Text: Roland Stimpel
Reiner Mertins:
Mehr Luft schaffen
„Eine Außensicht auf das Büro tut immer mal gut“, meint der Hamburger Landschaftsarchitekt Reiner Mertins. Sein Fünf-Leute-Büro lief 2012 bereits ordentlich, aber Mertins suchte den Vergleich: „Wie stehen wir eigentlich im Verhältnis zu anderen Büros da?“ Auf einer Veranstaltung der Hamburgischen Architektenkammer lernte er Kai Haeder kennen, der früher selbst freier Architekt war, heute das Beratungsunternehmen archima consulting betreibt und Planer coacht. Seitdem arbeitet Mertins mit ihm zusammen.
Anfangs ging es dem Landschaftsarchitekten dabei nicht um Umsätze, Kundengewinnung oder Kosten, sondern um etwas sehr Grundsätzliches. Mertins: „Es war äußerst spannend, zu reflektieren, worin eigentlich die Identität meines Büros besteht – und wie sie von meiner persönlichen Identität abhängt.“ Aufschluss darüber brachten die Fragen, was seine Arbeit auszeichnet, wie er mit seinen Mitarbeitern umgehen will und was er von ihnen erwartet, welche Ziele er mit ihnen gemeinsam erreichen will und wie sein Büro draußen wahrgenommen werden soll.
Wie ein Architekt sich selbst und sein Büro sieht, beeinflusst auch seinen Arbeitsstil. Mertins ging es da wie vielen: „Man schenkt natürlich den Projekten große Aufmerksamkeit. Aber dabei verliert man manchmal das große Ganze des Büros aus den Augen. Mir ist in den Gesprächen über meine Arbeitsorganisation klar geworden, dass ich mich mehr um Übergeordnetes kümmern muss – und dass ich dank meiner zuverlässigen Mitarbeiter nicht jede Einzelheit in den Projekten im Griff behalten muss.“
Wer macht was und wie viel? Die Frage führt zur Kalkulation und Überprüfung der Effizienz. „Stundenlisten haben wir schon vor der Beratung geführt“, sagt Mertins. „Aber die dafür verwendeten Werte waren ein bisschen selbst gestrickt und hatten keinen Branchenvergleich als Basis.“ Der Berater hatte ihn. Mertins: „Wir alle haben jetzt deutlich mehr Orientierung. Wir dokumentieren zu jedem Projekt jede Woche die Wirtschaftlichkeit. Nicht, um mit den Daten Mitarbeiter unter Druck zu setzen, sondern damit alle wissen, wie das von ihnen bearbeitete Projekt dasteht.“ Das kann auch entlasten: „Wenn wir sehen, dass einzelne Projekte gut über den kalkulierten Stundensätzen liegen, dann dürfen andere auch mal darunter sein, wenn sie uns aus anderen Gründen besonders wichtig sind.“
Eine Überraschung erlebte Mertins bei den Kosten. „Bei Büroräumen und Nebenkosten lagen wir nicht etwa hoch, sondern ich weiß seit der Beratung, dass wir da viel zu sparsam waren.“ Genau wie bei der Arbeitsorganisation hatte er sich bei seiner Kosten- und Zeitdisposition sehr stark auf die unmittelbare Projektarbeit konzentriert. „Ein gut laufendes Büro muss aber 20 Prozent nicht direkt bezahlte Zeit vertragen – für Akquisition, Fortbildung, Verwaltung.“ Bei Mertins waren es zuvor 15 Prozent gewesen. Auch beim Arbeitsraum fasste er den Plan, buchstäblich mehr Luft zu schaffen: „Er muss Flexibilität und eine gewisse Expansion ermöglichen.“
Nach bald zwei Jahren mit wiederkehrenden Treffen zwecks Beratung, Analyse und Austausch bilanziert Mertins: „Ich sehe jetzt viele Dinge sehr viel bewusster.“ Auch bei der Akquisition: „Ich würde zum Beispiel potenziellen Aufträgen aus bestimmten Projektkategorien kritischer begegnen als früher. Einfach weil ich mittlerweile besser weiß, wo sich die Mühe nicht lohnt.“
Anke Gatter:
Gründlicher austauschen
Nach zehn Jahren mit dem eigenen Büro hatte die Dresdner Architektin Anke Gatter „das Gefühl, ich brauche mal eine unabhängige Sicht und Anregung von außen. Es kann ja nicht schaden, die eigene Arbeitsweise kritisch zu hinterfragen.“ Sie besuchte ein Seminar der Architektenkammer Sachsen mit Kai Haeder zur
wirtschaftlichen Büroführung und kontaktierte danach den Berater. Ihre Hauptanliegen: bessere Kommunikation mit Bauherren und eine klügere Akquisition. Dabei ging es der Architektin nicht unbedingt um mehr Aufträge, sondern um solche, die besser zu ihr und ihrem Büroprofil passen.
Als die Beratung begann, „hat mich die Sache zunächst ein bisschen irritiert. Es ging gar nicht um die Arbeit selbst, sondern zunächst um sehr persönliche Dinge: Wie sehe ich mich selbst? Wie sehen mich Kunden?“ Und dann kam noch die Beraterfrage: „Was machen Sie eigentlich?“ „Das konnte ich damals nicht gleich auf den Punkt bringen. Das muss man aber können – für potenzielle Bauherren, aber auch für die eigene Strategie.“ Inzwischen kann sie es längst: „In der Sache sind es Sanierung und Denkmalschutz, im Verhalten ist es die Art, offen an das Projekt heranzugehen und gemeinsam mit dem Bauherrn nach Lösungen zu suchen. Manche Bauherren fühlen sich eher überrumpelt, wenn sie gleich ein fertiges Konzept hingelegt bekommen und keine Zeit zum Nachdenken und zur Entwicklung ihrer eigenen Ideen erhalten.“
Anke Gatter stellte auch fest, dass ein Zuviel an Informationen eher schaden als nützen kann: „Eine ellenlange Referenzliste zum Beispiel. Das ist zu unscharf und zu wenig auf den Bauherrn zugeschnitten.“ Ein weiteres Problem der umfassenden Liste: „Wer alles zeigen will, riskiert Langeweile und Desinteresse beim Bauherrn.“ Als ihr das klar war, entrümpelte sie ihre Website – die hatte bis dahin viele Inhalte, aber das eigene Profil war darüber verblasst.
Über sich selbst kam die Architektin zu der Erkenntnis: „Ich war zu schnell zielorientiert. Anfangs habe ich schon nach dem ersten oder zweiten Kontakt mit einem möglichen Bauherrn geglaubt, jetzt sei alles Wesentliche gesagt und wir könnten mit der inhaltlichen Arbeit beginnen. Inzwischen weiß ich, dass man sich gründlicher unterhalten muss und oft mehr Kontakte braucht, bevor ein Projekt konkret wird.“ Da geht es nicht gleich um Entwürfe, Strukturen und Zahlen. „Mitunter ist es wichtig, zu wissen, ob die Chemie stimmt. Ich taste mich dann auch auf der subjektiven Ebene heran. Ich will wissen, welche Wünsche und Erfahrungen dieser Bauherr hat. Welche Leistungen er erwartet, wie weit er selbst handeln und was er mir überlassen will. Wenn man das annähernd erkannt hat, wird es ein gemeinsames Projekt.“
Aufmerksam wurde sie auch auf ihre „Schwäche, nicht Nein sagen zu können“ – selbst wenn sie bei der Auftragsanbahnung ein flaues Gefühl hatte. „Früher habe ich mir immer gesagt: ‚Jeder Auftrag wird angenommen.‘“ Inzwischen hatte sie den Mut, auch einmal abzusagen, als die diskutierten Bedingungen für beide Seiten absolut nicht passen wollten. Sie erklärte der Bauherrin freundlich, warum sie es besser mit einem anderen Architekten versuchen solle. Die Reaktion war verständnisvoll.
Gatter bekam von Coach Haeder auch den Tipp: „Bewegen Sie sich auch außerhalb der HOAI-Leistungen.“ Bei der Architektenkammer Bayern hat sie unter anderem einen Kurs in Mediation belegt. Und sie verbindet Denkmalkenntnis und Kommunikationsfreude, indem sie sich von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche zur Kirchenführerin ausbilden ließ.
Helmut Keitel:
Über den Tellerrand schauen
Einerseits war Helmut Keitel schon vor vier Jahren zufrieden mit dem Büro bc Architekten + Ingenieure GmbH in Lutherstadt Wittenberg, zu dessen vier Inhabern er gehört. In der nicht gerade strukturstarken Gegend beschäftigt es rund 15 Menschen. Andererseits sah er weit in die Zukunft: „Uns geht es gut, und das soll so bleiben.“ Zudem dachte er an den bevorstehenden Generationswechsel, auch wenn es bis dahin seinerzeit noch etwa fünf bis sechs Jahre dauern sollte.
Keitel besuchte ein Seminar in Dresden zur wirtschaftlichen Büroführung – „nicht aus akutem Bedarf, sondern aus grundsätzlichem Interesse an der Sache“. Hier lernte er Kai Haeder kennen und vereinbarte mit ihm im Jahr 2010 ein Coaching. „Uns ging es darum, einen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Und das war dann spannend: Es stellte sich heraus, dass wir schon sehr gute wirtschaftliche Parameter hatten. Aber es gab noch erstaunlich vieles, was wir weiter verbessern konnten.“
Wie reagierten die Mitarbeiter, als sie von der Unternehmensberatung hörten? „Wir konnten dem Team die Angst nehmen“, sagt Keitel. Das Team ist den Chefs etwas wert: „Wir zahlen Tariflöhne weit über dem hier üblichen Niveau.“ Trotzdem sei es schwer, qualifizierte Kräfte nach Lutherstadt Wittenberg zu locken. Das Büro kooperiert deshalb mit einem anderen in Weimar, das genauso wie das eigene Büro einen Schwerpunkt auf Sozial- und Bildungsbauten hat. „Weimar hat eine hohe Dichte an Architekten. Wir erhalten neue Kapazitäten und weiten unseren räumlichen Radius aus.“
Eine Neuerung gibt es bei der bürointernen, gesamtheitlichen Überwachung der Projekte: „Ganz wichtig ist ein wirtschaftliches Controlling. Seit der Beratung kontrollieren wir die Projekte quasi in Echtzeit. Jede Leistungsphase eines jeden Projektes wird in der Relation Aufwand zu Ertrag bewertet. Das Resultat erhält eine farbige Markierung, die die Wirtschaftlichkeit charakterisiert – grün, gelb und rot. Steht ein Projekt auf ,Rot‘, ist dies oft ein Anlass für eine dringende Korrektur der eigenen Arbeitsweise und im Einzelfall auch für Nachverhandlungen mit den Bauherren.“
Der Generationswechsel steht jetzt bevor. „Zum Glück haben wir uns rechtzeitig darauf vorbereitet. Fängt man erst an, wenn die Übergabe fällig ist, dann scheitert diese oft.“ Zudem orderte Keitel bei Haeder ein „Individual-Coaching“. Das Ziel: „Wie komme ich mit der Fülle meiner Aufgaben besser zurecht?“ Die Ursache der starken Belastung lag bald offen: „Man kann nicht zehn laufende Projekte leiten und nebenbei eine ganze GmbH führen.“ Jetzt konzentriert sich Keitel mehr auf seine zentralen Management-Aufgaben. „Man muss sich einfach Freiräume neben den Alltagsroutinen schaffen und möglichst weit über den eigenen Tellerrand schauen – sonst verbaut man sich seine Zukunft.“
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