Christine Edmaier und Peter Kever
Nach dem Beschluss des Bundeskartellamtes und der Revision beim Oberlandesgericht Düsseldorf ist das Verfahren um die Auftragsvergabe der Planungsleistungen zur Rekonstruktion des Berliner Schlosses weiter in der Schwebe. Gewinner der juristischen Auseinandersetzung ist zunächst ein Berliner Anwalt, ein in Fachkreisen bekannter Vergaberechtsspezialist, der das bisherige Vergabeverfahren ab der Preisgerichtsentscheidung als rechtswidrig entlarvt hat.
Beinahe tragische Figur des Verfahrens scheint der Sieger der Wettbewerbes, der Architekt Franco Stella zu sein. Das Kartellamt erklärt seine Beauftragung für nichtig und erlegt ihm als Beigeladenem des Verfahrens einen Kostenbescheid auf. Zudem muss Stella sich um den ersten Preis Sorgen machen: Wenn der Beschluss des Kartellamts beim Oberlandesgericht Düsseldorf Bestand hat, dann muss der Auslober nachträglich prüfen, ob Stella überhaupt am Wettbewerb teilnehmen durfte.
Fällt diese Prüfung negativ aus, muss der Preis gemäß der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) und den Wettbewerbsregeln (GRW 1995) aberkannt werden.Aus Sicht des betroffenen Architekten mag eine solche Regelung als unverständliche Härte erscheinen.
Doch haben wohl viele andere gerade deshalb nicht am Wettbewerb teilgenommen, weil sie diese Bedingungen nicht erfüllen konnten. Chancengleichheit muss ein unverletzliches Gebot sein, auch und gerade im Wettbewerb.
Auftraggeber in eigenen Fallstricken
Für zulässig hält das Kartellamt die Praxis, die Eigenerklärung der Bewerber vor dem Wettbewerb anzuerkennen und danach alle Preisträger zu prüfen. Geschähe dies nicht konsequent, käme das geradezu einer Aufforderung zur Hochstapelei gleich. Das läuft den Ansprüchen des Auftraggebers, aber auch den Interessen des Berufsstandes zuwider.
Die für Auftraggeber wie Architekten allgemein positive Botschaft des Kartellamtsbeschlusses lautet: Der Wettbewerb hat der Prüfung standgehalten, allein das Vergabeverfahren nach Abschluss des Preisgerichts ist nichtig.
Eindrucksvoll hat der Wettbewerb bewiesen, dass die Kraft der besten schöpferischen Idee unabhängig ist von der Anzahl der Mitarbeiter und der Höhe des Umsatzes. Der Auftraggeber hat sich in den juristischen Fallstricken verfangen, die er selbst mit der Implementierung von ausschließenden Mindestkriterien gelegt hat.
Die Architektenkammer Berlin hatte sich mit ihrem Rat, einen offenen Wettbewerb zu veranstalten, nicht durchsetzen können.
Eine weitere juristische Schwierigkeit droht nun in der vergaberechtlichen Komplikation des Sonderpreises. Die Architektenkammer hat lange dafür geworben, der schöpferischen Kraft der Architekten keine zu engen Schranken aufzuerlegen.
Aufgrund der ausdrücklich vom Deutschen Bundestag beschlossenen bindenden Vorgaben der Auslobung, einschließlich der zwingenden Errichtung der Kuppel, konnte die am zweithöchsten dotierte Arbeit – ebenso einstimmig beschlossen wie der erste Preis – nur mit einem Sonderpreis ausgezeichnet werden, da er keine Kuppel vorsah.
Einen zweiten Preis vergab das Preisgericht nicht, sondern stattdessen in einstimmiger Abänderung der Auslobung vier dritte Preise, darunter den des späteren Beschwerdeführers. Der Auftraggeber muss nun Kriterien für das Verhandlungsverfahren entwickeln, um die Beauftragung eines Preisträgers rechtskonform zu gestalten. Sollte das nicht gelingen, wird die Architektenkammer Berlin für die Ausschreibung eines offenen Architektenwettbewerbes eintreten.
Die Mitglieder des Preisgerichtes verhalten sich bisher erstaunlich ruhig. Nur der Vorsitzende Vittorio Lampugnani denkt öffentlich über einen neuen, inhaltlich offeneren Wettbewerb nach. Der Name „Humboldtforum/Schlossrekonstruktion“ steht stellvertretend für eine programmatische Ambivalenz: Entdeckergeist gegen Vergangenheitssehnsucht, Forum gegen Schloss.
Das vermittelnde Verfahren Wettbewerb kann nicht jeden Zwiespalt tragfähig überbrücken; formaljuristische Auseinandersetzungen können Spiegel inhaltlicher Diskrepanzen sein. Die Erfahrung lehrt, dass innere Widersprüche später umso mehr Aufwand für die Lösung erfordern. So wird sich möglicherweise der neue Bundestag mit früheren Beschlüssen befassen müssen.
Das Nichtjuristische an der Architektur
Ein grobes Missverständnis wäre es, den Beschluss des Bundeskartellamtes als Totenmesse der Baukultur und des Wettbewerbswesens zu verstehen. In seiner lesenswerten Begründung hat das Kartellamt Feststellungen getroffen, die sich positiv auf die Wettbewerbspraxis auswirken können. Das Kartellamt hält fest, dass sich ein kleines Büro (sinngemäß auch ein Berufsanfänger) eines leistungsstarken Partners als Subunternehmer bedienen kann, um die für die Auftragserfüllung erforderliche Leistungsfähigkeit nachzuweisen.
Dabei unterschied das Amt zwischen den Teilnahmevoraussetzungen zu einem Planungswettbewerb und den Eignungskriterien für den Auftrag. Erstere können niedriger angesetzt werden. Das wird ein wichtiges Argument in der Beratung zukünftiger nicht offener Wettbewerbe sein.Wie immer auch das OLG Düsseldorf in der Revision entscheiden wird: Schon jetzt lassen sich Schlüsse ziehen. Fachliche und sachliche Entscheidungen von Auftraggebern und Preisrichtern haben nur bei Einhaltung der vergaberechtlichen Normen Bestand.
Die Fachkenntnis aller am Wettbewerb Beteiligten und entsprechende Erfahrung mit der Vorbereitung und Durchführung sind eine unabdingbare Grundlage zum Gelingen ambitionierter und politisch sehr bedeutsamer Bauaufgaben. Wer das formale Recht zu sehr instrumentalisiert, um Architektur zu zeugen, läuft Gefahr, an Paragrafen zu scheitern. Architekturplanung ist eine geistige, nicht erschöpfend beschreibbare Leistung. Die architektonisch-gestalterischen Wertungen eines Preisgerichts sind nicht justiziabel und daher weitgehend rechtssicher. Das sollten sich öffentliche Auftraggeber noch mehr vergegenwärtigen.
Christine Edmaier ist Vizepräsidentin und Peter Kever ist Referent für Wettbewerb und Vergabe der Architektenkammer Berlin.