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Zurück Taut-Preis

Sieben gute Jahre

Der Taut-Preis brachte wieder spannende Entwürfe von Architekten-Diplomanden. Zum letzten Mal?

01.10.20076 Min. Kommentar schreiben
Gute Laune im Bundeskanzleramt: Unten und Mitte v.l.n.r.: Clara Gerhardt, Nikolaus Türk, Hermann Schäfer, Oke Hauser, Janna Lipsky, Jennifer Weiss, Sebastian Brunke. Oben: Arno Sigart Schmid, Jörg Höfer, René Flietner, René Büttner.

Dr. Claudia Schwalfenberg

Bereits zum siebten Mal luden der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und die Bundesarchitektenkammer (BAK) am 6. September zur Verleihung des Taut-Preises ins Bundeskanzleramt ein. Mit dem Preis werden die besten Architektur-Abschlussarbeiten an deutschen Hochschulen ausgezeichnet; den Siegern winken Auslandsaufenthalte.

Die siebte Verleihung wird zumindest vorerst auch die letzte sein. Bereits vor der Preisverleihung hatte der Beauftragte der Bundesregierung einen künftigen Rückzug aus dem Taut-Preis angekündigt. So verließ der Moderator, FAZ-Korrespondent Heinrich Wefing, auch kurzzeitig seine Rolle und richtete einen dringenden Appell an den BKM, die Einstellung der Förderung noch einmal zu überdenken: „Der Taut-Preis hat bereits ein Gewicht und eine Bedeutung erlangt, die nicht leichtfertig preisgegeben werden sollte.“ Er sei „die richtige Idee zur richtigen Zeit“ gewesen und es sei „eine kluge und richtige Entscheidung“ der Bundesregierung gewesen, „den Taut-Preis durch ihren Kulturbeauftragten fördern zu lassen“. Auch BAK-Präsident Arno Sighart Schmid mahnte in seiner Einführung eine „architekturbewusste Kulturpolitik“ an: „Altes Schubladendenken wie da Bautechnik und hier Ästhetik, da Baupolitik und hier Kulturpolitik können wir uns immer weniger leisten.“ Zuvor hatte Ministerialdirektor Dr. Hermann Schäfer die wegweisende Bedeutung der Brüder Bruno und Max Taut für die Architektur in Deutschland sowie generell die identitätsstiftende Wirkung gelungener Bau­werke gewürdigt.

Höhepunkt der Taut-Preis-Verleihung 2007 war die Festrede von Jürgen Mayer H. Der vom „Spiegel“ erst kürzlich als „gut gelaunter Erneuerer“ gefeierte Architekt skizzierte mit Transparenz und Elastizität „zwei Ansatzpunkte einer architektonischen Annäherung an die räumlichen Parameter einer ,Architektur zwischen Zuständen‘“. So definiere sich beispielsweise die Transparenz zu Beginn des 21. Jahrhunderts völlig neu: „Optische Transparenz wird durch elektronische Transparenz ersetzt. Transparenz in der Architektur wird jetzt zur Datenzugänglichkeit.“ Um solch neue Ideen zum Zuge kommen zu lassen, warb Marco Budeus, Taut-Preisträger des Jahres 2004, um „den Mut und das Vertrauen der Etablierten in junge Menschen“. Was diese bieten können, zeigen die auf den nächsten beiden Seiten vorgestellten Siegerarbeiten. Anerkennungen erhielten außerdem René Büttner und Jörg Höfer von der TU Dresden sowie René Flietner von der FH Lippe und Höxter.

Internationaler Strafgerichtshof: ruhige und humane Atmosphäre

Internationaler Strafgerichtshof Den Haag von Clara Gerhardt (RWTH Aachen)

Der in einem Hochhaus in Den Haag untergebrachte International Criminal Court (ICC) benötigt einen Sitz, der die internationale Bedeutung dieser Institution reflektiert, ihre komplexe Funktionsweise unterstützt sowie einen offenen und starken Eindruck erweckt. Im Entwurf werden die fünf Bereiche des ICCs (Öffentlichkeit, Verwaltung, Kanzlei, Anklagebehörde, Gerichtssäle) funktional und räumlich voneinander getrennt. Dadurch wird auch nach außen die Unabhängigkeit und Objektivität des Gerichtes verdeutlicht. Da für Mitarbeiter und Zeugen der Aufenthalt am ICC oft eine Auseinandersetzung mit grausamen Verbrechen bedeutet, hat die Rücksichtnahme auf ihre Bedürfnisse und Gefühle oberste Priorität – trotz Sicherheitsvorkehrungen und vieler funktional bedingter Restriktionen.

Ebenenversprünge, Gräben und Wasserflächen ersetzen Elektrozaun und „Gefängnismauern“. Sie helfen, die verschiedenen Personengruppen, die sich erst im Gerichtssaal begegnen dürfen, subtil zu trennen. Stark gefährdete Personen bewegen sich in Passagen unter der Erde. Interne Höfe und Gärten belichten diese Passagen und schaffen sichere und private Grünräume. Die im Inneren vorherrschende ruhige und humane Atmosphäre soll auch von außen spürbar werden. Gleichzeitig soll der Betrachter mit dem Gebäude Stärke, Würde und Erhabenheit assoziieren. Dieser Eindruck entsteht durch die massiven Baukörper, die durch den einheitlich eingesetzten Naturstein als zusammengehörig empfunden werden.

Stadtentwicklung Istanbul: ein Superknoten für die künftige Stadtidentität.

Stadtentwicklung Istanbul von Oke Hauser und Jennifer Weiss (Universität Stuttgart)

Eine Strategie zur Stadtentwicklung am Beispiel Istanbuls steht im Mittelpunkt der Arbeit. Die entwickelten Kriterien werden konsequent in räumlich wirksame Bausteine umgesetzt und für fünf unterschiedliche Themenbereiche in fünf Stadtteilen angewendet. Die Tendenz zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel dient als Grundlage, um die Potenziale Istanbuls mit analytisch generierten Werkzeugen zu aktivieren. Die städtische Infrastruktur bildet fünf Knotenpunkte, die sich als urbane Aktionsfelder artikulieren. Jedes Feld aktiviert eine globale Dialogform, die in Kombination einen Superknoten bildet, der als zukünftiger Layer der Stadtidentität verstanden wird. Die Überlagerung von globalen Programmteilen mit lokal aktiven Elementen (zum Beispiel Wohnen/Badehaus Hamam etc.) aktiviert die Strukturen auf unterschiedlichen Dialogebenen. Die Integration des öffentlichen städtischen Raumes erfolgt über einen zusätzlichen Programmteil (Urban Public Stapler), der lokales und globales Programm verbindet. Das Layering der Programmteile ermöglicht ein katalytisches Moment bereits existierender städtischer Programmteile. Die Fusion der unterschiedlichen Funktionen generiert die monogrammatische Wirkungsweise der einzelnen Strukturen.

Revolutionsmuseum Budapest: prägnantes Zeichen in skulpturaler Ausformulierung.

Revolutionsmuseum Budapest

Das Revolutionsmuseum bildet den baulichen Endpunkt von Budapests neuem Museumsquartier und besetzt dessen prominenteste Stelle am Donau-Ufer. Es bildet von allen Richtungen kommend ein prägnantes Zeichen aus, das in seiner skulpturalen Ausformulierung auf die jeweiligen Passantenströme reagiert. Die Auseinandersetzung mit dem Kontext spiegelt sich auch im Inneren wider. Hier werden nur wenige, aber dafür bewusst inszenierte großformatige Öffnungen angeboten, die Ausschnitte der Umgebung sichtbar machen und so Innenraum und Kontext miteinander verzahnen. Das Ausstellungskonzept ergibt sich aus der Annahme, dass der Fokus des Hauses sowohl auf den historischen Ereignissen als auch auf der Kunst liegt. Es sieht vor, einen „Raum der Geschichte“ sowie einen „Raum der Kunst“ zu etablieren. Beide sollen nebeneinander, aber auch gemeinsam betrachtet werden können. Räumlich sieht das Konzept eine zentrale Halle vor, von der aus alle Ausstellungsbereiche zu erreichen sind. Hier findet die „chronologische Skulptur“, die den „Raum der Geschichte“ repräsentiert, ihren Anfang. Um die Halle herum lagern sich die Ausstellungsräume und die Länderkabinette an, die den „Raum der Kunst“ physisch abbilden.

Haus für Gegenwartstanz Venedig von Janna Lipsky, Nikolaus Türk (Hafencity-Universität Hamburg)

Die Insel Isola di Santo Spirito liegt im Dunst der südlichen Lagune Venedigs, ein Hybrid aus Landschaft und Architektur. Der Entwurf eines Hauses für zeitgenössischen Tanz folgt der Schönheit und dem stillen Fokus des Ortes. Die Ruinen der Insel bleiben dem Verfall überlassen. Das Konzept des „House of Contemporary Dance“ gründet auf einer Transformation des ruinösen Klostergrundrisses. Die Grundform, ein dreiseitig umschlossener Platz, positioniert sich an der klaren Inselkante im Südosten und legt die historischen städtebaulichen Formationen definiert frei. Die Insel wird zum Architekturensemble. Die Freiräume sind leicht strukturierte Natur.

Ein Prozessionsweg führt durch die still inszenierte Bühnenwelt. Die Freitreppe erschließt zwei Performanceorte: den als freie Plattform gestalteten Platz, analog den Ursprüngen des gesellschaftlichen Theaters, sowie den Saal als dunk­len, leeren Raum, analog den Prinzipien des psychologischen Theaters. Neben den zwei Performanceorten bietet die Insel als Bühnenlandschaft viele Orte für Projekte des zeitgenössischen Tanzes. Das House of Contemporary Dance bietet flexible Aufführungsorte mit umfassender Bühnentechnik, Lagerräume und Werkstätten, Probe- und Backstageräume, Ateliers für kooperierende Künstler, ein Medienarchiv, ein Restaurant und Unterkünfte für 40 Tänzer und Künstler.

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