Nils Hille
Skeptisch ist er, als er den Raum betritt. „Ich wäre hier sonst gar nicht hingekommen“, sagt Martin Förtsch, Architekturstudent im zwölften Semester an der TU München, während er sich im Audimax umschaut. Nur noch die Diplomarbeit muss er fertig schreiben, dann hat er seinen Abschluss. Heute nimmt er von dieser letzten universitären Herausforderung eine Auszeit und testet für das Deutsche Architektenblatt die IKOM Bau.
Die Jobmesse speziell für Studenten der Architektur und des Vermessungs-, Bau- und Umweltingenieurwesens fand Ende Januar zum dritten Mal in München statt. Doch Förtsch kann gar nicht glauben, dass sich irgendein Unternehmen für ihn und seinen Abschluss interessiert: „Mir wird doch seit Beginn des Studiums von den Dozenten gesagt, dass ich große Probleme beim Einstieg in den Arbeitsmarkt bekommen werde.“
Umso überraschter war er, als er vorab den Messekatalog durchschaute. Das Farbregister darin zeigt an, welches Unternehmen Absolventen welcher Fachrichtung sucht. Architektur ist dabei gelb hinterlegt – und es gibt viele gelbe Flächen. Förtsch hat sich fünf von ihnen ausgesucht: „Das sind ganz unterschiedliche Arbeitgeber, bei denen ich mal nachfragen will, was sie mir mit meinen Schwerpunkten denn anzubieten haben.“ Er hat sich im Studium auf den Bereich energetisches Bauen und Sanieren konzentriert und arbeitet seit einigen Jahren nebenbei in einem Projektsteuerungsbüro.
Themen stimmen
Ein Architekturbüro, der Arbeitgeberklassiker für seine Fachrichtung, wählt Förtsch als Einstieg. An dem Stand trifft er auf Andreas Kellner, Geschäftsführer von a+p Architekten, dem einzigen vertretenen Büro auf der IKOM Bau. Die beiden kommen ins Gespräch. Kellner erzählt von Projekten, Mitarbeitern, Firmenphilosophie und bietet so dem Studenten einen ersten Einblick. Förtsch hakt nach. Er will wissen, ob seine Schwerpunkte für Kellner interessant sind. „Klar. Die energetische Sanierung wird ein immer größeres Thema, auch für den gewerblichen Bau, mit dem wir uns vor allem beschäftigen“, antwortet der Bürochef.
„Und inwieweit ist Ihr Büro im Ausland aktiv?“, fragt Förtsch. Hier muss Kellner passen: „99 Prozent unserer Projekte liegen im Umkreis von 150 Kilometern um München.“ Dafür kann er eine Betriebszugehörigkeit seiner Mitarbeiter von durchschnittlich zehn Jahren und die Bearbeitung aller Leistungsphasen bieten.
Nach und nach nähern sich die beiden der entscheidenden Frage, die Förtsch schließlich stellt: „Suchen Sie denn konkret für dieses Jahr auch Absolventen als Mitarbeiter?“ Kellner schmunzelt. Er hat die Frage schon erwartet. „Aktuell niemanden. Wir hoffen aber, noch zwei größere Projekte zu bekommen. Wenn das klappt, können wir wohl jemanden gebrauchen. Melden Sie sich einfach, wenn Sie Ihr Studium beendet haben“, sagt er.
Förtsch ist nach dem Gespräch zufrieden: „Ich habe zwar schon immer gehofft, dass mein Energieschwerpunkt interessant für Büros ist, aber jetzt habe ich es direkt von einem Inhaber gehört. Das freut mich!“ Auch Kellners Aussagen zu Leistungsphasen und Betriebszugehörigkeit haben Förtsch begeistert. „Da habe ich gute Chancen, länger zu bleiben“, überlegt er. Dazu muss er sich allerdings bewerben – und das will er auch tun.
Keine Alternativen
Weiter geht es zum Stand von Zerna Ingenieure. Im Messekatalog ist auch bei diesem Unternehmen eine gelbe Markierung für Architekten zu sehen, doch als Förtsch nachfragt, hört er als Antwort: „Gezielt suchen wir Architekten zurzeit nicht.“ Das Projektentwicklungs- und -steuerungsbüro führt selbst keine Analysen von und architektonische Planungen auf Grundstücken durch, sondern beauftragt damit andere Büros. „Sich bei Zerna direkt nach dem Studium zu bewerben, hat wohl keinen Sinn. Schade!“, ist Förtschs nüchternes Fazit.
An dem Stand des Baukonzerns Züblin verweist der Mitarbeiter schnell auf die Internetseite. „Hier finden Sie immer unsere aktuellen Angebote.“ Doch Förtsch fragt weiter. Auch (angehende) Architekten würden immer wieder gesucht, da das Unternehmen mittlerweile vom Entwurf bis zur Realisierung alles macht, erzählt der Mitarbeiter darauf. Und: „Wir versuchen natürlich auch, die Architektur in ihren Kosten zu optimieren.“ Nach der Verabschiedung fällt der Student eine schnelle Entscheidung: „Auf deren Internetseite schaue ich wohl nicht. Das Gespräch hat mich eher abgeschreckt.“
Förtsch zieht weiter und bleibt bei einem Stand mit goldenem Löwenlogo stehen. Die Mitarbeiter der „Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Inneren“ werben für den wohl sichersten Job, den ein Architekt finden kann – hier wird nach Bedarf eingestellt und die Verbeamtung ist schnell erreicht. In dem zweijährigen Baureferendariat lernen die Hochschulabsolventen sämtliche Stationen kennen und nehmen an Seminaren teil. Danach folgt eine Abteilungsleiterposition an einem Bauamt. „Sie koordinieren dann die Arbeit einer Reihe von Mitarbeitern. Selber bauen Sie im klassischen Sinne aber nicht mehr viel“, erklärt der Herr. Förtsch kann sich diesen Job für sich nicht vorstellen – noch nicht: „Ich wusste gar nicht, dass es diese Möglichkeit gibt. Das sichere Gehalt und vielleicht mal Stadtbaumeister zu werden, ist natürlich reizvoll – aber nicht in jungen Jahren.“ Den Ablaufplan des Referendariats packt er sicherheitshalber trotzdem ein.
Sprachkenntnisse statt Lebenslauf
Auch ein Softwareunternehmen zeigt Interesse an Architekten. Förtsch wird bei der conject AG direkt auf Englisch angesprochen. „Englisch ist wichtig, Deutsch optional“, erklärt der Mitarbeiter lächelnd die Anforderungen seines Unternehmens, das in München seinen Stammsitz hat. Dort sitzen 60 Mitarbeiter und arbeiten an einer Onlineplattform für die Prozesssteuerung in den Bereichen Planung, Bau, Betrieb und Vermarktung von Immobilien. Als Förtsch erzählt, dass er Kroatisch spricht, ist der Mitarbeiter begeistert:
„Wir suchen Leute wie Sie. Vergessen Sie den Lebenslauf. Wann können Sie anfangen?“ Förtsch sagt nicht zu: „Wer studiert denn sechs Jahre Architektur, um zu einer Softwarefirma zu gehen? Als Quereinsteiger ja, aber sonst nur, wenn ich keinen Job finde.“ Dass es in diesem Fall Alternativen gibt, beruhigt ihn. Und so zieht Förtsch ein positives Fazit seines Besuchs der IKOM Bau: „Auch wenn vieles für mich persönlich zu speziell war, die Bandbreite an potenziellen Arbeitgebern ist für Architekturabsolventen größer, als ich dachte.“