Pseudodenkmäler die echten Kulturdenkmäler geopfert werden. So verhielt es sich bei der Liebfrauenkirche in Dresden, deren Wiederaufbau das eindrucksvolle Mahnmal der Kriegszerstörung weichen musste, und so ist es auch in Berlin, wo die Asbestbelastung des ehemaligen „Palast der Republik“ willkommener Anlass für den Abriss dieses ungeliebten Bauwerks war. Dabei sind es gerade diese ungeliebten Denkmäler, die so wichtig sind, um folgenden Generationen frühere Geschichte vor Augen zu führen. Die deutsche Vergangenheit bestand eben nicht nur aus touristenwirksamen Barockfassaden, sondern auch aus Kriegszerstörung und Diktatur. Wer oder was soll uns in weiteren 50 Jahren davor bewahren, dass dann mit einer neuen politischen Sichtweise das jetzt geplante Humboldtforum als Auswuchs des Kapitalismus abgerissen wird und „Erichs Lampenladen“ wieder rekonstruiert wird? Die Geschichte der Denkmalpflege ist reich an Beispielen solcher Verirrungen – schade, dass daraus zu wenig gelernt wird.
Kristian Kaffenberger, Freier Architekt in der Denkmalpflege, Reinheim
Schlösser und ähnlicher Großprotz
Wer findet denn noch Erhebendes an Schlössern und ähnlichem Großprotz, der (ach von Andreas Schlüter) nur auf dem Buckel geknechteter und ausgebeuteter Untertanen entstehen konnte? Leider trübt diese Erkenntnis immer die Bewunderung auch architektonischer Meisterwerke. Die gelegentliche Besetzung durch sozialverträgliche Aktivitäten lässt die öffentlichen Aufwendungen für den Bestand akzeptabel erscheinen. Nicht jedoch für die Replik eines verschwundenen Bauwerks, dessen vorgesehene Nutzung zweckmäßiger und kostengünstiger in einer unserem ästhetischen Empfinden angemesseneren zeitgemäßen Architektur untergebracht werden kann. Wie die aussehen soll, darf man allerdings in einer Zeit, in der Architektur kein Gegenstand allgemeiner Bildung ist, wohl kaum der „stöhnenden und schulterzuckenden“ Öffentlichkeit überlassen. Auch nicht unseren Volksvertretern, die sich als Besteller der Fälschung, der Hehlerei und Kompetenzanmaßung bezichtigen lassen müssen. Das ist einzig die Aufgabe der dafür ausgebildeten, für baukünstlerische und städtebauliche Kriterien sensiblen Fachleute. Welcher Teufel allerdings die europäische Architektenschaft samt Juroren geritten hat, sich der gestellten Aufgabe nicht in toto zu verweigern, weiß der Geier.
Eberhard Kampmann, Freier Architekt, Bad Herrenalb
Trauriges Bild
Ausschreibung und Ergebnis des Wettbewerbs konnten und können nicht zufrieden stellen, weder Architekten noch Stadtplaner noch Denkmalpflege noch interessierte Öffentlichkeit noch Zukunft. Wenn das gebaut wird, liefert die gegenwärtige Gesellschaft eine trauriges, gleichwohl ein zutreffendes Bild ihres Selbstbewusstseins ab. Mit Denkmalpflege hat das Projekt aber nichts zu tun – und doch: Die drei neualten Fassaden mitsamt der Kuppel werden als Rekonstrukte den echten Denkmalen das Leben schwer machen.
Was denn bloß verunsichert unsere Gesellschaft so gründlich, dass sie eines ihrer wichtigsten Bauvorhaben derart hasenfüßig betreibt? Nach Abriss des Palastes der Republik – eine ganz und gar unnötige, unter dem Asbestmäntelchen kaum verdeckte Bilderstürmerei – hätte die wunderbare Möglichkeit bestanden, der durch Wiedervereinigung und dann auch noch Fußball frisch geschaffenen stolzen Fröhlichkeit Ausdruck zu verleihen.
Ein Bau dieser Zeit gehört hier hin – die Chance wurde qua Auslobungstext vertan. Aber es wird wohl doch ein Bau dieser Zeit, einer Zeit, die sich nicht traut, die ihrer Architektur nichts zutraut. Die Architekten können nur bauen, was sich die Zeit, die Gesellschaft zutrauen. Und das ist offenbar nicht mehr als dieser blutleere Stella-Kompromiss.
Darf man hoffen, dass sich der Sonderpreis noch durchsetzen kann? Der Blankziegelbau im Entwurf Kuehn Malvezzi hätte den ungeheuren Vorteil, dass er auf die Kuppel verzichtet und damit den Konflikt mit der kirchlichen Domkuppel nebenan nicht erneuert. Und er hätte den noch viel größeren Vorteil, dass die unselige Fassadenrekonstruktion hoffentlich bald an Sinnleere und Geldmangel endgültig scheitert. Dann würde es auch leichter fallen, die Bezeichnung Schloss eines Tages zu vergessen, denn es war eines, ist aber keines und wird keines sein.
Kurzfassung des Einleitungstextes, mit dem ich März 2007 im Bauhaus eine Tagung zum Thema einleitete:
Was dem Ersten eine entschieden abzulehnende oder fragwürdige Rekonstruktion ist, ist dem Zweiten nur selbstverständliche Ergänzung. Dem Dritten gar dient die Rekonstruktion zur Konservierung. Gibt es Denkmalerhaltung durch Wiederherstellung des Verschwundenen, genauer: durch Neuherstellung eines früheren Zustandes? „Erhaltung durch Herstellung“? Ein wunderbarer Unsinn!
Diese Begriffe sind unscharf, damit untauglich für eine klärende Diskussion. Eine allseits anerkannte Theorie pro oder contra Rekonstruktion kann es offenbar nicht geben, auch nicht innerhalb der Denkmalpflege. Rekonstruktion kam in den letzten Jahren ebenso in Mode wie in Verruf. Dabei ist Rekonstruktion nur ein fallweise wieder belebtes Tabu der Denkmaltheorie, während die Praxis alltäglich den Tabubruch übt. Er ist längst allgemein erwartete Gewohnheit der Denkmalpflege.
Was ist alltägliche Rekonstruktion? Rekonstruktion ist die Wiederöffnung eines vermauerten Fensters, die Entfernung der „störenden Einbauten“, der Anstrich nach Befund, der Ersatz der Alufenster durch kuschelige Holzsprossenfenster. Rekonstruktion dieser Art dient primär dem schönen Bild, ist aber auch chronische Beihilfe zum Mord an der Vielschichtigkeit der Kulturdenkmale, an ihrer stimmigen Unstimmigkeit, auch an ihrer würdevollen Hässlichkeit, wie sie durch Ablagerungen des Alltags entstand. Ihre Vielschichtigkeit wird durch diese kleinen alltäglichen Rekonstruktionen nivelliert. Jedes Denkmalgesetzes zielt auf Erhaltung, nicht auf die Rekonstruktion denkmalwerter Substanz. Die Gesellschaft unserer Gegenwart schafft sich aber durch die Denkmalpflege, durch die „Denkmalmacher“ täglich neu „Denkmale nach unserem Bild“. Das ist überall Alltag.
Rekonstruktion leistet – gewollt oder ungewollt – auch Beihilfe, Geschichte leichter vergessen zu können, Falten der Erinnerung auszubügeln. Denn die neue Frauenkirche mag nun weniger an den Krieg erinnern, als es ihre Ruine über Jahrzehnte so gewaltig tat. Sicher aber ist sie heute eine Bereicherung des Dresdner Stadtbildes. Und sicher ist sie Balsam für die Dresdner Seele. Ist Rekonstruktion Heilung?
Wer denkt denn vor dem venezianischen Campanile noch an dessen Einsturz 1902? Er wurde neun Jahre lang mit altem Steinmaterial wiederaufgebaut. Ist er dadurch wieder authentisch? – Der Wiederaufbau ist etwa hundert Jahre her. Ist er damit wenigstens schon authentisch genug? Ab wann ist es die neue Frauenkirche? Gibt es eine neue und eine alte Authentizität? Kann Authentizität durch Qualität der Rekonstruktion oder durch Jahre oder durch wieder verwendetes Material wachsen? Kann Rekonstruktion, weiter gefasst: kann ein Werk überhaupt unauthentisch sein? Oder gar falsch? Ist Rekonstruktion per se Fälschung?
Die Denkmalpflege leistet einen ganz und gar unverfälschten Beitrag zu aktueller Interpretation von Geschichte, zum kulturellen Selbstverständnis dieser Gegenwart. Sie leistet den Beitrag auch und gerade in ihren Rekonstruktionen, in den großen, die sie mitmachen muss, manchmal auch mitmachen will, wie in den kleinen, die sie gar nicht mehr merkt. – Die Denkmalpflege „fälscht“ lediglich die Idee vom unverändert zu erhaltenden, dem nur konservierten Denkmal. Das aber ist eine sehr fachinterne Idee mit sehr beschränkter Öffentlichkeit. Denn wer wehrt sich gegen Biberschwanzdeckung und freigelegtes Fachwerk? Und wer stuft den Campanile etwa als Fälschung ein, wer differenziert zwischen guter und schlechter Rekonstruktion?
Öffentlichkeit und Politik sind am schönen Schein interessiert, „schöner Schein“ heißt offenbar (gegenwärtig zwangsläufig?): Rekonstruieren, was nur eben geht. Das Schöne, Hübsche der totsanierten Bauten stört ja heute eigentlich niemanden wirklich. Im Gegenteil. – Auch die Rekonstruktion, die ja höchst selten wirklich ernst gemeint ist, also meist nur hübsch so tut als ob, auch die Rekonstruktion stört nicht in ihrer wahrhaften Unwahrhaftigkeit. Eine Gesellschaft, der die laut und bunt gefüllte Leere der Oberfläche, die Effizienz auch der Oberflächlichkeit mit solch brutaler Wirksamkeit in allen Bereichen des öffentlichen Lebens beigebracht wird, eine solche Gesellschaft kann sich an der anderen Wahrhaftigkeit eines Surrogats, an einer Rekonstruktion nicht mehr stören. Ja, gegenüber der virtuellen „Wirklichkeit“ wirkt ja mittlerweile sogar das Surrogat schon „echter“ als früher. Und vielen längst echt genug.
Das authentische Denkmal wird in Gesellschaft und Politik nicht verlangt. Erst recht nicht, wenn es den Gegenstand im Zeitalter der Reproduzierbarkeit ja auch als billigere und pflegeleichte Replik geben kann. Allein Schönheit ist das öffentliche Kriterium. – Wie funktioniert Rekonstruktion praktisch? Drei Hinweise :
Reparaturreflex: Wenn wir einmal absehen von Schönheit und Theorie und Rekonstruktionskritik und auf das Menschliche sehen: Es gibt den Reparaturreflex, der im Schönheitsempfinden ebenso gründet wie in Funktionalität und Wirtschaftlichkeit.
Die Selbstverständlichkeit der Reparatur ist ein menschlicher Reflex. Und es ist nicht verwerflich, wenn man etwas, das kaputt ging, wiederherstellt – so gut oder schlecht man es eben vermag! Etwas entzwei Gegangenes will man sofort wieder zu einem fügen, den Bruch ungeschehen machen. Wie man nach Brand und Krieg sofort wieder aufbaut, wie man ein Loch im Dach sofort schließt. Diesem Reflex folgte die Baugeschichte mit größter Selbstverständlichkeit. Die Rekonstruktion als Reparaturreflex war nie ein Problem. Und er bedeutete auch schon einfach „Denkmalpflege“ – lange bevor Bauunterhalt und Reparatur so genannt und dem Reflex die Theorie gegenüber gestellt wurden. Rekonstruktion ist also per se richtig(?)
Freude: Und ein zweites Mal abgesehen von Theorie und Kritik – zum Menschlichen: Es gibt außerdem auch noch die Baufreude. Es gibt die natürliche Schaffensfreude als Aneignungsprozess. Jeder kennt das Glitzern in den Augen des Bauherrn, der selbst Hand anlegt. Der Sieg über das Alte, den Vorzustand, das Vorhandene entfacht Freude. Freude erfasste König Ludwig II. angesichts der alte Burgruine Hohenschwangau, die er neu aufzubauen beschloss „im echten Stil der alten deutschen Ritterburgen. Er freute sich auf das Neualte. Diese Freude ist auch der Denkmalpflege nicht fremd, endlich der Schaffensdrang erwachen darf. Rekonstruktion ist ihr nicht zuletzt Kompensation der vielen stillen Niederlagen des Alltags. Rekonstruktion macht Freude.
Intention: Ein drittes Mal zum Menschlichen. Ist es naive Hoffnung, dass ein Goethe-Haus und eine Frauenkirche anderen Bewusstseinsebenen entspringen, andere ansprechen als die „Schlossneubauten“ in Braunschweig oder Berlin? Dresden und Braunschweig gehören nicht in die gleiche Schublade, Berlin wieder in eine andere. Rekonstruktion und Rekonstruktion sind zu trennen. Das Schlechte im einen darf nicht das Gute im anderen Fall übertönen. Abgesehen von der Qualität der Ausführung: Es kommt eben auch darauf an, welchem Zweck sie dient. Primär die Bewertung der Intention ist es, die die Denkmalpflege im Einzelfall und allen theoretischen Einwänden zum Trotz bewegt, die Rekonstruktion aus durstigem Herzen zu begrüßen oder mit dem flammendem Schwert der Denkmaltheorie niederzumachen.
Angesichts wiederkehrender Argumentationsnot wünschte man sich eine gegenwartsfähige, vielleicht sogar zukunftsfähige Position der Denkmalpflege zum Thema. Angesichts großer und kleiner Rekonstruktionsvorhaben, angesichts der nicht nur politischen Tendenz: „Weg vom Bestand, hin zum Event“, angesichts offener Dogmatismus-Vorwürfe, angesichts des Erstarkens auch privater Strukturen für Rekonstruktion sollte die Denkmalpflege ihre Argumente in Theorie und Praxis überprüfen.
Seien wir uns dabei bewusst: Rekonstruktion ist in öffentlicher und politischer Wahrnehmung der „kulturelle Event“ schlechthin. Gebautes bleibt. Und an ihr besteht neben politischem Interesse auch schlicht wirtschaftliches Interesse, nicht nur in Braunschweig. Und Rekonstruktion ist „emotionaler Event“: Vom Frankfurter Römer über eine neue Renaissance-Kulisse in Wesel bis zur Halberstadter Rathaus-Kulisse: Rekonstruktion bedeutet Wohlfühl-Architektur und Alleinstellungsmerkmal im Stadtmarketing. Sie bietet auch als Neubau schöne Orientierungs- und Identifikationsmöglichkeit. Rekonstruktionen werden auch Denkmäler unserer Zeit werden.
Wenn heute offenkundig maßgebliche Teile von Öffentlichkeit und Politik Kulisse und Rekonstruktionen goutieren, muss die Denkmalpflege sehen, wo sie im „öffentlichen Interesse“ mit ihrer Theorie, mit Kritik der Rekonstruktion bleibt. Da muss sie sehen, wie sie im Alltag des neualten Scheins überlebt mit ihrem Authentizitätsanspruch, mit ihrem Heiligenschein über bauzeitlicher Substanz. Wo bleibt sie mit ihren Glaubenssätzen, wenn an deren Berechtigung, an deren Wert, an deren Notwendigkeit nur noch wenige glauben wollen – ja, in Zeiten des allgegenwärtigen Surrogats, der Oberflächen und virtuellen Wirklichkeiten nur wenige glauben können.
Ulrich Kerkhoff, Oppenheim
Schlussgeste des Kalten Krieges
Der Text, mit dem sich Roland Stimpel auf die Seite der Rekonstruktionsbefürworter schlägt, reizt an vielen Stellen zu sophistischer Widerlegung oder schlicht Widerspruch. Zu einem Detail will ich jedoch etwas weiter ausholen: den mehrfach anklingenden „Wunsch nach Wiederherstellung eines überkommenen Stadtbildes“.
Dieser Wunsch wurde in Berlin niemals in gleicher Unschuld wie etwa in Warschau oder Dresden vorgetragen. „Überkommenes Stadtbild“ bedeutete an der Spree nämlich Beseitigung eines vorhandenen Stadtbildes. Die überwältigende Mehrheit der heutigen Berliner kennt die prominente Mitte ihrer Stadt nur ohne Schloss, sehr viele obendrein als durch den Palast der Republik markiert. Und wenn in Warschau oder Dresden angeblich den Touristen die historischen Informationen über die wahren Bausachverhalte „aufgedrängt“ werden, so liegt das in Berlin entschieden anders: Allein schon die Tatsache, dass zur Schlossreplik die Beseitigung eines historisch ja nicht unerheblichen Vorgängerbaus erforderlich wurde, spielt in heutigen Debatten (siehe auch diese Diskussion!) schon nicht mehr die geringste Rolle: Aus den Augen, aus dem Sinn!
Wenn nun aber die Schlosskulisse nicht zur endlichen Belebung einer ewig gähnenden Brache, sondern zur Ersetzung eines Vorgängerbaus gebraucht wird, dann fällt es schwer, allein an die verführerische Macht reiner Schönheit zu glauben. Dann muss erklärt werden, warum selbst das von historischer „Kontamination“ gründlich befreite, heftig umkämpfte und immer noch unendlich teure Palastskelett letztlich doch zu verschwinden hatte. Dann wäre endlich auch öffentlich einzugestehen, dass hinter der Ablösung des einen Repräsentationsbaus durch einen nächsten Repräsentationsbau natürlich eine bauliche Schlussgeste des Kalten Krieges steckt. Und nach so triumphaler Überwindung der gestrigen Herrschaft ist es dann aufschlussreich, in welche Richtung eine heutige Gesellschaft sich ihre Ziele steckt: Mehr nach Zukunft oder, pardon, mehr nach Sentiment.
Man kann nicht missliebige Symbolbauten durch politisch unverdächtige Postkartenmotive ersetzen. Dem prominenten Ort entkommt keiner. Was ein Souverän sich dort hinwünscht, ist als Zeichen gesetzt, und das lautet nun allerdings nicht „Kaiserzeit“, sondern Gemütlichkeit. Stagnation. Damit wollen wir irgendwohin?
Wolfgang Kil, Berlin
Wiedererstehung alter Stadtkultur
Sie (R. Stimpel, „Der Kopfbau“ – Anm. d. Red) entsprechen mit Ihrem Beitrag dem Denken sehr vieler Bürger in diesem Land. Ohne diese Bürger, die aus privater Initiative und mit glücklicherweise persönlichem finanziellem Einsatz die Idee eines Wiederaufbaues gefordert haben, wären wir nicht da, wo wir heute stehen.
Der alte unerfindliche Streit zwischen einem Teil der Denkmalpflege und einigen Architekten über die Frage, ob man Rekonstruktionen erlauben sollte oder nicht, ist für die breite Öffentlichkeit schon immer autoritär geführt worden.
Ohne private Initiative gäbe es keinen Wiederaufbau der Frauenkirche und des kommenden Berliner Schlosses. Es ist mehr als beschämend, wie sich Denkmalpflege und Architekten seit dem Ende des 2. Weltkrieges verhalten haben und den Kriegszerstörungen vielerorts mit der Abrissbirne die totale Vernichtung aller baulichen Substanz vergangener Jahrhunderte gefördert und hingenommen haben.
Der Blick auf unsere europäischen Nachbarn, insbesondere Polen, lehrt uns, dass es für diese Völker selbstverständlich war, sich auf ihre Kultur zu besinnen und durch Rekonstruktion die nationale Integrität wiederherzustellen. In Berlin war es die SED, die platt machte. Anderswo in Deutschland viele kleine Geister, die den Zeitgeist nicht erkennen wollten. Warum freuen wir uns, wenn wir Hildesheim, Braunschweig, Münster und viele andere Städte besuchen, über die Wiedererstehung der alten Stadtkultur?
Da Sie sich auf Köln, Kiel und Kassel beziehen, kann ich als Zeitzeuge (Jahrgang 1932) aus Kassel nur bestätigen, dass es allein die politische Einstellung der über Jahrzehnte herrschenden SPD in Gemeinschaft mit den in Amt und Würden verbliebenen Architekten der NS-Zeit gewesen ist, die das kommende trostlose Bild der Städte bestimmt haben. Der Abriss vieler annähernd vollständig erhaltener Gebäude aus der Kaiserzeit und davor war eindeutig politisch motiviert. Selbst bei der zweiten Generalsanierung des Wilhelmshöher Schlosses vor einem Jahrzehnt wurde der Wiederaufbau der prägenden Kuppel des Schlosses verweigert.
Der planende Architekt Braunfels hatte sich nach eigenem Bekunden nicht mit der Geschichte des Schlosses befasst und wurde dazu auch nicht aufgefordert. Eine Bürgerinitiative protestierte über Jahre hinweg gegen den Verlust der Kuppel und übergab der damaligen hessischen Landesregierung unter MP Eichel über 30.000 Unterschriften für den Wiederaufbau.
Es lohnt sich nachzuspüren, mit welchen Begründungen die Kuppel verhindert wurde.
Der folgende MP Koch weigerte sich ebenfalls, die noch mögliche Umplanung zugunsten einer Kuppel zu veranlassen. So kam es zu einem hässlichen Gewächshausaufsatz mit vollständiger Oberlichtverglasung. Schlimm ist dabei, dass kein einziger Kasseler Architekt sich öffentlich zur Wiedererrichtung einer Kuppel bekannt hat. Fragen Sie mal nach, warum das so ist?
Der Unterzeichner hat als einziger Architekt nicht nur die Kuppelrekonstruktion in moderner Gestaltung damals ausgeführt, sondern nachgewiesen, dass alle Anfeindungen gegen eine Kuppel gegenstandslos gewesen sind. Kassel wartet dennoch auf die Wiederherstellung des wichtigsten Gebäudes zu Füßen des Herkules. Sicher wird sich die nächste Generation dank Berliner Schloss wohl erneut damit befassen.
Andreas Koch, Architekt und Innenarchitekt i.R., Kassel
Bild der Trost- und Hilflosigkeit
Was kann man von einem Bauherrn wie dem Deutschen Bundestag anderes erwarten? Saßen zur Zeit des Bundestagsbeschlusses in diesem Plenum doch zu wenig bausachverständige Parlamentarier, die dem Berufsstand Hoch- und Tiefbau zuzuordnen waren. Und von den seinerzeit 669 Abgeordneten hat fast ein Drittel den Abriss des Stadtschlosses (bewusst) miterlebt. Anscheinend war dieser Anblick so schrecklich und barbarisch, dass man diesen sozialistischen Kahlschlag schnellstens wieder auslöschen wollte. Ein Bild der Trostlosigkeit und Hilflosigkeit hat dieses Parlament hinterlassen, nicht nur im politischen Sinne, sondern besonders im kulturellen. Und den nachfolgenden Parlamentariern fehlte der Schwung, diesen Beschluss zu revidieren beziehungsweise zu korrigieren. Die Revision von Stadtgeschichte mit Steuergeldern bezahlt, beschlossen durch die Vertreter des Volkes und zum Wohle von Einzelnen. Wirklich schade, Berlin und Deutschland hätten etwas Mutigeres verdient.
Thomas Kölschbach, Dipl.- Ing. (FH), Architekt u. Stadtplaner, Emmingen-Liptingen
„Schloss-Replikat“ – kein Symbol der Demokratie
Wer die Formensprache von Bauwerken der vergangenen Jahrhunderte studiert hat, weiß, dass Schlösser, Paläste und Kirchen durch ihre zentrale Stellung, durch ihre Symmetrie, durch ihre Türme ein Ausdruck der Macht oder des Machtwillens und der Repräsentation zumeist der feudalen Herrscherhäuser waren und sind. Und gerade im Berliner Schloss wurde und wird dem, der sich mit der deutschen Geschichte befasst hat, dessen negative Symbolkraft sichtbar, nämlich das Großmachtstreben der preußisch-deutschen Monarchie mit den bekannten Folgen …
Wenn nun schon gewählte Vertreter des Volkes (aber eben keine Architekten) darüber befunden haben, wie die Berliner Stadtmitte besser zu gestalten sei, wäre auch in der Auslobung und bei der Juryentscheidung mehr historisch-ästhetische Kompetenz erforderlich gewesen. Es gibt aber genug unsinnige Juryentscheidungen im Lande … (s. Dresdner Waldschlösschenbrücke u. a.)
Für unser Empfinden stellt daher der wenigstens mit einem Sonderpreis gewürdigte Entwurf des Berliner Büros Kuehn Malvezzi eine erträgliche Alternative dar. Das Gebäude hat in erster Linie gewonnen durch das Weglassen des funktional unnützen, aber teuren Turmaufbaus und hat trotzdem oder gerade deshalb die zeitgemäße Ausstrahlung, die unserer Demokratie würdig wäre.
Bleibt die Liquidierung des bis in jüngste Zeit die städtebauliche Situation bestimmenden und ausbaufähigen „Palastes“ ebenso umstritten wie der Neubau des Stadtschlosses, ist jedoch eines sicher – Steuergelder und Ressourcen wurden und werden hier in Größenordnungen verbrannt.
Die Frage ist: Lässt sich die Mentalität der modernen europäischen Großstadt Berlin mit der Historientümelei eines pseudo-barocken Funktionskastens verheiraten? Werden die Funktionen der aufwendigen Fassade entsprechen und auch dem Bürger genug bieten? Das scheint weitgehend unklar zu sein. Eine Zuwendung zum Entwurf von Kuehn Malvezzi könnte Positives für das urbane Gefüge Berlins bedeuten. Sollte hier der Entwurf Stellas bauliche Gestalt annehmen, ist möglicherweise wieder mal eine Chance protagonistischer Stadtgestaltung im Sinne des 21. Jahrhunderts in Berlin vertan.
Herr Wagner sagte mir, es gebe eine große Resonanz. Wird sie noch etwas bewirken können? Ich denke, viele Kollegen denken ähnlich wie wir.
Frank Kotzerke, Architekt, Gert Rehn, Freier Architekt, beide Chemnitz
Persiflieren und an die Zeit anpassen
Die bisherige mit beispielloser Intensität geführte Debatte zeigt allein schon an, dass die Diskussion noch nicht beendet werden kann und der Bundestag gut daran täte, seinen eigenen Beschluss noch einmal infrage zu stellen, was er ja durchaus kann.
Der Schweizer Professor Fingerhuth hat natürlich recht damit, dass wir Deutschen mit unserer offiziellen Politikebene nicht einig sind. Eine Volksabstimmung nach Schweizer Art wäre da sicher einmal ein hilfreiches und erzieherisches Mittel zur Konsensfindung.
Das Thema jedenfalls ist schwieriger als nur ein Streit um Formen, wie Professor Schwarz meint. Gebäude drücken durch ihre Form Eigenwesen und Charakter aus wie die Handschrift eines Menschen, und den Diskutanten geht es um die Findung einer Architektursprache, die unser heutiges Wesen ausdrückt und mit weniger Streitigkeit von unserer heutigen Gesellschaft angenommen werden kann. Der Berliner Dom nebenan etwa drückt durch seine Kuppeln eine uns unangenehm übergestülpte Herrschaft nach unten aus und nicht wie für eine Kirche zu erwarten eine nach oben gerichtete Transzendenz, aber er steht nun einmal. Die jetzige neue Architekturinterpretation des Berliner Reichstages hat nur deshalb keine vergleichbare Diskussion ausgelöst, weil der geniale Norman Foster unter anderem die preußischen Machtgesten der Kuppeln an unsere Zeit angepasst hat, indem er zunächst die zwei Seitenkuppeln ganz wegließ und die verbleibende Mittelkuppel durch Auflösung in Glas ihrer Gewalttätigkeit beraubt und sie zusätzlich noch für diejenigen betretbar gemacht hat, die eigentlich durch die Kuppelgeste untertänig gemacht werden sollten.
Die Ikonografie des einstigen Berliner Stadtschlosses ist zu lesen als monarchische Staatsbürokratie, herrschaftliche Disziplin und Ordnung. Nur wenn es gelingt, solche Wesenszüge architektonisch ebenso zu persiflieren und an unsere Zeit anzupassen wie beim Reichstag, könnten Formelemente des alten Schlosses von unserer heutigen Gesellschaft angenommen werden.
Dipl. Ing. Eckart Leipprand, Trier
Nicht Reichtum, sondern Ohnmacht der Ideen?
Das Bauen befindet sich gegenwärtig in architektonischer und bauhistorischer Hinsicht in einer Identitätskrise. Eklektizistisch werden heute einstmals gültige Auffassungen über historische Stadtrekonstruktion unkritisch übernommen und durch die Lobby von Vereinsbewegungen ins Politische transportiert bis umstrittene Ideen (Schlösser, Monumente, Mahnmale …) zu Regierungsentscheidungen werden. War das imaginäre Schloss ein Ergebnis von städtebaulichen und architektonischen Analysen? Oder nur eine „Architekturdemonstration“ der technischen Möglichkeiten von Kulissenbauten?
Um diese Fragen zu beantworten, müssen vier Missverständnisse geklärt werden. Das erste Missverständnis rührt aus der Vorstellung, dass mithilfe eines Realisierungswettbewerbs ein Reichtum an Ideen und eine Vielfalt von Lösungen angeboten werden können.
1. Eigentlich sollte zuerst ein Ideenwettbewerb für alle Architekten offen stehen!
2. Der Realisierungswettbewerb sollte ebenso offen sein, ohne die Einschränkung nur auf Büros mit entsprechender Größe!
Das zweite Missverständnis liegt in der Erwartung, dass eine Fachjury wirklich neue Ideen findet. Eine andere Zusammensetzung der Jury mit anderen Juroren hätte zu anderen Entscheidungen führen können.
Das dritte Missverständnis bezieht sich auf die Idee, ein vor 59 Jahren vom Krieg stark zerstörtes und politisch nicht gewolltes Schloss wiederzuerrichten.
Das vierte Missverständnis beruht auf heutigen Sehnsüchten des „Rekonstruktionismus“, die vom Krieg zerstörten historischen Gebäude mit einem „bauhistorischen Kleid“ wiederzuerrichten. Ein Paradebeispiel ist das gerade im Entstehen befindliche Welfenschloss in Braunschweig: Hier dient die „Geschichtstapete“ der Hauptfassaden als Attrappe für ein gigantisches Shoppingzentrum mit über 30.000 Quadratmetern.
Zum Wettbewerb und seinen Ergebnisse einige Worte: Bei allen Teilnehmern der vier Runden wurde deutlich, dass sie wenig Erfahrung mit der Bauaufgabe „Bauen im historischen Kontext“ oder Rekonstruktion von historischen Gebäuden haben. Es gibt im deutschsprachigen Raum an den Architekturschulen der Universitäten und Kunstakademien noch keine Entwurfsprojekte, die sich mit Fragen der historischen Rekonstruktion beschäftigen. Vielleicht in Abweichung von Ländern wie Italien (Spanien, Frankreich), deren Städte riesige historische Ensembles aufweisen und wo kleine und größere Bauaufgaben im historischen Kontext realisiert werden können.
Unter den gegebenen Umständen ist der Entwurf von Franco Stella bis auf das etwas unsinnige begehbare Belvedere noch zu begrüßen. Stark unterbewertet wurde jedoch der Entwurf von S. Tschoban, der die Öffnung zur Spree und zum Dom städtebaulich überzeugend gelöst hat. Die Quadratmeter für die Bibliothek könnten überarbeitet werden. Viel zu hoch wurden die Entwürfe der Büros von J. Kleihues und H. Kohlhoff mit den „Apothekenflügeln“ aus der Vorbarockzeit und der nicht überzeugenden Ostfassaden bewertet. Angenehm der Entwurf von Malvezzi-Kuehn. Bei einem Ideenwettbewerb wären mehrere weitere derartige Ideen möglich gewesen.
Julius Posener, Altberliner und Zeuge des Jahrhunderts (1904–1996) meinte kurz vor seinem Tod, dass das königliche Schloss von den Berlinern zur Kaiserzeit und danach „nie geliebt wurde“!
Prof. Dr.-Ing. habil. Miron Mislin, Dipl.-Ing. Architekt AKB, SAH, CHS, BDSR, Berlin
Moderne nicht entthront, sondern relativiert
„Mit ihrem Schlossvotum haben wichtige Repräsentanten des Berufsstandes […] das Vorrecht des Bundestages als ersten Bauherrn im Land akzeptiert. […] Es stärkt den Architektenstand in der Gesellschaft.“ „Aber Doktrinen haben keinen Ewigkeitswert – weder in der Architektur noch im Denkmalschutz.“ „Die Moderne kann auch tolerant sein.“
Mit erfrischender Klarheit und Nüchternheit wurde hier eine präzise Standortbestimmung der Wettbewerbsentscheidung getroffen, die die Moderne nicht entthront, sondern relativiert, eine Standortbestimmung, die Architektur als res publica begreift und ernst nimmt.
Die Entscheidung zur Rekonstruktion von Kubatur und Fassade des Berliner Stadtschlosses ist ein Akt des Respektes vor dem genius loci, sowohl in seiner zeitlichen Dimension wie auch in seiner städtebaulichen und architektonischen Qualität.
Ich halte dies für eine in jeder Hinsicht zulässige Haltung, zumal die städtebauliche Qualität der historischen Raumausprägung nachgewiesen ist.
Die Ausschließlichkeit und das sehr hohe theoretische Niveau hingegen, mit der seit Jahrzehnten die Debatte um „modern correctness“ in Architektur und Denkmalschutz geführt wird, scheint mir ein typisch deutsches Phänomen zu sein: Wir neigen offensichtlich ebenso sehr zu radikalem und konsequentem Denken und Durchführen wie zu ideologischen Scheren im Kopf.
Einen sehr lesenswerten Beitrag kontra Wettbewerbsentscheid, der sich fundiert mit den Defiziten des ersten Preises auseinandersetzt, leistete übrigens Hanno Rauterberg in der ZEIT vom 4.12.2008.
Hans-Henning Müller, Dipl.-Ing. (FH) Architekt, Karlsruhe
Langweilig, phantasielos, rückwärtsgewandt
Zum Berliner Stadtschloss: Ich bin gegen eine Rekonstruktion, die die Geschichte fälscht, beziehungsweise besser gesagt, die außer vorgetäuschter Nostalgie nichts Zeitgenössisches zu bieten hat. Bei diesem Thema kommt mir immer der in der Stalinzeit erbaute Palast für Kultur und Wissenschaft in Warschau in den Sinn, den manche Leute zur Heilung nationaler Komplexe abreißen wollten. Dabei war nicht wichtig, dass der Palast das Panorama Warschaus entscheidend prägt und bis heute als Gebäude gut funktioniert, wichtig war nur, dass er die „falsche“ Geschichte des Landes symbolisiert. Gut, dass dort die Vernunft gesiegt hat und ein Abriss heute nicht mehr möglich ist.
In Berlin geht es natürlich um den Aufbau und nicht um einen Abriss (das hatten wir leider auch schon), aber das Problem scheint mir sehr ähnlich zu sein. Das Siegerprojekt halte ich für ausgesprochen langweilig, phantasielos und rückwärtsgewandt. Einer der historisch spannendsten Orte Berlins wird einfach „zubetoniert“.
Anna Pleszko, Architektin und Architekturjournalistin, Berlin
Warum regt die Schlossdebatte mehr auf als an?
„Architektur und Ideologie“ ist ein Thema, das in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts verweist. In unserer Zeit der „Vielfalt und Ausdrucksform einer ambivalenten, in sich widerspruchsreichen gesellschaftlichen Situation“ (U. Schwarz, DAB 01/09, S. 18) scheint dieses Thema obsolet. Dennoch sollte allen an der Debatte Beteiligten klar sein, dass es sich hier um eine ideologische Auseinandersetzung handelt, und zwar nicht um einen fachideologischen Disput – hier Moderne, da Traditionalisten – sondern um die Nachwehen der Postwende-Auseinandersetzung um die Besetzung der Berliner Mitte.
Die politische Entscheidung hieß damals: „Weg mit dem Palast!“ (der ja Gott sei Dank auch asbestverseucht war). Die zweite Entscheidung: „Her mit dem Schloss!“ bekam mit dem Förderverein des streitbaren Preußen Wilhelm von Boddien eine demokratische Legimitation, die manchem Bundestagsabgeordneten die Entscheidung wohl erleichterte. In freier Überformung liest sich das heute so: Man habe sich „auf interessierte und engagierte Laien zu bewegt“ (R. Stimpel, DAB 01/09, S. 10). Wo dabei der demokratische Realismus liegt, wage ich zu fragen, da gleichzeitig genügend interessierte und engagierte Laien mit der Gegenmeinung auftraten.
Kurz gesagt, nach Umsetzung der ersten Entscheidung scheint die Realisierung der zweiten zwingend, das heißt, die Jury traf eine politische Entscheidung, geprägt von den ideologischen Spielzügen der Nachwendezeit. Das Ergebnis ist nicht witzig, es ist auch nicht besonders anregend (das waren die Schlossattrappe von Boddien, die kulturelle Nutzung der Palastruine und auch der Entwurf der Sonderpreisgewinner Kuehn Malvezzi in seiner ersten und zweiten Phase). Das Ergebnis illustriert die politische, etwas verschämt konservative Besetzung der Berliner Mitte im Auftrag des Bundestages.
Klaus Rasche, Magdala (Thüringen)
Sentimentalität, Illusion oder Projektion?
Was geht in den deutschen Köpfen vor? Ist das Verständnis von Gegenwart zu einem Wunschdenken geworden, in die Vergangenheit zurückzukehren? Wollen oder können wir nicht nach vorne blicken? Ist uns eigentlich bewusst, dass wir mit der Schlossrekonstruktion eine Illusion erschaffen, ein goldenes Kalb? Die Medien berichteten in epischer Breite über den steinigen Weg zum endlich wahr werdenden Traum vom Schloss. … Was lange währt wird endlich gut? Aber findet die sogenannte klaffende Wunde im Berliner Stadtgrundriss tatsächlich ihre Heilung in der Errichtung einer Fata Morgana? Vielleicht richtet unser rückwärtsgewandtes Handeln zukünftig einen noch größeren Schaden an!
Wo doch durch die Novemberrevolution 1918 das Ende der Monarchie besiegelt wurde, erscheint ein Schlossneubau 2010 wenig zeitgemäß. Oder sind es etwa die „tugendhaften“ Zeiten des preußischen Kaiserreiches, mitsamt seiner grundsätzlich demokratiefeindlichen und reaktionären Politik, denen wir wehmütig nachjammern? Handelt es sich also weniger um eine scheinbar neutrale Renovierung eines Gebäudes im „imaginären Bestand“ („Der Kopfbau“, DAB 01/09), als vielmehr um eine tragische Ausdrucksform des Bauens im ideologischen Bestand?
Wie glaubwürdig steht unsere demokratische Regierung da, wenn sie sich unter Jubeln und Klatschen ein kastriertes Symbol monarchischer Herrschaft in den Garten setzt? Oder ist dies nur eine Trotzreaktion gegenüber dem 1989 beendeten SED-Regime, das 1950 die „wiederaufbaufähigen“ Überreste des vom Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Schlosses sprengte?
Wie definiert sich zukünftig Denkmalschutz? Geht der Trend hin zur originalgetreuen Kopie, zur Fälschung mit Neubaustandard? Wir sollten schnell die Diskussion entfachen über die Kennzeichnungspflicht solcher Plagiate mit einer Plakette, der Ehrlichkeit halber für zukünftige Generationen!
Und wie steht es um unseren Staatshaushalt? In den Zeiten der aktuellen Weltwirtschaftskrise, Konjunkturpakete, Verstaatlichungen von großen Unternehmen, dem Wunsch nach Steuerentlastungen … können wir es nicht verantworten, ein Großprojekt von unbestimmtem wirtschaftlichem Nutzen zu realisieren, das zudem das optimale Nutzungsprofil für die zukünftigen Nutzer aufgrund starrer historischer Vorgaben nur sehr eingeschränkt erfüllen kann?
Wirklichkeit ist das, was wir daraus machen! … Und diese sieht mehr nach geschichtsverklärender Nostalgie als nach einem tragfähigen und wegweisenden Zukunftsprojekt aus.
Stefanie Rickert, Architektin, Köln
Dekoration mit geklonten Symbolen
„Nicht das Pittoreske, nicht das Bild, sondern die Struktur ist das Entscheidende“, sagt Benedikt Loderer. Ich glaubte, die Zeit der postmodernen Camouflage und der historischen Zitatenschatzerei mittels Musterbüchern sei vorbei. Man schaffe Architektur und Stadtgestalt aus dem Geist, den Bedürfnissen und Lebensweisen der eigenen Epoche. Und ist es nicht absurd: Die demokratische Gesellschaft dekoriert sich mit geklonten Symbolen des Absolutismus. Aber anscheinen begünstigen Photogrammetrie, CAD-Generierung und laserschneidende Steinbearbeitungsmethoden geradezu dieses Klonen. Steckt das Geld für solche Kulissen besser in den Erhalt bedürftiger Baudenkmale, und beauftragt Baukünstler wie zum Beispiel Calatrava, der Symbole der Demokratie, Anforderungen der Ethnologischen Sammlungen und des Stadtraums zur Einheit bringt!
Josef Ritter, Architekt i.R., Grünstadt
Ein großer Wurf
Um es gleich vorwegzunehmen: Meine jahrelange Aversion gegen Rekonstruktionen hat sich erst seit der Präsentation der Wettbewerbsentwürfe ins Gegenteil gewandelt. Die „schwarze Fraktion“, wenigstens so durch ihr Outfit in der Öffentlichkeit anerkannt, jahrzehntelang dem technischen Fortschritt der globalen Lehren nachhechelnd, Historie und Umfeld ausklammernd, hierzulande mehr auf Quantität statt auf Qualität optimiert, gegängelt von ehrgeizigen Investoren-Bauherren über Juristen-Baubegleiter bis hin zu machtlosen Verwaltern unseres in 16 Kammern gegliederten Berufsstandes, sich immer selbstbespiegelnd vom Ego- über Minimal- bis zum Banalismus, da ist oft nicht viel übrig geblieben von Städtebau und Architektur im klassischem Sinne.
Wenn nicht Ausdruck, so sollte Gebautes doch wenigstens einvernehmlich mit der Gesellschaft im Dialog stehen, eben ein Teil eines Zeitdokuments am entsprechenden Ort bilden können.
Nach den durchaus lobenswert gesetzten Duftmarken mancher Stars ist offensichtlich eine Übersättigung beim Betrachten der Stromlinien aus Glas und Beton in unserer Gesellschaft eingetreten. Daraus resultierte offensichtlich auch die Aufgabenstellung des Auslobers.
Das Team um Franco Stella hat jetzt für Berlin bewiesen – im Automobilbau seit einigen Jahren im Trend –, dass „Neo-Retro“ nicht nur sture Replik bedeuten oder wie in diesem Fall eben keine reine Schlüter-Stuhlemmer-Kopie darstellen muss.
Mit den intelligent angeordneten öffentlichen „modernen“ Durchquerungsspangen und Spreekolonnaden bringt Stellas Entwurf wieder Geschichte zwangsläufig ins Bewusstsein selbst jener Zeitgenossen, die mit Geschichte gar nichts am Hut haben. Das ist der große Wurf dieser Arbeit.
Schlussendlich noch mein Rat an die Italiener: Kooperiert wie die Engländer rechtzeitig schon bei Abgabe der nachgerechneten Bau- und Planungskosten gleich von Anfang an mit renommierten Anwaltskanzleien, denn gerade auch dieses Projekt ist von Kostenfallenstellern umzingelt.
Horst Ruch, Stuttgart
„Ende gutt, aales gutt“
Nach den spontan im Logbuch des Kronprinzenpalais gekritzelten Anmerkungen. Die weiland erfolgreichen 2+4-Verhandlungen waren auch eine wesentliche Voraussetzung für unser Schloss der Zukunft. Damals sagte ein Verhandlungsbegleiter mit slawischem Akzent: „Ende gutt, aales gutt.“
Das kann man zum Ergebnis einer Jury, in der die üblichen Verdächtigen als Fachpreisrichter saßen, bestenfalls auch nur wiederholen…
Vielleicht sollte man Kollhoff noch mit Stella fusionieren, denn frei nach Mumford geht es hier um die höchste Kulturaufgabe Stadt, die nur noch von der Sprache überholt werden kann. Und diese ist in Kommentaren schon fast kafkaesk gegen das Schloss in Stellung gebracht worden.
Kommen drei Bauingenieure zusammen, so spielen sie Skat, sind es aber drei Architekten, dann hört man sechs Meinungen.
Dipl.-Ing. und Dipl.-Formgestalter Claus Christian Wenzel, Architekt für Stadtplanung, Wernigerode
Kein moderner Alleinvertretungsanspruch
Ganz sicher ist jede Meinungsäußerung in ganz entscheidendem Maße vom Alter und/oder der Lebens- bzw. Berufserfahrung der betroffenen Person abhängig und nicht zuletzt von dem Ort, welcher der Lebensmittelpunkt des Diskutanten ist. Hier meldet sich ein Berufskollege mit einer ostdeutschen Vita, die runde 25 Angestellten- und 15 Selbstständigenjahre als Architekt und Bauingenieur beinhaltet.
Auch sind mir die Positionen eines öffentlichen Bauherrn – immer mit den Einschränkungen unseres schönen Thüringer Landes – aus der ersten Wahlperiode im wiedervereinten Deutschland ein bisschen bekannt.
Und so will ich ohne Vorrede mit der berühmten Tür ins Berliner Schloss fallen.
Mit der Entscheidung der Berliner Schlossjury für den Stella-Entwurf kann ich gut leben.
Ist es nicht ein bedenkliches Zeichen, dass für eine solche Entscheidung mutige couragierte Leute als Preisrichter notwendig und glücklicherweise auch vorhanden waren?!
Die Argumentationen der „modernen“ Architekten einschließlich ihrer Lobby erscheinen mir seit vielen Jahren – nicht erst im Falle des Berliner Schlosses – in großem Maße als eine Ideologie mit einem Alleinvertretungsanspruch, wie sie zumindest vielen ostdeutschen Kollegen aus DDR-Zeiten bestens im Gedächtnis sind. Und dort sollte sie, diese Ideologie, auch verbleiben und keine Renaissance erfahren.
Oder wollen die „modernen“ Kollegen solchen Geschichts-, Kunst- und Architektenepochen wie der Renaissance oder dem Historismus die anerkannte Bedeutung absprechen und diese in gleicher Weise abqualifizieren, wie dies mit dem Berliner Schloss gerade geschieht?
Alles andere ist im Stimpel-Artikel, zusammengefasst im letzten Abschnitt, zutreffend beschrieben und muss nicht wiederholt werden.
Die Definition des deutschen Zeitgeistes der Jahre 1990/2020 wird Isidor Iltis in seiner Masterarbeit im Jahre 2035 sicher sehr beschäftigen, zumindest, was die Architektur angeht.
Dann kann ich aus meiner Erfahrung nur hoffen, dass sich unsere Hauptstadt Berlin als Weltmetropole nicht „explosionsartig mit City- Skyline“ entwickelt haben und unverwechselbar bleiben wird. Denn das schätzen vor allem auch die ausländischen Besucher Berlins, seit vielen Generationen.
Arndt Dietmar Schumann, Neudietendorf
Glaubwürdig rekonstruieren
Die Diskussion um eine Art „Wiederaufbau“ des Berliner Schlosses ist weitgehend eine Art Glaubenskrieg. – Zunächst geht es doch um die Frage, ob man überhaupt glaubwürdig rekonstruieren kann. Diese Frage kann man bei manchen Bauten mit ja beantworten, bei anderen nur mit nein. Ist der Bau im Laufe größerer Zeiträume „entstanden“, immer wieder erweitert oder verändert worden, so ist die Antwort auf diese Frage in der Regel nur ein NEIN! Liegt dagegen ein ein Ganzes betreffender klarer originaler Plan vor, so ist dieser Plan gewissermaßen eine Partitur, nach der gespielt wurde. Es ist ziemlich gleichgültig, welcher Maurer wann die Steine nach Plan aufeinander setzte, wenn er sich an den Plan, die Partitur gehalten hat. Entscheidend ist, ob er den Plan entsprechend realisiert hat. – Bei einem Wiederaufbau ist das nicht anders. Wenn man nun im Fall der Berliner Schlossfassade argumentiert, es handle sich nur um eine Fassade vor modernen Bauten dahinter, so frage ich mich, was immer wieder passiert, wenn man die Glas-Alu-Fassaden der Fa. X oder Y aussucht, um langweilige Büroraumfluchten nach außen zu verkleiden und dabei auch noch Dauerpflege betreiben muss, weil diese Vorhangarchitektur keine Patina bildet, nicht „würdig“ altern kann und ohne Dauerpflege verdreckt. Wir kennen ja die Probleme moderner Ästhetik. So gesehen habe ich hier keine Probleme, wie auch nicht, wenn ich ein Konzert besuche, wo heutige Musiker Barockmusik von Bach darbieten.
Jean Joseph Keller, Architekt, Düren
Chance vertan
Man kommt nicht daran vorbei, Herrn Franco Stella zuzugestehen, mit seinem Wettbewerbsbeitrag die von manchen, so leider auch von Herrn Stimpel, Chefredakteur des Deutschen Architektenblattes, so vehement geforderte Wiedererrichtung des preußischen Stadtschlosses am genauesten erfüllt zu haben und dafür auch prämiert worden zu sein. Das aber ändert nichts an der Tatsache, dass sein Beitrag nur eine unbeseelte Replik auf ein in nicht mehr existierendes Bauwerk werden kann.
Das Elend ist, dass es Franco Stella nicht gelungen ist, die Vorgaben kleinmütiger sentimentaler Interessenträger zu überwinden. So hat er nicht mehr zustande gebracht, als das Thema auf ECE-Niveau herunter zu brechen. In Braunschweig ist man freilich ehrlich genug gewesen, die nachempfundene Schlossfassade nur als Kitschkulisse für den Konsumtempel dahinter zu benutzen.
Derselbe Vorwurf ist dem Preisgericht zu machen, das verstockt und mutlos genug war – oder wurde es womöglich gedrängt? –, den Abklatsch eines Bauwerkes, das einstmals außen wie innen den Herrschaftsanspruch eines absolutistischen Barock repräsentierte, zu verwerfen. Das feierliche Pathos der barocken Selbstdarstellung ist vergangen. Es wird mit Sicherheit nicht wiederbelebt werden können. Das Stadtschloss hatte gewiss europäischen Rang, ganz besonders, was die Ausstattung betrifft, für die es bei der vorgesehenen Zweckbestimmung beim besten Willen weder Rechtfertigung noch gestalterisches Vermögen gibt.
Die Wahl gerade des Franco-Stella-Entwurfes diskriminiert die nachfolgenden Teilnehmer des Wettbewerbs. Bei allen anderen Lösungsangeboten, die es in den letzten Durchgang geschafft haben, konnten erfrischende Ansätze zeitgemäßerer Formensprache ausgemacht werden. Die völlig unterschlagene vierte Seite zur Spree nahm einmal die älteste Keimzelle des Schlosses ein. Das barocke Schlosscarree wurde ursprünglich als Erweiterung des spätmittelalterlichen preußischen Schlosses verstanden.
Neben der unzureichenden Erarbeitung einer überzeugenden Nutzungslösung ist es gerade die ungestaltete Rückseite zur Spree hin, die die ganze Schwäche des Entwurfs zeigt. Dies Dilemma verbietet es im Grunde, sich weiterhin mit dem Stella-Entwurf zu beschäftigen. Eher wäre zu fordern, den ganzen Wettbewerb ein zweites Mal auf den Abfallhaufen der Geschichte zu werfen und neu zu beginnen. Dabei bliebe unbenommen, die Baumasse als solche zur Aufgabe zu machen, selbst unter Einbeziehung einer dominierenden Kuppel, eines Schlüter- und Schinkelhofes sowie des Sitzungssaales des Palastes der Republik. Das würde erlauben, sogar erzwingen, den Schlosskomplex nach der heute existierenden städtebaulichen Struktur einer Neuorientierung zu unterziehen und auszurichten. Das wäre eines ergebnisorientierten Wettbewerbs würdig und hätte alle Chancen, ein wirklich identitätsbildendes Zentrum der Stadt zu bescheren.
Ulrich E. Kullak, Dipl.-Ing. Architekt, Kornwestheim
Optimaler Kompromiss
Traurig ist, dass sich jene Architekten, die sich öffentlich gegen den „Wiederaufbau“ des Berliner Schlosses stellen, selbst keine oder dem barocken Platz-Ensemble nur unzulänglich adäquate Lösungen vorzulegen imstande sind. Deshalb ist der Wiederaufbau, mit dem Stella-Entwurf und der Kuppel als städtebauliches Element ein Gelenk bildend, der optimale Kompromiss. In 100 Jahren fragt niemand mehr danach, ob es richtig oder falsch war, aber die Touristenführer haben dafür eine amüsante Geschichte zu erzählen.
Dr. Ernst Kurz, Architekt und Stadtplaner, Essen
Berlin ist groß!
Wer wollte schon verlangen, dass alles, was hier geschieht, gleicherweise nobelpreisverdächtig zu sein hat? Oder gar den bedeutenden Architekturpreis erhalten kann?
Ein großer Anteil deutscher Bauerei, der so herumsteht, verdient leider nur die Note „junk food“ oder gar „bullshit“. Warum soll Berlin so etwas nicht verdauen können? Egal, ob in „Mitte“ oder „Mariendorf , j. w. d.“
Am Anfang der weltberühmten „Linden“ steht heute eine Schlossattrappe: außen Barock-Tapete preußischer Provenienz, innen indianische Totempfähle mit islamischer Gebetsnische, Gebetsteppichen sowie polynesische Segelboote …
Man sollte niemanden daran hindern, sich mit seiner Privatmeinung zu entblößen. Nicht einmal die vielen Mitglieder des Bundestags. Und Willem zwo dachte sowieso „global“ und kannte keine Parteien mehr.
Die Namen einschlägiger MdBs sollte der Steuerzahler sich merken, weil das ganze Vorhaben mehr als das Doppelte von dem kosten wird, was manche Laienköpfe jetzt mit kindlichem Gemüt vermuten. Wetten, dass?
Dipl.-Ing. Joachim Langner, Architekt BDA DWB, Ludwigshafen-Oggersheim
Anmerkungen zum Neuen Lampenladen
Preuße wird man nicht – es sei denn aus Not.
Und deshalb bin ich gegen diese Imitation, die hier sogar auch noch unvollkommene Nachahmung preußischer Herrlichkeit. Und wenn es auch nur das Stadtschloss ist. Unbedeutend als Residenz und belanglos in seiner äußeren Erscheinung, irgendwie eben auch nicht mehr als nur ein Lampenladen. Vielleicht erregend für Ruinenfreunde, Bauforensiker und Hasardeure im politisch-fiskalischen Nebel. „Die Zwei“ haben es wieder mal gewusst: Schiller: „Ewig jung ist nur die Phantasie: was sich nie und nirgends hat ergeben, das allein veraltet nie.“ Und Goethe: „Der echte gesetzgebende Künstler strebt nach Kunstwahrheit, der gesetzlose, der einem blinden Trieb folgt, nach Naturwirklichkeit – durch jenen wird die Kunst zum hohen Gipfel, durch diesen auf ihre niedrigste Stufe gebracht.“
Also liebe Preußen, lasst sie stecken, des Kaisers neue Kleider.
Dipl.-Ing. Manfred Murdfield, Assessor (Städtebau), Odenburg
Naja statt Aha!
Franko Stella muss man für sein Gespür beglückwünschen, doch mit ein bisschen Moderne zur Spree hin auszubrechen aus der Umklammerung durch die Werke unseres verehrten Herrn Schinkel, der wahrlich nicht nur Akzente sondern hier einen Schwerpunkt gesetzt hat (Neue Wache, Schlossbrücke, Schinkel-Platz, Kommandantenhaus, Bauakademie, Friedrich Werdersche Kirche, Altes Museum, Berliner Dom in der Überarbeitung).
Und die mutlosen Fachpreisrichter haben dieses Feigenblatt begierig aufgegriffen und honoriert! So, wie das von Bertelsmann als Repräsentanz rekonstruierte Kommandantenhaus, das zu den Linden hin wieder die alte Optik bietet und der Rückseite unsere derzeitige architektonische Sprache gibt. Dabei ist man sklavisch der Forderung des Berliner Senat gefolgt, der die Grundsatzforderung „außen alt, innen neu“ vorgegeben hat. Aber Bertelsmann hatte – im Gegensatz zum Stadtschloss – ein klares Nutzungsprogramm, das dank der Partitur des Büro van den Valentyn auch entsprechend präsentiert werden kann.
Beileid ist den Berlinern zu sagen, dass mit der derzeitigen Entscheidung für die Stadtschlossfassadenrekonstruktion eine letzte Chance vertan wurde, in Berlins Mitte einen hochwertigen Akzent zu setzen. Schon im Westteil der Stadt – Bereich Kurfürstendamm – ist hinsichtlich der architektonischen Qualität nach dem Krieg nichts entstanden, was den Blutdruck erhöhen könnte.
Nach dem Fall der Mauer war dann die Chance da, sichtbare Zeichen auch der baulichen Erneuerung in Berlins neuer Mitte zu setzen, die zwar von Herrn Stimmann in der Höhe begrenzt wurden, aber dennoch eine Herausforderung waren. Die Ausbrüche von dem Einerlei sind an einer Hand zu benennen:
Das Bankgebäude am Pariser Platz von Frank Gehry, Bemühungen auch bei der Französischen Botschaft von Christian de Potzamparc und dann, hinter der Neuen Wache, die glücklicherweise von einem Freigelände umgeben ist, so dass der Blick auf das Versteck nicht verstellt wird, die Erweiterung des Zeughauses für Zwecke des Deutschen Historischen Museum durch Ieoh Ming Pei. Und dann?
Großer Dank an David Chipperfield, der nach dem Gewinn des Masterplanes für die Museumsinsel den Zuschlag für den Neubau des Neuen Museum bekam. Weiter hat er sich dann durchgekämpft mit dem zukünftigen Eingangsgebäude der James-Simon-Galerie, übrigens auf dem Gelände des ehemaligen Packhof-Gebäudes, auch von Übervater Schinkel. Damit hat Berlin dort zumindest die Visitenkarte unserer Zeit als Eintritt in die danach folgenden Schätze vergangener Jahrtausende.
Und an diesem städtebaulichen Kristallisationspunkt an der Einmündung der Magistrale „Unter den Linden“ in den Großbereich des bis an den Neptunbrunnen reichenden vom Fernsehturm dominierten Alexanderplatz müsste ein Highlight Platz greifen. Ein Bauwerk, das allen Betrachtern ob fachkundig oder nicht, das Aha-Erlebnis vermittelt – etwa so, könnte ich mir vorstellen, wie Ansätze aus dem abgebildeten dritten Preis für Christoph Mäckler abzulesen sind.
Carl-Dieter Schmitt, Architekt, Speyer
Armutszeugnis des Auslobers
Das Wettbewerbs-Ergebnis habe ich mir vor Ort angesehen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Vorprüfer und Preisgerichte einen „Abweichler“ problemlos ausschließen können. Außer dem Entwurf Kuehn Malvezzi, der eine Realisierung des Vorhabens wenigstens hätte näherbringen können, habe ich keinen Vorschlag entdeckt, der den Mut zu einer Gegenposition aufgebracht hat. Hätte nicht ein zurückhaltender, intelligenter Hinweis auf die Historie genügt? Nein, selbst im Innenbereich wird aufwendig historisiert. Den Architekten-Kollegen ist kein Vorwurf zu machen; das Armutszeugnis hat sich der Auslober ausgestellt.
Theodor Niessen, Architekt DWB, Bergisch Gladbach
In 50 Jahren schlauer
Als in den fünfziger Jahren in Bayern der Streit um den Wiederaufbau der Münchener Innenstadt ausbrach, standen sich die Erhalter des alten Stadtbildes und die radikalen Erneuerer zähnefletschend gegenüber. Der SPD-Bürgermeister Thomas „Dammerl“ Wimmer war mit seinem Anhang für den Wiederaufbau der alten Substanz. Die modernen Architekten kämpften händeringend für die Durchführung der Pläne des Hannoveraner Stadtbaudirektors Hillebrand, der durch das am Boden liegende Stadtzentrum eine großzügige Straßenlandschaft schlagen wollte. Man sollte die Gelegenheit nutzen, dem zu erwartenden Straßenverkehr gerecht zu werden und eine „autogerechte Stadt“ bauen, so seine Forderung.
Gottlob haben die „alten Bierdimpfel“ obsiegt und rings um den Mariensplatz ist die geliebte Altstadt wiedererstanden, in der sich die Menschen daheim fühlen. Sechzig Jahre nach dem Krieg wird noch immer um die Gestaltung des Berliner Schlossplatzes gerungen und der beschlossene konservative Wiederaufbau des alten Hauptstadtschlosses wird noch immer angefeindet. Hier entstünde jetzt ein Monument des Ahistorischen, ein Absolutismus-Remake, das den Intentionen der Architekten Schlüter und v. Göthe nicht Genüge tut und eine reine Geschichtsmanipulation darstelle, so Professor Pehnt. Er ist eben ein Wissenschaftler!
Die Autoren des „Spiegel“-Artikels „Vorwärts in die Vergangenheit“ haben dem Vorschlag einiger Architektenjuroren zugestimmt und verlangt, man solle doch 20 renommierte Büros zu einem neuen Vorschlag einladen. Es verlangt keine große Phantasie sich vorzustellen, was dabei herauskäme.
Der Chinese leoh Ming Pei würde ein Glaspyramide wie im Louvre empfehlen, der Genuese Renzo Piano würde einen Kinopalast wie das IMAX vorschlagen oder gar eine Kopie des Centre Pompidou in Paris im Angebot haben. Der Franzose Jean Nouvel hätte ein verbessertes Institut der Monde Arabe in Aussicht, mit Medresa und Moschee, was den vielen Türken in Kreuzberg als AnlaufsteIle diente. Norman Robert Foster würde mit einer Neuauflage seiner Milliarden teuren Hongkong und Shanghai Bank aufwarten. Daniel Libeskind hätte einen zweiten Holocaust-Turm im Angebot und der geniale Architekt Peter Eisenmann würde nach seinem Erfolg mit dem gigantischen Holocaust-Mahnmal ein Pendant mit ein paar Tausend Betonklötzen anbieten. Was die Irakerin Zaha Hadid oder der Kanadier Frank Owen Gehry so alles im Kasten hätten, mag man sich gar nicht vorstellen. Ich glaube, es war ein Segen für Berlin, dass sich der konservative Flügel durchsetzte.
Wer fragt heute noch, ob das „gotische“ Rathaus in München aus dem 12. Jahrhundert stammt und ob der 1907 wieder aufgebaute Michel in Hamburg echt oder rekonstruiert ist, wichtig ist, dass sich die Bürger dieser Stadt wiederfinden im Bild ihrer Erinnerung und der gewohnten städtebaulichen Harmonie.
Die Qualitäten der Moderne müssen sich am Potsdamer Platz erst noch erweisen, in 50 Jahren wird man schlauer sein.
Peter Oellinger, Architekt, Viechtach
Die Epoche der Kulissen und Fälschungen
Sie schreiben vom imaginären Bestand, eine sehr zweischneidige Sache. Wenn das stimmen sollte, so ist das Erbauen einer Disneywelt auch außerhalb von Freizeitparks und Disneywelten gerechtfertigt – ein gestalterischer Supergau! Ab dann ist Architekturkritik nicht mehr möglich. Denn jedes Kind hat diesen imaginären Bestand von Gebäudeimages der Disney’schen Deutung in seine Kinderseelchen aufgenommen.
Meine Vorbilder im Umgang mit alter Bausubstanz sind die Ansätze von C Scarpa und K.-J. Schattner. Aber wenn nichts mehr da ist, so hat selbst der beste Entwerfer seine Stimulanzen verloren und er sollte besser schweigen oder völlig neu beginnen.
In Ihrer Argumentation entwickeln sie die Theorie eines Rekonstruktionsrechts aus Bildern. Erstaunlich, gerade jetzt! In einer Zeit, in der das eindeutige Original in der Fotografie wegen der digitalen Entwicklungen verschwindet. Wenn man dann die Fotos durchsieht, wird man feststellen, dass man von der Schokoladenseite Unmengen hat und von andern gar keine. Da man aber optisch harmoniesüchtig ist und keine Störungen in Teilflächen dulden kann und weil ja alles schon politisch entschieden ist, kommt die große Zeit der Frisöre und historischen Dichter. Und wenn sie den Bildbegriff auf historische Gemälde ausdehnen, so wird Ihnen jeder Kollege, der mal Wettbewerbe grafisch aufgehübscht hat, sagen können wo Realität und Dichtung liegen.
Aber wenn sie dann sagen, es geht nicht nur um reale Bilder, Fotos etc., sondern um das Gesamtbild, das aus Fotos und unseren Erinnerungen entsteht, so wird es noch zweifelhafter. An Erichs Lampenladen haben sicherlich mehr lebende Menschen negative als auch positive Erinnerungen, denn er war ja auch der wichtigste Veranstaltungsort, als an den Laden von Wilhelm II. Der war schon seit 1918 politisch bedeutungslos, nachdem er bankrott gemacht hatte. Selbst für die wenigen, die sich an das Berliner Schloss noch erinnern sollten, war es ein seiner wesentlichen Funktionen beraubtes Gebäude. Wieso müssen also die Heimat- und Erinnerungsgefühle der Nachgeborenen verletzt werden, um nostalgische Gefühle einer älteren, dafür aber einflussreicheren Gruppe zu befriedigen?
Das gilt sowohl für die Areale des Berliner Schlosses mit Erichs Lampenladen, als auch des Braunschweiger Schlosses mit seinem großen, innerstädtischen Park, als die Stadt noch ihre Säuberungs- und Unterhaltspflichten nachkam.
In Berlin ist es das Symbol einer bewussten oder unbewussten politischen Landnahme, dem Neukonstruieren einer 44-jährigen zweigleisigen Geschichte zu einer neuen Gesamtsicht mit westdeutscher Deutung. Da es allein die DDR-Bürger waren, die ihren Staat aus eigener Kraft abgeschafft haben, wären allein sie legitimiert über die Verwendung des Areals zu entscheiden und nicht der von Ihnen mit Heiligenschein ausgestattete „Bauherr“. Ein Grossteil dieser Bauherrschaften braucht keine Wahl zu fürchten, da ja ca. 30 Prozent von ihnen durch Absicherung über Wahllisten schon vor einer Wahl immer „wiedergewählt“ sind. Aber die sind die Entscheidungsverantwortlichen und nicht der kleine Parteisoldat, den eventuell der Wählerzorn ereilt.
Sie schreiben: „Zu einer Fälschung gehört, dass der Betrachter getäuscht werden soll, dass man ihnen etwas Neues für alt verkauft.“ Besser könnte ich es auch nicht ausdrücken, nur dass sie es anders meinen in dem Sinne „aber der Betrachter soll ja gar nicht wirklich getäuscht werden“. Ich widerspreche: Selbst eine Replik setzt Patina an und der Laie hält sie irgendwann für ein Original. Natürlich soll er getäuscht werden, dass ist doch der Sinn des großen Aufwandes: So in dieser Weise und diesen Ausmaßen stand hier immer das Berliner Stadtschloss! Ansonsten reichte es doch wenige Felder zu rekonstruieren und dann das exakte Gesamtvolumen modern zu bauen. Selbst der Kölner Dom ist eine Fälschung, wenngleich eine geniale und entschuldbare. Man baute in der besagten Epoche, zu Zeit der Vollendung des Doms „historisch“. Fragen sie mal die Leute. Ich bin mir sicher ein Grossteil hält den Dom für ein mittelalterliches Original. Wenn der zeittypische Stil (Historismus für öffentliche Gebäude) selbst die Fälschung ist, wird die Fälschung von uns aus gesehen zum Original, Abbild des Zeitgeistes. Abgemildert wird der Kölner Fall, weil es immer eine Kirche mit gleichbleibender, sehr großer Bedeutung war und es ein Zuendebauen im Sinn der Tradition war.
Zur Baukunst einer Zeit gehört die Entwurfsidee aus der jeweiligen Zeit. Eine Replik kann niemals was mit Kultur zutun haben, sondern bestenfalls mit gutgemachtem Kunsthandwerk! Denn was fehlt, ist die gestalterische Idee im Sinne der jeweiligen Zeit und wenn es nur Retro-Design ist. Aber auch da findet ein künstlerisches Umdeuten statt und sei es auch nur heutigen Produktionstechniken geschuldet.
Ich hoffe, Historiker werden zum Stil unserer Zeit nicht auch einmal sagen können: Es war die Epoche der Kulissen und Fälschungen, das allein war ihr Stil.
Ulrich Scharmann, Senden
Zusammengebastelt
Ist für Berlin, die moderne und weltoffenen Stadt mit vielen zukunftsträchtigen Ideen diese Klamotte aus historischem Neo-Barock und zusammengebastelten Elementen, konträrgesichtig, mit kleinkarierten engen Innenhöfen, weitabgewandt, an dieser städtebaulich exponierten Stelle neben dem Forum Fridericianum und den klassischen Schinkel-Bauten die endgültige Lösung? Ein internationaler Wettbewerb für die moderne Weltstadt Berlin hätte sicherlich eine überzeugendere Lösung gebracht als das historisch zusammengebastelte Kaiserschloss aus vergangenen Tagen.
Dr. Udo Schultz, Berlin
Das Nebenan und Gegenüber
Die Diskussion um den Wiederaufbau des Berliner Schlosses hat bei mir etwas losgetreten. Es ist sicher nicht direkt vergleichbar, gehört aber zum gleichen Problemkreis. Ich zitiere:
„In allen Ländern Europas sind es die Altstadtquartiere, die den Charakter einer Stadt prägen, und nicht die Neuquartiere (…). Am vertrauten Bild der Altstadt haftet die Identität der Stadt. (…)
Die Erhaltung der Altstädte ist darum staatswichtig. Sie ist eines der wichtigsten Mittel gegen die drohende Entwurzelung und Vermassung, sie liegt nicht nur im Interesse der unmittelbaren Bewohner, sondern des Landes im ganzen und der europäischen Kultur im großen. Hieraus schöpfen alle auf die Erhaltung der Altstädte abzielenden Maßnahmen ihre Legitimation. (…)”
(Aus: Schweizerische Bauzeitung, 76. Jg. 1958
Peter Meyer: Aufsätze, 1921 – 1974)
Und warum tut sich die Moderne mit der Tradition so schwer?
Beim Wiederaufbau in der Nachkriegszeit entstand nirgendwo ein auch nur annähernd vergleichbarer Stadtraum. Der Grund liegt in der bedauerlichen Tatsache, dass der Moderne der Begriff Nachbarschaft nur im Sinn von Störfaktor geläufig ist. Auch Fotos blenden häufig die störende Nachbarschaft aus. Ich habe es in meiner Tätigkeit nicht erlebt, dass ein Fassadenentwurf für die Innenstadt einerseits die Zeit der Entstehung hätte erkennen lassen und andererseits, dass bei den Überlegungen des Planenden das Nebenan und Gegenüber eine Rolle gespielt hätte. Das Ergebnis: Unterschiedlich gelungene Nachempfindungen oder, härter formuliert, Plagiate – für die man in den 60er- und frühen 70er-Jahren dankbar war, weil die Alternative den Stadtraum partiell nachhaltig ge- oder zerstört hätte.
Dass es aber möglich ist, im Alten modern zu bauen, habe ich vor zwei Jahren im oberen Vintschgau in Glurns und zwei kleinen Bergdörfern in Seitentälern mit Überraschung und Freude festgestellt.
Wolfgang Schwaiger-Herrschmann, Stadtbaurat a.D. in Landshut
Gebt Gedankenfreiheit!
Heute habe ich meine Pläne zum Wettbewerb Stadtschloss Berlin wieder erhalten. Beim Auspacken färbte ich mir die Finger mit Rötel. Damit hatte ich die Zeichnungen gefertigt.
„Selbstverständlich war es nicht möglich, Ihren Beitrag in irgendeiner Form zu berücksichtigen“, so das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in seinem Beischreiben. Weil ich die Zeichnungen außerhalb des Wettbewerbsverfahrens“eingereicht hatte, wie es das Bundesamt begründete. Und schrieb weiter: „Freie Überlegungen zur Gestaltung dieses Ortes hat es im Übrigen schon in großer Zahl gegeben.“
Das muß nach der Wende, die auch diesen Ort zur Freiheit hin gewendet hat, gewesen sein. Davor gab es an diesem Ort seit 1933 keine freien Überlegungen mehr.
Welche freien Überlegungen hatte ich nun aber angestellt und – gegen die „präzise gestellte Aufgabe“ (das Bundesamt) verstoßend – gewagt einzureichen? Die skizzenhaften Zeichnungen zeigen einen exakt auf dem ehemaligen Schlossumriß basierenden Entwurf eines „Neuen Schlosses“. Keine monumentale Replik eines längst verloschenen, barocken Prunkschlosses, sondern ein offenes und einladendes Schlossbauwerk, das an die Heiterkeit venezianischer Paläste erinnernt. Nicht ein Stein rekonstruiert, aber alles neu konstruiert! Freie Überlegungen eines freien Architekten auf einem freien Grund und Boden in einem der freiesten Länder der Welt.
Vorne die „Schlossfreiheit“ – wenigstens die ist frei -, zur Hinterseite plante ich einen heiteren Schlossgarten, mit Pergolen, zum Wandeln am Wasser. Es gibt bei mir auch einen Schlosshof, den „SpeIlenberghof“, und der ist nach den Seiten hin offen, durchlässig, so dass das Schloss keine Barriere darstellt. SpeIlenberg hat keine Kuppel, wozu bedarf es einer solchen preußischen Haube? Dafür gibt es ringsum Arkaden, wieder zum Wandeln, zum Bummeln, Einkaufen, Verweilen, so wie am Dogenpalast in Venedig. Und nicht diese prachtstrotzenden, abweisenden, absolutistischen Fassaden und Portale, bei deren Betreten man erst mal ganz klein wird.
Menschlich, atmosphärisch, heiter, einladend und offen, das waren meine freien Gedanken. „Selbstverständlich“ können solche freien Überlegungen nicht berücksichtigt werden. Aus welchem Selbstverständnis eigentlich heraus? Aus dem demokratischen?
Armer „Ort“, an dem diese „Demokraten“ auch zwanzig Jahren nach dem Fall des unfreiesten aller deutschen Bauwerke, der Mauer, keine freien Überlegungen zulassen! Was hatten sie eigentlich von meinen freien Überlegungen zu fürchten?
Packe ich eben meine in freier Hand und Lust und Überlegung gezeichneten Rötelzeichnungen wieder aus und begnüge mich mit dem Dichter der Freiheit, Schiller, dem mit der „Gedankenfreiheit“.
Las ich nicht jüngst davon in der „Zeit“, ich meine mich zu erinnern, von einem an diesem „justitiabel regulierten Vergabeverfahren“ (das Bundesamt) maßgeblich Beteiligten?
Gebt Gedankenfreiheit! Demokraten! Oder ihr reiht euch in die Reihe derer ein, die niemals bereit waren, an diesem Ort freien Überlegungen freien Lauf zu lassen.
Dipl.-Ing. Axel Spellenberg, Freier Architekt, Stuttgart
Wie war das mit Babylon?
1984, im Rahmen eines Schulausflugs, kommentierte unsere Lehrerin die damals nüchtern-monomentale Innenarchitektur des Reichstags mit leicht abfälligem Unterton: „Ein Geisterhaus!“. Vielleicht kommt der jüngere Umbau gar nicht wegen des Kontrasts zwischen Stein und Glas deutlich besser herüber, sondern eben weil Forster einen amtierenden Bundestag unterzubringen hatte. Ein Gebäude nur um den reinen Zeichenwert zu bauen – wie war das noch mit Babylon?
Ronald Stattmann, Dipl.-Ing. Architekt, AKNW
Der Michelangelo Brandenburgs
1. Was vergessen wurde:
Die zu rekonstruierenden Fassaden sind nicht nur Barockarchitektur, sondern das Meisterwerk Andreas Schlüters, des genialen Architekten und Bildhauers – Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, Masken sterbender Krieger im Hof des ehemaligen Zeughauses u.a. – er ist der Michelangelo Brandenburgs.
2. Was fehlt:
Fotos des ausgebrannten Schlosses (ca. 70 Prozent standen noch), Hinweise auf Ausstellungen im weißen Saal nach dem Krieg, 1946 u.a., „Die moderne französische Malerei“.
3. Woraus leitet die Moderne ihren Anspruch ab, die historische Mitte Berlins gestalten zu müssen. Sie hatte doch die Chance, die neue politische Mitte und den Potsdamer Platz städtebaulich und architektonisch zu ordnen und zu formulieren. Das Ergebnis steht schon.
Wolfgang Stockhaus, Dipl. Ing. Architekt, Berlin
Architektur muss neu entstehen
Wenn ein Gebäude vollständig verschwunden ist, sollte man an seiner Stelle ein neues Gebäude aus dem Zeitrahmen und Architekturverstand der aktuellen Situation entwerfen und bauen. Wenn ein Gebäude in noch erkennbarer, ausreichender Substanz vorhanden ist, sollte man diese Reste konservieren und mit neuer Bausubstanz in einem Gesamtkonzept zusammenführen.
Ich halte es für einen Riesenfehler, das verschwundene Schloß wieder ,,originalgetreu“ (was auf Grund der nicht mehr zur Verfügung stehenden Baumaterialien gar nicht möglich ist) , aufzubauen, statt einer ehrlichen Architektur des Sonderpreises zuzustimmen. Diese Architektur verstehe ich als Interpretation der Situation. Wie weit will man eigentlich zurückgehen in der geschichtlichen Entwicklung, wo immer Gebäude umgestaltet umgebaut und umgenutzt sowie abgerissen und verschwunden sind? Sollen die Pyramiden wieder originalgetreu entstehen? , oder die mittelalterlichen Burgen?
Schon der Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden auf den paar Fragmenten ist zwar eine große architektonische Leistung, aber vom Konzeptansatz falsch. Der Tower in London hat auch im Laufe der Geschichte etliche Veränderungen erfahren, seine ursprüngliche Gestalt aus dem 12. Jahrhundert ist großteils erhalten und erkennbar, die Zwiebelturmdächer auf seinen vier Ecktürmen stören zwar das ursprüngliche Bild, aber das ist der Lauf der Dinge. Gebäude und Situationen sind vergangen, das ist der Lauf der Geschichte und das ist auch gut so. Architektur muss primär immer neu entstehen als Beitrag der jeweiligen Zeit und Generation. Ich halte die Rekonstruktion des Stattschlosses für einen großen Schwachsinn und eine heimattümelnde Fehlentscheidung.
Reinhard Stoertz, Architekt BDA, Kaiserslautern
Ein Kompromiss ist unzulässig
In Ihren eher mutlosen und informationsarmen Kommentaren – ein wahres Feuerwerk hätte hier losbrechen können – werden die Ungereimtheiten des Stella-Entwurfes und eben auch sein Stellenwert als kleinster gemeinsamer Nenner überdeutlich. Ein Kompromiss an diesem Ort ist unzulässig. Die ultimative Vorgabe der überdimensionierten Feudalkulisse beweist die Angst der Entscheidungsträger vor Unpopularität und Baukultur, wobei letztere hier nun zum Handelsgut „Fassade gegen Innereien“ verkommen ist. Totalrekonstruktionen, zumal in diesem Unmaß, sind keine schöpferischen Geistesleistungen, sondern eben nur Bautechnik, Wie immer und überall entscheidet der Geldgeber und nicht der Kulturträger. Vielleicht geht ja glücklicherweise noch das Geld aus, aber dann degeneriert Berlins Mitte sogar noch zur Konjunkturmaßnahme.
Hans-Werner Strunck, Architekt, Hannover
Behutsame Stadterhaltung
Als Leiter eines Bauordnungs- und Stadtplanungsamtes einer mittelstädtischen Stadt in unserer geschichtsträchtigen Republik, ja nicht nur trächtigen sondern auch belasteten Republik, reibt man sich ob der Kontroverse um die formulierte und durch die Entscheidung der gewählten Jury weiter beförderte Bauaufgabe eines souveränen Bauherren – oder ist es doch eher eine mondäne Bauherrin – verwundert die Augen.
Da wird gestritten, ob die beteiligten Fachjuroren Mut bewiesen haben oder eben gerade nicht, ob sie der Zukunft des Ortes eine Chance gegeben oder sie ihm und dem gesamten Umfeld sogar genommen haben, ob sie rückwärtsgewandt sein oder sich dem Fortschritt verpflichtet fühlen sollten. Die Diskussion ist sicherlich nicht überflüssig wie ein Kropf, aber sie muss sich doch wohl zunächst an der Frage festmachen lassen: Wer hat hier wem welche Aufgabe gegeben, war sie ausreichend klar definiert, ist sie im Verfahren besser verdeutlicht worden und wer hatte beziehungsweise hat denn schlussendlich das letzte Wort?
Es wird gestritten, ob die Aufgabe im Blick auf die Geschichte des Ortes es nicht gerade erfordert hätte, hier gerade nichts mit irgendeinem Teil dieser Geschichte Verbundenes oder aus ihr abgeleitetes Neues zu schaffen. Sondern eben etwas wirklich Neues, was es hier früher und bis heute noch gar nicht geben konnte, weil man die konstruktiven Möglichkeiten vielleicht noch nicht hatte. Und weil man insbesondere gar nicht auf die Idee gekommen wäre, etwas gar nicht Bekanntes nun nicht nur zu denken, sondern auch gleich zu bauen.
Wie gesagt, aus dem Blickwinkel des der behutsamen Stadterhaltung Verpflichteten diskutiert es sich etwas anders. Insbesondere nach mehr als zwanzig Jahren an erlebter politischer Diskussion um die Lösung öffentlicher und auch privater Bauvorhaben in einer historischen Altstadt.
Aus dieser Sicht spricht viel, sehr viel für das Recht jeder Zeit, ihre Besonderheit in der Geschichte zu dokumentieren. Dabei muss aber ganz bestimmt nicht alles und jedes neue Werk wirklich als erstaunenswert Neues verwirklicht werden. Dies gilt sicher umso mehr, wenn der Bauherr, die Bauherrin so etwas Ungreifbares ist wie eben die Öffentlichkeit der Bevölkerung Berlins oder unseres ganzen Volkes, denn dafür steht doch wohl der Auslober, die Ausloberin dieses Wettbewerbes.
Dieser Öffentlichkeit kann man sicher in heutigen und noch viel mehr in zukünftigen Zeiten zutrauen zu unterscheiden, aus welcher der unzähligen Architekturepochen ein Bauwerk stammt. Im Zeitalter von Internet mit Google und Wikipedia gibt es kein Entrinnen ins Nichtwissen des Aussenseiterdaseins. Jede noch so winzige Information eines POI (Point of Interest) wird bekannt. Dass das entstehende Gebäude ein solcher Ort sein wird, ist ja wohl nicht zu bezweifeln und zwar unabhängig von seiner architektonischen Gestalt.
Diese Öffentlichkeit ist aber auch in der Lage, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was an diesem oder an einem anderen Ort einer öffentlichen Bauaufgabe entstehen sollte und wie es zu seiner Umgebung in Beziehung treten sollte. Von daher spricht mehr für ein eher zurückhaltendes, an bekannten Formen orientiertes Bauwerk als für ein Innovatives, dem modernen, vielleicht hypermodernen Bauen verpflichtetes Objekt. Was moderne Architektur zu bieten hat, zeigt sich allerorten auf dieser Welt, in den Boomtowns und überall. Muss es sich aber auch und gerade hier zeigen?
Der neutrale Durchschnittsbetrachter aus unserem Volk wird an dieser Entscheidung keinen Anstoss nehmen, sofern er nicht instrumentalisiert wird. Dass so etwas geschehen kann, ist möglich aber nicht zwangsläufig.
Der tolerante Fachbetrachter wird mit der Entscheidung sicherlich ebenfalls gut leben können. Reibt er sich doch ohnehin nicht an den kontroversen Endpunkten einer leidenschaftlich geführten Diskussion, wohl wissend, dass das endgültige Urteil der Geschichte ohnehin niemand von uns Heutigen erlebt, geschweige denn vielleicht sogar selbst schreibt, sondern getrost einer ferneren Zukunft und ihren Bewohnern überlassen kann.
Es ist übrigens sicher, dass sie für das neue, alte Schloss Verwendungszwecke finden werden. Sicherlich sind dabei auch solche, die keiner der heutigen Kritiker oder Auslober auf seiner Liste stehen hat.
Antonius J. Stuke, Warendorf
Ideenzusammenführung
Vielen Dank für die Gegenüberstellung Ihrer (Roland Stimpel, Anm. d. Red) sehr versöhnlichen und Jürgen Tietz’ sehr polemischer Position. Beide haben im Kern doch Recht: Stimpel (zum historischen Ansatz) – Toleranz ist nötig (auf allen Seiten) – und Tietz (zum Ergebnis) – es ist „bräsiges Mittelmaß“ mit einem zu geringen Bezug zur geplanten Nutzung.Wer den Ideenpool der Einreichungen im Kronprinzenpalais studieren konnte, weiß, dass es noch Hoffnung gäbe, und kann sich nur eines wünschen: Die besten Ideen sollten herausgefiltert werden und Stella möglichst vieles davon integrieren, z.B.:
- Drehung des Schlüterhofes um 180 Grad (Schwöbel, Braunfels), evtl. offene Durchgänge zur Spree
- Freistehender Campanile zum Dom (Albers)
- Sicht zum Lustgarten durch breite Glasfassade (Herbst/Kunkler)
- Kein Block/ offene Struktur nach Osten (diverse)
- Tiefliegender Uferplatz an der Spree (KSV, Tchoban, AEP), evtl. mit verglastem Sockel
- Vielleicht ein Hafenbecken (Hufnagel)
- Sichtbezug der Bootsexponate zur Spree (…)
- Markante „Schirmmütze“ zur Spree (AEP)
- Negativ gestufte Halle am Kuppeltor (Vahjen)
- Großer Kuppelsaal/ Kirche (Stella, Hufnagel)
- Verdecktes mobiles Membrandach Schlüterhof (Hilmer&Sattler/Albrecht)
- Rasterlösung für sukzessiven Nachbau der Barockfasade (gmp)
Ich halte eine solche Ideenzusammenführung (selbstverständlich nur soweit dabei kein unentschiedener Mischmasch entsteht) für einen vernachlässigten Ansatz des Wettbewerbswesens, wo oft nur einseitig auf die 1:1-Realisierung der Siegerentwürfe orientiert wird, statt auf ein integratives Verständnis der Leistung der Architekten.
Allein die Palette exemplarischer Lösungen für die Gestaltung und Einfügung der vierten Fassade des Schlüterhofes war den Besuch wert, taugt für anschaulichen Architekturunterricht und zeigte, dass „Stella pur“ nicht das letzte Wort sein kann.
Carsten Thiemann, Dipl.-Ing. Architekt BDB, VDEI, Berlin
Nehmt den Schinkel
Ein Aspekt, für mich der Wichtigste, wird merkwürdiger Weise gar nicht angesprochen: Die „Moderne“ ist international, was auch heißt, dass ihr Standort beliebig ist. Ein moderner Bau kann heute in Shanghai, Toronto oder Frankfurt stehen.
Und genau diese Beliebigkeit verhindert, dass die Bürger sich mit Ihrer Stadt identifizieren und dass ein Heimatgefühl entsteht. Wo moderne Städte wetteifern, um sich voneinander abzusetzen, da hat die historische Architektur aus sich heraus eine Unverwechselbarkeit. Sie zu bewahren oder wiederzubeleben hat nichts mit „Fälschung“ zu tun.
Das alte Schloss stand in Berlin und nur hier. Es wieder aufzubauen, heisst die Unverwechselbarkeit einer gewachsenen Stadt wiederherzustellen. So entsteht Heimatgefühl und daraus ein Selbstbewusstsein, das den Bürgersinn stärkt. Ansonsten hat das Ganze doch auch was mit Qualität zu tun! Historismus hin oder her, warum einen der allesamt drittklassigen Entwürfe nehmen, wenn man einen erstklassigen schon hat?
Verneigen wir uns doch vor Schinkel, auch wenn wir dabei über Stella seufzen.
Wolfgang Tuchen, Architekt, Frankfurt am Main
Entscheidung akzeptieren!
Nachdem Preisgericht und Bundestag sich für die Rekonstruktion des Berliner Schlosses entschieden haben, muss die Minderheit die Entscheidung des Bauherrn und höchsten Instanz des Staates endlich akzeptieren. Der Bundestag vertritt schließlich nicht nur Architekten und Kulturschaffende, sondern das ganze Volk. Es ist davon auszugehen, dass seine Entscheidung mehrheitlich der Meinung der Wähler entspricht. Die von Spendern initiierte und geförderte Rekonstruktion der Frauenkirche in Dresden wurde bei Fertigstellung mit großer Freude gefeiert. Wie der anhaltende Besucherstrom zeigt, ist der Bau eine Attraktion der Stadt. Und das erwarte ich auch von einem rekonstruierten Schloss in Berlin.
Holm Vogt, Architekt, Freiburg i.Br.
Ein Fehler
„Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zurande.“ (Goethe, „Maximen und Reflexionen“)
Wie fragwürdig es ist, ein heutiges Bauwerk mit einer historischen Fassade tapezieren zu wollen, machte das Wettbewerbsergebnis auch für den Laien deutlich. Der Bundestagsbeschluss war ein Fehler.
Woher kam eigentlich der Entscheidungs- und Handlungsdruck? Nachdem sich die Macht für das Grün am Tiergartenrand entschieden hatte, gab es doch keinen unabweisbaren gesellschaftlichen, noch einen akzeptablen privaten Bedarf für ihren historischen Standort. Offenbar ist es nur der Horror vacui der zu der Allianz von Schlossnostalgie, Kulturlobby, Stadtrekonstruktion und Politikerverlegenheit und zu der willkürlichen Widmung „Humboldtforum“ führte. Denn was haben die Humboldts mit diesem Ort der historischen Macht zu schaffen? Und auch die Bezeichnung „Forum“ dürfte sich angesichts der vorgesehenen Nutzung als Euphemismus herausstellen.
Touristen aber, die dereinst das wiedererstandene preußische Königsschloss besuchen, werden höchst erstaunt sein, heutige Raumschachteln gefüllt mit ozeanischen Einbäumen, afrikanischen Masken und skytischen Streitäxten vorzufinden. Der auch von Peter Sloterdijk angemahnten Bedeutung des Ortes wird man so jedenfalls nicht gerecht. Es bleibt zu hoffen, dass die Uneinigkeit über das Wettbewerbsergebnis der staatlichen Finanznot hilft, die falsche Entscheidung zu revidieren.
Wenn die Stadt wieder eines der großen „zivilisatorischen Laboratorien“ (Ulrich Beck) werden soll, dann ist Offenheit eine notwendige Voraussetzung und dann sind die offenen Flächen zwischen Alexanderplatz und Kupfergraben ein unschätzbares Potential. Lasst doch bitte den folgenden Generationen eine Chance, zu unserer Lebensmitte auch etwas beitragen zu dürfen.
Prof. Jürgen Wenzel, Berlin.
Diese Meinungen beziehen sich auf die Artikel „Der Kopfbau“ und „Kopflos bauen„, erschienen in der Ausgabe 01/09.