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Verantwortung für morgen

Energiewende und ökologisches Bauen werden auf dem Deutschen Architektentag diskutiert.

01.08.20157 Min. Kommentar schreiben

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Am 11. und 12. Oktober findet in Hannover der Deutsche Architektentag statt. Er ist die Großveranstaltung des Berufsstandes im olympischen Vier-Jahres-Rhythmus, dient der Standortbestimmung und ist Anlass, die Aufgaben des Berufsstandes insbesondere im Hinblick auf Ökonomie und Soziales zu definieren. Es geht um die Verantwortung des Architekten in der Gesellschaft. Welche Antworten finden wir auf die Herausforderungen unserer Zeit wie Klimaveränderung, Energie, demografische Veränderungen, Mobilität und Heimat? Wie werden wir mit der Gesellschaft Wohnungen, Arbeitsplätze, Stadtquartiere, Städte und Landschaften gestalten? Zu den Themen der Podien gehört die Energiewende; zwei der Diskutanten stellen auf diesen Seiten ihre Standpunkte vor.

 

PROGRAMM UND ANMELDUNG

www.deutscher-architektentag.de


Nachhaltig lohnend

Nur wenn Planung und Bau Lebensqualität und Komfort steigern, tragen sie zur Nachhaltigkeit bei.
Text: Heide Schuster

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Heide Schuster betreibt das Architekturbüro BLAUSTUDIO in Stuttgart, ist Professorin für Energiedesign an der Frankfurt University of Applied Sciences und war Mitgründerin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen.

Energie-Effizienz ist wichtig in Gebäuden, aber Nachhaltigkeit bedeutet viel mehr. Ihr Thema sind ganze Lebenszyklen – ökologisch, ökonomisch, kulturell und sozial. Sie kann nicht eng auf Technik und Regulierungen fokussiert sein, sondern muss auch Lebensqualität und Wertschätzung für die gebaute Umwelt einbeziehen. Nur was auf Dauer gefällt und Wohlbefinden erzeugt, wird geachtet und bewahrt. Was missfällt, verschleißt vor der Zeit. Das gilt für ein Einzelgebäude, für Quartiere und ganze Städte. Davon hängt nicht zuletzt auch die energetische Performance ab: Für sie ist die Nutzerakzeptanz häufig entscheidender als die Dicke der Dämmschicht.

Das bedeutet: Nachhaltigkeit, Baukultur und alltägliche Lebensqualität stehen nicht im Widerspruch, sondern fördern einander. Nur wenn Architektur ästhetisch und funktional auf Dauer hochwertig ist und wenn sie wechselnden Nutzerbedürfnissen entspricht, ist sie auch nachhaltig. Im Entwurf und in der Planung kann auch darum Nachhaltigkeit kein Zusatzaspekt sein, der nach Fixierung der Rahmendaten irgendwann dem Projekt aufgepfropft wird. Hier sind wir schon weit gekommen, aber es gibt noch große Potenziale im Städtebau- und Architekturentwurf und in der Integration des gesamten Lebenszyklus in die Planung. Es hapert in unserer Planungskultur: In vielen Wettbewerben und Ausschreibungen ist Nachhaltigkeit noch immer nur ein sekundäres Thema. Eine Optimierung zeigt jedoch zu Beginn der Planung den größten und zugleich kostenneutralen Effekt. Und auch in der HOAI wird die Integration von Optimierungsschritten zumindest in frühen Phasen zu niedrig entlohnt – oder gar nicht.

Wir brauchen mehr interdisziplinäre Teams vom Anfang des Projekts an. In Wettbewerben sollten der Nachhaltigkeits-Sachpreisrichter in der Jury und eine vergleichende Bewertung der energetischen Qualität der Entwürfe selbstverständlich werden. Ganze Teams statt nur der entwerfenden Architekten sollten honoriert und mit Aufträgen bedacht werden. Ebenso in der HOAI: Hier brauchen wir ein stärker verankertes Leistungsbild „Grundlagenplanung unter Nachhaltigkeits-Aspekten“ und die Möglichkeit, Fachexperten viel früher in die Planung zu integrieren.

Architekten denken ohnehin ganzheitlich und integrativ und sind darum die geborenen Nachhaltigkeits-Planer. Das bedarf aber entsprechenden Know-hows. Die Ausbildung muss sich daher über den klassischen Entwurf hinausgehend viel stärker auf entwurfsrelevante Energie- und Nachhaltigkeitsaspekte konzentrieren. Wir Architekten müssen nicht jedes Detail selbst erbringen können, aber wir müssen Kenntnisse über den Einfluss entwurflicher Entscheidungen auf Energieverbrauch und Nachhaltigkeit haben und Spezialisten zum Beispiel für Gebäudesimulationen zur energetischen Optimierung oder für die Erstellung von Ökobilanzen zumindest verstehen und anleiten können. Das stärkt unsere Stellung als Generalisten im Planungsprozess.

Die Integration von Nachhaltigkeit in den architektonischen Entwurf und seine Dominanz in der Gebäudeplanung würde einiges wieder vom Kopf auf die Füße stellen – vor allem bei der Energieplanung. Für sie muss es natürlich Regeln geben. Aber diese dürfen nicht nur auf die Optimierung der Gebäudehülle und die Technik in der Nutzungsphase des Gebäudes beschränkt bleiben. Vielmehr ist der energetisch und flächenmäßig optimierte Architekturentwurf gefragt. Integration statt Einzeloptimierung muss auch das Prinzip im Städtebau sein. Das Mikroklima beispielsweise vereint die Fragen der energetischen Optimierung mit denen der Dichte, der kurzen Wege und des Komforts für Nutzer. Integrierte Gesamtlösungen schaffen auch auf diesem Gebiet höherwertige Stadträume, mehr Nachhaltigkeit und höhere Alltagsqualität.

Glücklicherweise wächst bei den Erbauern, Erwerbern und Nutzern von Gebäuden das Bewusstsein für Betrachtungen und Kalkulationen über den gesamten Lebenszyklus.

Dazu trägt nicht zuletzt eine längerfristige Kostenbetrachtung bei: Ein geringfügig höherer Aufwand in der Planung und am Bau lohnt sich allemal, weil dieser sich anschließend vielfach einspart. Aber hier brauchen wir weiterhin mehr Aufklärung sowie kritisches Bewusstsein bei Käufern und Mietern, die ihrerseits Bauherren, Projektentwickler und Immobilienverkäufer fordern und konstruktiv antreiben. „Wer zu billig plant und baut, zahlt am Ende doppelt“ – diese Erkenntnis muss sich noch stärker durchsetzen. Vor allem aber bedarf es der Erkenntnis: Nachhaltigkeit steht nicht quer zur Baukultur, sondern beide haben letztlich das gleiche Ansinnen und sind auf dem gleichen Weg erreichbar. Nachhaltigkeit ist kein drückendes Pflichtthema, sondern bietet uns neue Chancen und Potenziale für gute Architektur.

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Christian Kühn ist Bundestagsabgeordneter der Grünen aus Tübingen und Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik seiner Fraktion.

Sozialer Klimaschutz

Die Grünen setzen auf energetische Sanierung im Stadtviertel statt auf die Dämmung von Einzelhäusern.
Text: Christian Kühn

Die Klimakrise, die uns und die nachfolgenden Generationen in zunehmendem Maße beschäftigen wird, hat die Dimension eines rein ökologischen Problems schon lange verlassen. Es geht längst nicht mehr „nur“ um aussterbende Arten, Hitzesommer oder den Anstieg der Meeresspiegel. Klimaschutz ist längst zu einer sozialen Aufgabe geworden. Diese Aufgabe spiegelt sich auch in der Bau- und Wohnungspolitik wider. Häufig hört man von Mieterinnen und Mietern, die unter dem Deckmantel des Klimaschutzes im wahrsten Sinne des Wortes aus ihren Wohnungen heraussaniert werden. Energetische Sanierung kann sehr viel dazu beitragen, die Herausforderungen der Klimakrise zu bewältigen. Das darf aber keinesfalls nur zulasten der Mieterinnen und Mieter geschehen. Bezahlbares Wohnen und Klimaschutz müssen sich nicht ausschließen.

Eine Schlüsselrolle in der Verbindung von Wohn- und Klimapolitik hat das Energiethema. Für viele Mieterinnen und Mieter sind die Heiz- und Energiekosten längst zur teuren Zweitmiete geworden. Wohnen kann nur dann für alle bezahlbar bleiben, wenn diese Nebenkosten nicht noch weiter ansteigen. Die Debatte um Dämmen und Dämmstoffe, die immer wieder aufflammt, zeigt, wie sensibel das Thema mittlerweile geworden ist und wie erhitzt in der Öffentlichkeit darüber diskutiert wird.

Was wir auf keinen Fall akzeptieren können, sind unverhältnismäßig stark steigende Mieten aufgrund von energetischer Sanierung. Leider wurde eine Chance, diesen Effekt einzudämmen, bei der Einführung der Mietpreisbremse verpasst. Sie schließt umfassende Modernisierungen, also auch Sanierungsmaßnahmen, aus. Das spornt Vermieter dazu an, möglichst hochpreisig zu sanieren, statt auf bezahlbare Mieten zu setzen. Daher fordern wir Grünen eine deutliche Absenkung der sogenannten Modernisierungs-Umlage im Mietrecht.

Klar ist: Wohnungs- und Klimapolitik müssen sich viel stärker miteinander verbinden. Wir Grünen setzen dabei auf den Ansatz der sozialen energetischen Sanierung im Stadtviertel. Er bietet meiner Meinung nach die beste Möglichkeit, um ökologischen und gleichsam bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu erhalten.

Der Ansatz nimmt statt teurer Einzelmaßnahmen den gesamten Stadtteil ins Visier. Das leider noch vorherrschende „Von-Haus-zu-Haus“-Denken halte ich für überholt. Sanierungsmaßnahmen müssen stattdessen aufeinander abgestimmt werden. Die Kosten für Sanierungsmaßnahmen sollten in einem fairen Mix von Vermietern, Mietern und dem Staat getragen werden. Die steuerliche Förderung ist ebenso dringend wie Sanierungsfahrpläne und eine qualifizierte Energie- und Sanierungsberatung. Gut geplante und durchdachte Modernisierungen sind außerdem preiswerter als viele kleine Einzelmaßnahmen. Speziell für Viertel mit einem hohen Anteil an einkommensschwachen Haushalten muss es Sanierungsprogramme geben.

Außerdem bringt die Stadtteil-Sanierung gutes Dämmen mit der Nutzung von erneuerbaren Energien in Einklang. Im besten Fall werden die Bewohnerinnen und Bewohner eines Viertels von Anfang an eingebunden und können an der Entstehung und Erhaltung von klimafreundlichem und günstigem Wohnraum teilhaben.

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